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Einkaufen „Bitte nicht hamstern!“

Warum die Verkäuferinnen in einem Schönebecker Supermarkt genug von Hamsterkäufen haben.

Von Jan Iven 20.03.2020, 00:01

Schönebeck l Als die alte Dame verzweifelt vor dem leeren Milchregal stand, hatten die Verkäuferinnen im Supermarkt in der Schillerstraße genug. So konnte es einfach nicht mehr weitergehen, Coronavirus hin, Hamsterkäufer her. Und so machten die Mitarbeiterinnen des Rewe-Marktes ihrem Herzen im Internet Luft und richteten einen flammenden Appell an ihre Kunden.

„Wir hatten eine Situation im Markt, die jeden zum Nachdenken anregen sollte“, schrieben die Verkäuferinnen auf einer Schönebecker Facebook-Seite. „Eine liebe Stammkundin höheren Alters kam mit ihrem Rollator und einem kleinen Beutel in den Markt und wollte eine Packung Milch kaufen. Für sie ist der Weg anstrengend, das sollte jedem klar sein. Als wir ihr sagten, dass wir keine Milch mehr haben, wurden ihre Augen glasig und sie meinte, sie wolle doch nur eine einzige Packung.“

Doch nicht einmal ein einziges Paket war noch im Laden zu kaufen, keine H-Milch, keine frische Milch, nicht einmal laktosefreie Milch. Alles war ausverkauft von so genannten Hamsterkäufern, die derzeit aus Angst vor dem Coronavirus in ganz Deutschland dafür sorgen, dass vor allem Toilettenpapier, Nudeln, Milch und Mehl in den Regalen der Supermärkten nicht mehr zu finden sind. Und das, obwohl Lebensmittelgeschäfte wie der Rewe-Markt drei bis vier Mal in der Woche neue Ware geliefert bekommen und eigentlich überhaupt kein Mangel herrscht.

Der Vorfall mit der alten Dame hat den Mitarbeitern des Supermarktes das Herz gebrochen. „So etwas macht uns traurig“, schrieben sie im Internet. Denn die älteren Bürger hätten bereits darunter zu leiden, dass sie zur Risikogruppe gehören. Die Verkäuferinnen reden den Hamsterkäufern ins Gewissen: „Sie könnte Ihre Mutti oder Ihre Omi sein. Und nun müssen wir sie in den nächsten Markt schicken. Das geht so nicht!“

Verfasst hatte den Aufruf die stellvertretende Marktleiterin, Sonja Höldtke, zusammen mit anderen Mitarbeiterinnen des Marktes. „Als es losging, sind einige Kunden hier mit zwei Einkaufswagen voll Toilettenpapier rausgerannt“, erzählt sie auf Nachfrage der Volksstimme. Die Verkäuferinnen waren zunächst völlig überrascht. „Inzwischen mussten wir dazu übergehen, nur noch zwei Packungen pro Haushalt abzugeben.“

Genutzt hat es bisher nichts. Wenn drei bis vier Mal in der Woche zwei Paletten voller Toilettenpapier ausgeliefert werden, ist es meistens schon nach zwei Stunden ausverkauft. Dabei würde überhaupt kein Mangel herrschen. „In den Lagern sind ausreichend Waren vorhanden“, versichert die stellvertretende Leiterin Sonja Höldtke. Es würde einfach nur etwas Zeit in Anspruch nehmen, sie auf die Märkte zu verteilen.

Der dringende Appell der Verkäuferinnen des Marktes lautet daher, bei allem Verständnis für die Unsicherheiten in der jetzigen Situation: „Bitte nicht hamstern!“ Denn: „Hamsterkäufe erschweren uns unsere Arbeit, binden Ressourcen, die im Moment benötigt werden und Schaden denen, die nicht so mobil sind.“

Im Internet vergliche sie die jetzige Situation sogar schon mit einer der letzten großen Katastrophen. „Bei dem Hochwasser 2013 hat Schönebeck gezeigt, dass der Zusammenhalt in solch schweren Zeiten ungeahnte Ausmaße annehmen kann. Jeder hat jedem geholfen - Hand in Hand!“, heißt es in dem Schreiben. „Heute müssen wir keine Sandsäcke füllen! Das Einzige, worum wir Sie bitten ist Besonnenheit und Rücksichtnahme.“ Entgegen vielen Falschmeldungen würden die Supermärkte nicht geschlossen. Eine Versorgung mit Lebensmitteln und Sanitärartikeln sei daher sichergestellt.

Im Internet haben die Rewe-Mitarbeiterinnen viel Zuspruch erhalten. „Da kommen einem die Tränen. Echt traurig, wie sich einige verhalten“, schrieb eine Nutzerin im Netz. Andere schreiben: „Super geschrieben!“ oder „Ich verstehe es auch nicht, dass die Leute wie blöd kaufen“. Ein Kommentator findet: „Dem ist nichts hinzuzufügen. Es ist wirklich sehr traurig, gerade für ältere Menschen.“ Und ein Schönebecker fragt: „Wo ist nur der Zusammenhalt geblieben?“ Eine andere Nutzerin ist überzeugt: „Durch die Hamsterkäufe gibt es erst die Engpässe“

Einer meldet sich sogar aus dem Ausland: „Hier in Irland haben zwar auch fast alle Restaurants Hotels und Pubs geschlossen, aber in den Supermärkten geht es völlig normal zu. Alle Regale sind normal gefüllt. Alle Menschen sind entspannt.“ Insgesamt wurde Beitrag der Verkäuferinnen im Internet mehr als 20-mal kommentiert, mehr als 140-mal geliket und mehr als 40 weiterverbreitet.

Inzwischen haben sich sogar einige Kunden freiwillig im Rewe-Markt gemeldet und angeboten, den Verkäufer beim ehrenamtlich beim Auspacken der neuen Ware zu helfen, falls die Mitarbeiter krank werden sollten. Dafür gebe es allerdings keinen Bedarf. Die Kolleginnen seien auch noch alle gesund. Im Eingangsbereich des Marktes wird derzeit kräftig umgebaut. Das habe allerdings nichts mit den Hamsterkäufen zu tun. „Wir erneuern unseren Obst- und Gemüsebereich. Das ist schon lange geplant“, versichert Sonja Höldtke.

Die Rewe-Mitarbeiterinnen hoffen nun, dass die Kunden langsam wieder zur Vernunft kommen und es mit dem Hamstern nicht übertreiben. „Zeigt uns, dass Schönebeck noch weiß, wie es geht!“, schreiben sie abschließend im Internet. Dann würden die Waren auch für alle reichen. Die Lager seien gut gefüllt.