Bei Weltrad in Schönebeck blickt man auf eine bewegte Historie zurück Die Hüter der Blaupausen
Die Geschichte von Weltrad beginnt 1885. Noch heute arbeitet der Hersteller auf Grundlage alter Konstruktionspläne - und hat mit seinen Retro- Rädern Erfolg.
Schönebeck l Ein wenig Zeit sollte man mitbringen, wenn man sich für ein Weltrad entscheidet. Sechs Wochen dauert es in der Regel, bis das Rad vor der Tür steht, sagt René Wölfer von Weltrad. Dafür bekommt man ein individuelles Gefährt - angepasst an Rückenmaße, Arm- und an die Schrittlänge. Dass die Form der Räder noch heute auf die Blaupausen von 1930 zurückgeht, sieht man, wenn man die Zweiräder aus den unterschiedlichen Epochen nebeneinander stellt. In einigen Details wurde die zeitgemäßere Variante des Weltrades freilich an die Moderne angepasst. Verchromte Lenker, moderne Nabenschaltung und ein Kernledersattel. Letzterer sieht etwas unbequem aus. "Das Leder passt sich nach kurzer Zeit individuell an", weiß Wölfer zu beruhigen.
Überhaupt ist bei den Retro-Verfechtern von Weltrad alles etwas anders. All jene, die zur ersten Probefahrt aufsteigen, merken sofort, dass die Sitzposition besonders ist. "Waten wie ein Storch", nennt es Wölfer. Im Gegensatz zu anderen Fahrrädern nimmt man auf dem Weltrad weit hinter dem Tretlager Platz. Auch durch den ergonomisch geschwungenen Lenker sei diese Position besonders rückenschonend, erläutert der Weltrad-Sprecher. Nichtsdestotrotz sei sportliches Radeln möglich. Quasi das beste von beiden Welten in einem Rad vereint.
Die Weltrad-Geschichte beginnt 1885. Die Schlosser Carl Hoyer und Walter Glahn gründen die Firma "Hoyer Glahn" in der Böttcherstraße. Zunächst werden Starkstrom- und Blitzschutzanlagen gefertigt. 1890 satteln die beiden Macher aufs Zweirad um und gründen in der Friedrichstraße ihre "Fahrradfabrik". Innerhalb weniger Jahre gelingt dem innovativen Unternehmen der Aufstieg zu einem europaweit beachteten Fahrradhersteller.
Trotz der Umstellung auf Rüstung läuft auch während des ersten Weltkrieges die Fahrradproduktion weiter. Nach Radfahrverbot und Gummibeschlagnahme liegt die Herstellung erst 1917 für ein Jahr auf Eis. Doch der Neustart gelingt. 1945 bricht der Fahrradbau zusammen, da die Zulieferer für Speichen, Reifen, Rohre aus dem Westen nicht mehr liefern konnten. Nach verschiedenen strukturellen Veränderungen, Namensänderungen, dem Übergang in den Volkseigenen Betrieb (VEB) Traktorenwerk Schönebeck, gelingt unter Göran Scherf 1996 der Neubeginn als "Weltrad Fahrräder Service".
Stolz sind sie bei Weltrad auf den heutigen Standort von Manufactur, Restaurant und Quartier an der Elbe. Wie gesagt, bei Weltrad geht es seit jeher etwas individueller zu.