1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Mehr Fragerecht für Bürger?

Einwohnerfragestunde Mehr Fragerecht für Bürger?

Immer mehr Politiker wollen das Fragerecht der Einwohner im Stadtrat Schönebeck ausweiten.

Von Jan Iven 31.03.2019, 00:01

Schönebeck l Werden die Rechte der Bürger in den Stadtratssitzungen gestärkt? Nach einem Bericht der Volksstimme zeichnet sich ab, dass es nach der Wahl im Mai eine Änderung der Geschäftsordnung geben könnte, die den Schönebeckern ein umfassendes Fragerecht in den Sitzungen zu allen Themen einräumt – auch zu den Tagesordnungspunkten der Sitzungen, die bisher für die Einwohner tabu sind. Denn immer mehr Fraktionen und Stadträte sprechen sich inzwischen dafür aus, dass die Bürger nicht nur in den Ausschüssen alles fragen dürfen sollten, sondern auch im Stadtrat und in den Ortschaftsräten.

So begrüßt die Schönebecker SPD die Beteiligung von Bürgern in den kommunalen Gremien. Die Sozialdemokraten hatten sich bereits in der Vergangenheit für eine Lockerung des Fragerechtes bei der Fragestunde auch im Stadtrat eingesetzt. „Eine entsprechende Initiative der SPD, Bürgern auch im Stadtrat Rederecht zu Tagesordnungspunkten innerhalb der Einwohnerfragestunde einzuräumen, wurde in der Vergangenheit leider abgelehnt“, teilte der SPD-Ortsvereinsvorsitzende René Wölfer mit. Die Verwaltung, der Stadtratsvorstand und die einzelnen Räte sollten so viel Souveränität an den Tag legen, sämtlichem Interesse an Stadtratsangelegenheiten transparent und verständlich zu begegnen. „Die SPD spricht sich für eine entsprechende Öffnung im Rahmen der Einwohnerfragestunde aus. In den Ausschüssen ebenso“, sagte René Wölfer.

Die CDU sieht hingegen keinen Änderungsbedarf für die Fragestunde im Stadtrat. „Die Bürger können schon in den Ausschüssen ihre Fragen zu den Tagesordnungspunkten stellen“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Torsten Pillat. Dann könnte gegebenenfalls auch noch auf ihre Bedenken eingegangen werden. Im Stadtrat sei es hingegen schon zu spät. „Dann wird doch nur noch entschieden“, sagte Pillat.
Allerdings hätte die Erfahrung gezeigt, dass die Bürger kaum Interesse an den Ausschüssen zeigen. Und so lange das Fragerecht dort kaum genutzt werde, müsste auch die Geschäftsordnung für die Stadtratssitzungen nicht geändert werden. Sollte sich jedoch eine Mehrheit dafür finden, könne er sich auch vorstellen, dem zuzustimmen.

So strebt etwa die Partei Die Linke eine Änderung der Geschäftsordnung nach der Kommunalwahl an. „Wir werden vorschlagen, dass die Bürger zu allen Themen fragen dürfen“, sagte Fraktionsvorsitzende Sabine Dirlich. „Die Stadträte arbeiten schließlich für die Bürger und machen das nicht zu ihrem Privatvergnügen.“ Deswegen sollten sie auch immer wieder auf die Bürger hören.
Die Gefahr einer unangemessenen Beeinflussung sieht die Linken-Politikerin dabei nicht. Zwar gab es in der Vergangenheit schon Gelegenheiten, wo eine massive Präsenz der Bürger im Stadtrat beeindruckend war, etwa bei dem Thema Ranieser Kita. „Die Stadträte haben aber natürlich trotzdem so abgestimmt, wie sie es für richtig gehalten haben“, so Dirlich.
Die Erfahrung habe gezeigt, dass es nicht ausreicht, wenn die Bürger in den Ausschüssen fragen können. „Vielen erkennen die Brisanz von Themen erst vor der Stadtratssitzung, wenn die Zeitung über die Ausschüsse berichtet hat. Deswegen sollten auch noch im Stadtrat Fragen zulässig sein“, sagte Sabine Dirlich.

