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Nur wenige Unterlagen zu Mediziner vorhanden Die Rätsel um Schönebecks Tolberg

19.10.2012, 01:16

Rätselhaft, zumindest ein wenig, ist Dr. Johann Wilhelm Tolberg. Obwohl sich der Mediziner viele Verdienste um Schönebeck erarbeitet hat und über die Stadtgrenzen weit hinaus bekannt ist, so gibt es tatsächlich noch einige Fragen, die offen sind.

Von Kathleen Radunsky

Schönebeck l Und die auch Historiker wie Britta Meldau und Matthias Hille vom Schönebecker Stadtarchiv bisher noch nicht klären konnten. "Keiner kann schlussendlich sagen, wann Tolberg geboren wurde", nennt Britta Meldau ein Beispiel. Demnach sei nur urkundlich hinterlegt, wann der in Iserlohn geborene Tolberg getauft wurde. Das war am 24. Oktober 1762. "Damals war es üblich, innerhalb der nächsten drei Tage nach der Geburt sein Kind zu taufen", fügt Matthias Hille erklärend hinzu. Ergo könne davon ausgegangen werden, dass der spätere Mediziner am 21. Oktober 1762 das Licht der Welt erblickte.

Später studierte der Gründer des Solbades und heutigen Kurpark-Areals in Halle Medizin und promovierte 1791. "Im Folgejahr wurde er Stadtphysikus zu Staßfurt, ließ sich aber für kurze Zeit in Calbe nieder, da er die Tochter des dortigen Stadtphysikus geehelicht hatte", kann Britta Meldau aus der Tolbergschen Geschichte berichten. Zum 1. Juli 1794 trat Tolberg in Schönebeck die Stelle eines Knappschaftsarztes der königlichen Saline an.

Sein ambitioniertes Wirken wurde in der Elbestadt jäh behindert. "Die Auflage, nur die billigsten Heilmittel zu verwenden, schränkte die Tätigkeit des sozial denkenden Tolbergs stark ein", sagt Britta Meldau. Tolberg war damals aufgefallen, dass die Salinebeschäftigten oft an Rheuma und Gicht, die Kinder an Ausschlägen und Flechten litten. Deshalb schlug er bereits 1796 vor, ein Krankenhaus für die Saline zu bauen. Sparzwänge ließen dies vorerst nur eine Vision sein.

Es sollten noch rund sechs Jahren ins Land gehen, bevor der Vorreiter Tolberg die Erlaubnis für den Bau einer Heilanstalt erhielt. Es war aber eher Zufall. Denn 1800 lernte Tolberg die bei Elmen geförderte Sole, den Rohstoff zur Salzherstellung, als Hausmittel kennen. "Im August 1801 ließ er eine versteckte Grube anlegen und führte mit minderwertiger Sole Versuche durch", berichtet Britta Meldau weiter. Seine ersten Patienten waren Jugendliche mit Geschwüren und Drüsenverhärtungen, die bereits nach zweiwöchigen Kuren als geheilt entlassen werden konnten. Nach seinem Antrag 1801 erging am 21. September 1802 ein Spezialbefehl des Königs, der den Bau eines größeren Badehauses in Aussicht stellte und die Errichtung eines kleineren Gebäudes für die Salinearbeiter sofort befahl. Dieser Befehl ist die Geburtsurkunde des ältesten Solbades Deutschlands.

Von da an ging es steil auf mit dem heutigen Kurpark-Areal. Auf Tolbergs Anregung hin wurde 1803 der Bau eines massiven Badehauses mit vier Badekabinetten angeordnet. "Das neue Bad hatte großen Zuspruch, die Erfolge waren augenfällig", erzählt die Historikerin. Nun wurde der Mediziner zum Badearzt ernannt und ab 1811 erfolgen weitere Anbauten.

"Tolberg hat damals schon die Grundzüge des heutigen Kurparkes gestaltet", sagt Britta Meldau mit einem Blick auf historische Bilder, auf denen die Grundachsen deutlich zu erkennen sind. Dass er sich neben dem Badehaus auch um das Umfeld gekümmert hat, mag mit unter daran liegen, dass "er wusste, das Gradierwerk als Inhalatorium zu nutzen, da die dortige keimfreie salzhaltige Luft sich günstig auf die Atemwege auswirkte". Wie Britta Meldau außerdem berichtet, gab sich Tolberg mit seinem Engagement in Schönebeck nicht gänzlich zufrieden. "Er entfaltete eine rege schriftstellerische Tätigkeit, um seine Erkenntnisse von der Heilkraft der Sole publik zu machen", hebt Meldau hervor. Anderenorts wurden daraufhin ebenfalls Solbäder eröffnet, unter anderem 1809 in Halle. Im September 1831 erlag Tolberg der Bauchwassersucht (eine krankhafte Flüssigkeitsansammlung in der freien Bauchhöhle).

Obwohl es Dr. Johann Wilhelm Tolbergs Verdienst ist, dass die Kenntnis über die Heilkraft der Sole weithin bekannt gemacht wurde und das von ihm gegründete Solbad Elmen bis auf den heutigen Tag im Schönebecker Stadtteil Bad Salzelmen besteht, so ranken sich weiter ominöse Begebenheiten um ihn. So existiert laut Britta Meldau und Matthias Hille wohl nur ein Bild von Tolberg. Die Historiker haben dafür eine einfache Erklärung. "Damals gab es noch keine Fotografie, und das Malen eines Gemäldes konnten sich nur die Reichen leisten", erklärt Matthias Hille. Dr. Tolberg, der bis kurz vor seinem Tod in der staatlichen Saline angestellt war, galt keineswegs als reicher Mann. "Viele Jahre hatte er uneigennützig und ohne Entschädigung zum Wohle der Heilstätte gewirkt", ergänzt Britta Meldau. Auch das ist ein wesentlicher Hinweis auf Tolbergs außergewöhnliches soziales Engagement. Trotz seiner Leistung für die Bürger und die Stadt Schönebeck ist es bedauerlich, dass im Stadtarchiv kaum Daten des Mediziners zu finden sind. "In der Elbestadt ist Tolbergs Schaffen eher von Interesse als seine Persönlichkeit", fasst es Britta Meldau zusammen. Da Tolberg in der staatlichen Saline angestellt war, seien Unterlagen nur in höheren Archiven zu finden.

Zum Ende gilt es noch ein Rätsel des Dr. Tolberg zu offenbaren. Der Mediziner soll drei Kinder gehabt haben. Doch zu jedem Nachkommen fehlen die Unterlagen. Einzig aus einer Kirchenchronik haben die Schönebecker Historiker erfahren können, dass eine Nachfahrin des berühmten Doktors in den 1950er Jahren in Schönebeck zu Besuch gewesen sein soll.