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DiebstahlChaotischer Prozess um gestohlenes Auto

Der Richter sollte entscheiden, wem der Wagen eigentlich gehörte.

Von Jan Iven 17.09.2019, 19:22

Schönebeck l Der Fall am Amtsgericht Schönebeck ist kompliziert. Und die Tatsache, dass es keinen Kaufvertrag für das möglicherweise gestohlene Auto gibt, machte die Angelegenheit nicht einfacher. Zu allem Überfluss spricht keiner der syrischen Beteiligten deutsch. Trotzdem versuchte der Richter zu klären, wem das verkaufte Auto gehörte.

Fest steht zumindest, dass ein 30-jähriger Angeklagter aus Syrien, der in Schönebeck lebt, in Dezember einen BMW für 2000 Euro verkauft hat. Daraufhin war er angeklagt worden. Der Vorwurf: Er soll den Wagen von einem 39-jährigen syrischen Bekannten gestohlen haben. Demnach sollte der Angeklagte den Wagen nur reparieren und nicht verkaufen.

Das Problem: Es gibt keinen Kaufvertrag. Der tatsächliche Eigentümer lässt sich so nicht schriftlich nachweisen. Der Richter versuchte dennoch, sich aus den Aussagen des vermeintlich Geschädigten und einiger Zeugen ein Bild über die Herkunft des Fahrzeuges zu machen. Doch nicht nur wegen der verworrenen Besitzverhältnisse, sondern auch wegen der Sprachbarrieren war dies ein schweres Unterfangen. Zwar gab es vor Gericht einen syrischen Dolmetscher, doch hatte er diesen Beruf nicht gelernt.

Die Folge: Selbst auf kurze Fragen des Richters an die Zeugen entwickelten sich am Amtsgericht lange Diskussionen zwischen den Beteiligen auf Arabisch. Auch der Angeklagte äußerte sich immer wieder auf Arabisch zu den Zeugenaussagen. Ob er die Aussagen dabei beeinflusste, konnte der Richter nicht mehr feststellen. Die Aussagen waren damit wertlos. Der Richter verlor zusehends die Geduld.

Nach einiger Zeit stand zumindest fest, dass der vermeintlich Geschädigte in den Fahrzeugpapieren eingetragen war. Trotzdem behauptete der Angeklagte, dass der Wagen ihm gehörte. Das Auto soll nur auf den Namen seines Bekannten eingetragen worden sein, weil der Anklagte selbst keinen Pass hatte. Die Führerscheinstelle soll sich daher geweigert haben, die Fahrzeugpapiere auf den Namen des Angeklagten auszustellen. Dieser Erklärung konnte der Richter folgen.

Merkwürdig waren auch die Umstände, unter denen die Syrer das Fahrzeug erworben hatten. So waren der Angeklagte und der Geschädigte mit einem weiteren Zeugen im April 2017 nach Hannover gefahren, und hatten das Auto mitten in der Nacht bei einem Gebrauchtwagenhändler erstanden. Übereinstimmenden Aussagen zufolge hatte der Angeklagte dem Händler den Kaufpreis von 680 Euro in bar übergeben. Eine Quittung oder einen Vertrag war nicht ausgestellt worden.

Auf Nachfrage des Richters konnte der Geschädigte nicht erklären, warum nicht er das Geld übergeben habe, sondern der Angeklagte. Für den Richter war dies ein Hinweis darauf, dass tatsächlich der Angeklagte der Eigentümer des Wagens gewesen sein könnte. Zwar wurde der Wagen auf den Namen des vermeintlich Geschädigten angemeldet. Allerdings hatte die Führerscheinstelle auch nur eine Anmeldung für eine Woche genehmigt.

Weiteres Kuriosum: Nach Angaben des Angeklagten hatte der vermeintlich Geschädigte ihm vor der Verhandlung angeboten, die Anzeige wegen Diebstahl im Gegenzug für eine Zahlung von 500 Euro einzustellen. Darauf wollte sich der Angeklagte jedoch nicht einlassen, da er sich im Recht sah.

Am Ende mochte selbst der Staatsanwalt die Anklage nicht mehr aufrecht erhalten. Denn ohne Vertrag ließ sich seiner Meinung nach nicht eindeutig beweisen, dass nicht doch der Angeklagte der Eigentümer des Fahrzeuges war. Er forderte daher eine Einstellung des Verfahrens. Der Richter am Amtsgericht folgte schließlich dieser Einschätzung und stellte das Verfahren ein.