Die Fraktion FDP/Rettet die Altstadt hat das Thema zwar noch nicht abschließend diskutiert. Der liberale Stadtrat Holger Goldschmidt zeigte sich persönlich jedoch sehr aufgeschlossen. „Ich finde die von der Volksstimme angestoßene Diskussion sehr erfrischend“, sagte Goldschmidt. „Die Zeichen der Zeit stehen auf mehr Transparenz.“ Im Internet würden sich die Bürger sowieso nach Belieben zu allen Themen äußern. „Das sollte dann doch besser Auge in Auge und bei einer moderierten Sitzung als im anonymen Internet geschehen“, findet Holger Goldschmidt. „Die Stadträte sollten sich den Fragen der Bürger erhobenen Hauptes stellen. Und gerade in den Ortschaftsräten sollte man auf Augenhöhe miteinander reden können.“

Bereits im September 2017 hatte Thoralf Winkler von den Grünen eine Änderung der Hauptsatzung zu Gunsten der Bürger angeregt. „Es gehört einfach zum guten Ton dazu, dass die Menschen alles fragen können“, so der Grüne. Er könne zwar die Argumente der Gegenseite verstehen, spreche sich dennoch für ein uneingeschränktes Fragerecht aus.
Aus seinem damaligen Vorschlag war schließlich der Kompromiss erwachsen, dass die Bürger zumindest in den Fachausschüssen zu allen Themen fragen können. Allerdings hat ihn diese Erfahrungen auch skeptisch gemacht. „Ich weiß nicht, ob sich nach der Wahl eine Mehrheit im Stadtrat für eine neue Regelung finden wird“, sagte er.

Auch der fraktionslose Stadtrat Mark Kowolik hatte damals den Antrag der Grünen für ein erweitertes Fragerecht unterstützt. „Es ist einfach albern, dass die Bürger im Stadtrat nicht alles fragen dürfen“, sagte er. Aber die Mehrheit im Stadtrat hätte das in der Vergangenheit verhindert.
Mark Kowolik erinnert daran, dass den Bürgern seinerzeit beim Thema Felgeleber Spielplatz im Stadtrat bereits ausnahmsweise ein Rederecht eingeräumt worden war. „Damals habe ich sehr viel Gegenwind von der Bürgerinitiative bekommen. Aber das muss ich als Stadtrat doch aushalten“, sagt er. Inzwischen habe sich die Aufregung um den Spielplatz in Felgeleben auch schon längst wieder gelegt.

Schönebecks Oberbürgermeister Bert Knoblauch (CDU) hält sich bezüglich einer möglichen Änderung der Geschäftsordnung zu Gunsten der Bürger eher diplomatisch zurück. „Der Stadtrat hat eine demokratische Entscheidung getroffen, die ich respektiere“, teilte das Stadtoberhaupt mit. Grundsätzlich hält Knoblauch aber auch die Sitzungen der Fachausschüsse für den richtigen Ort für Diskussionen und Fragen. „Die Meinungsbildung sollte bereits in den Fachausschüssen erfolgen, wo die Bürger alle Fragen stellen dürfen – im Stadtrat sollte sie aber bereits abgeschlossen sein, denn das ist die Zeit des Mandates“, sagte Schönebecks Oberbürgermeister Bert Knoblauch.
Zudem sei es im Stadtrat bereits aufwendig genug, die abschließenden Diskussionen der Stadträte zu verhandeln. „Im Übrigen sind unterschiedlichste Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung im Vorfeld gegeben“, sagte Knoblauch.
Eine Evaluierung des vor zwei Jahren eingeführten Fragerechtes in den Fachausschüssen sei bisher kaum möglich. „Es ist leider ein nur geringes Interesse, eine geringe Beteiligung der Bürger zu verzeichnen“, teilte Oberbürgermeister Bert Knoblauch mit.