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Jugendklub der Caritas in der Scheunenstraße soll zum Jahresende schließen / Bürgermeister Dieter Tischmeyer: "Die letzte Jugendeinrichtung muss bleiben"

Von Andreas Pinkert 07.09.2011, 06:34

Der Kinder- und Jugendhof in der Scheunenstraße soll zum Jahresende schließen. Der Caritasverband als Träger der Einrichtung kann seinen Finanzierungsanteil nicht weiter stemmen. Bürgermeister Dieter Tischmeyer, Jugendhofleiter Georg Mollwitz und Streetworkerin Steffi Gutjahr sprechen von einem katastrophalen Zustand und sehen den Landkreis verstärkt in der Verantwortung.

Calbe. "Es ist ein Zustand, mit dem wir uns nicht abfinden werden", bezog Bürgermeister Dieter Tischmeyer eindeutig Position. "Die Schließung des Jugendklubs hätte für die Jugendarbeit in Calbe katastrophale Folgen", sagte das Stadtoberhaupt. "Wir müssen in vereinter Anstrengung den Weiterbestand gewährleisten". Es wäre die letzte Jugendeinrichtung, die in Calbe nach fast 20 Jahren schließen würde, nachdem bereits der Jugendklub in der Breite und der Jugendklub der Volkssolidarität in der einstigen Diesterwegschule vor sechs Jahren aus dem Stadtbild verschwanden.

Seitdem ist die Einrichtung in der Scheunenstraße als einziger Anlaufpunkt für Kinder und Jugendliche im Stadtgebiet verblieben. Es ist ein Ort, an dem sich wochentags vom Siebenjährigen bis zur jungen Familie in einer familiären Atmosphäre getroffen wird. Eine Backstube, ein großer Werkraum, Tiere, Computerraum, verschiedene Spielmöglichkeiten sorgen für Abwechslung. "Im Schnitt habe ich täglich rund 40 bis 50 Leute, die vorbeischauen", sagt Leiter Georg Mollwitz. Eine Schließung sei für eine Stadt in der Größenordnung von Calbe völlig undenkbar.

Caritas ist als Träger finanziell überfordert

Überraschend kam die Entscheidung nicht. In der Vergangenheit hatte es bereits Gespräche zwischen der Stadtverwaltung, dem Caritasverband und dem Jugendamt des Salzlandkreises gegeben. Auch die Calbenser Wohnungsbaugesellschaft mbH (CWG), als Eigentümer des Gebäudes kommt dem Kinder- und Jugendhof sehr großzügig entgegen.

Hauptgrund für die beabsichtigte Schließung sei dennoch die seit Jahren angespannte Finanzierungs- situation, sagt Klaus Skalitz, Caritas-Abteilungsleiter Sozialarbeit auf Volksstimme-Nachfrage. Der Kostendruck sei in einen prekären Bereich gestiegen und auch die Einnahmesituation habe sich verändert. Der Caritasverband sei nicht mehr in der Lage, dieses hohe finanzielle Engagement in Calbe weiter zu führen. Salzlandkreis, Stadt und ein Förderverein seien bemüht gewesen, mit den vorhandenen Möglichkeiten eine hohe Refinanzierungsquote bei kontinuierlich steigenden Kosten zu erreichen. Klaus Skalitz beziffert die Gesamtkosten für den Jugendklub auf etwa 75 000 Euro. "Trotz aller Bemühungen verbleibt für den Caritasverband ein Trägeranteil von rund 40 000 Euro im Jahr 2011. Das entspricht einer Eigenmittelquote von 50 Prozent. In den zurückliegenden Jahren war dieser teilweise noch höher gewesen", begründet Klaus Skalitz.

"Diese sich schon lange abzeichnende finanzielle Überforderungssituation haben wir seit anderthalb Jahren dem örtlichen Jugendhilfeträger und anderen Finanzierungspartnern vorgetragen. Leider ergaben sich keine beziehungsweise nur unzureichende Lösungsansätze für die Problematik." Skalitz lobt dagegen das Engagement von Bürgermeister Dieter Tischmeyer. "Er hat die größten Anstrengungen zur Unterstützung unternommen und mit einem Gesamtpaket an Unterstützungsleistungen zur Kostenreduzierung in Höhe von rund 8 000 Euro Beeindruckendes geleistet." In der Gesamtrelation sei dies aber doch zu wenig für einen Weiterbetrieb.

Der Möglichkeit, Geld aus dem Verkauf des Krankenhauses für eine Weiterführung des Jugendklubs zu verwenden, muss Dieter Tischmeyer dagegen eine Absage erteilen. "In Abstimmung mit der Kommunalaufsicht dürfen die Mittel nicht zur Bezuschussung an Vereine und Verbände ohne haushaltskonsolidierende Wirkung ausgereicht werden." Die Rolandstadt als ein weißer Fleck auf der Landkarte der Jugendklubs? Auch für Steffi Gutjahr ist das kein Diskussionsgegenstand. Seit Jahren kennt die Streetworkerin die Sorgen, Nöte und Bedürfnisse von Jugendlichen in der Stadt.

Seit fast 20 Jahren eine feste Anlaufstelle

"Der Jugendklub ist eine feste Anlaufstelle. Junge Familien bilden dort schon die zweite Generation, kommen mehrmals wöchentlich. Viele haben unverständliche Anträge oder Behördenschreiben mit. Wir helfen weiter", sagt Gutjahr. Ihre monatliche Sprechstunde in der Breite reiche dafür nicht im Geringsten aus. "Es muss etwas passieren."

Ihre Aussagen zum Bedarf einer solchen Einrichtung finden sich in der aktuellen Sozialraumanalyse des Salzlandkreises bestätigt. Dort heißt es: "Bei der Inanspruchnahme der Hilfen zur Erziehung insgesamt liegt die Stadt Calbe (Saale) weit über dem Kreisdurchschnitt und ist eine der höchsten im Salzlandkreis. Dies betrifft besonders die ambulanten und die teilstationären Hilfen." Sowohl für Steffi Gutjahr, als auch für Georg Mollwitz und Dieter Tischmeyer muss nun der Salzlandkreis, aus dessen Feder die Sozialraumanalyse stammt, als Verantwortlicher für die Jugendhilfeplanung Flagge zeigen. Dieter Tischmeyer hat für den 15. September zu einem erneuten Gespräch mit den beteiligten Institutionen eingeladen. "Der Ausgang dieser Gespräche soll vor einer Stellungnahme abgewartet werden", antwortet Ingrid Schildhauer, Pressesprecherin des Salzlandkreises, auf Nachfrage.

Als Alternative zur Schließung sei der Caritasverband mit Partner derzeit auf der Suche nach einer neuen Trägerkonstruktion, die den wirtschaftlichen Rahmen- bedingungen besser Rechnung trägt. Die Hoffnung bleibt also bestehen, den Kinder- und Jugendhof als Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung im Salzlandkreis vielleicht doch noch zu erhalten.