Heimaträtsel Erinnerung an altes Krankenhaus
Das ehemalige Stadtkrankenhaus von Calbe ist als Heimaträtsel eine harte Nuss gewesen.
Calbe l „Hier habe ich meine ersten Falten bekommen“, lacht Rosemarie Schubert mit einem Foto in der Hand, das sie als junge Frau mit einem faltenfreien Gesicht zeigt. „Es geht um meine Haube“, klärt die 81-Jährige auf. Anfang der 1950er bekam sie als fertig ausbildete Krankenschwester ihre ersehnte Sieben-Falten-Haube, die sie mit Stolz trug. 1954 fing sie im Haus an der Salzer Straße an. „Ich wohnte anfangs dort in einer kleinen Wohnung unter dem Dach und hatte einen sehr kurzen Arbeitsweg die Treppe runter“, erinnert sich die Rentnerin, die sekundenschnell den Standort der Inneren Klinik erkannte. Zu dieser Zeit herrschte akute Wohnungsnot, als das erste Kind kam, konnte sie mit ihrem Mann um die Ecke - in die heutige Nicolaistraße – ziehen. Schließlich wurde 1959 in der aus dem Boden gestampften Neuen Wohnstadt eine Wohnung frei. Als Erstbezug wohnt das Ehepaar noch heute in der Lessingstraße. Die damaligen Arbeitsbedingungen seien aus heutiger Sicht alles andere als optimal gewesen, sagt Rosemarie Schubert, schließlich handelte es sich um ein umgebautes Verwaltungsgebäude. Zwischen 1967 und 1982 arbeitete sie als Stationsschwester bei den Frauen an der Salzer Straße ,bevor sie als Oberschwester bis 1995 ins Haupthaus An der Hospitalstraße wechselte. „Die Frauenstation im ersten Stock zählte 34, die Männerstation im zweiten Stock 38 Betten“, erinnert sich Rosemarie Schubert. Erst in den 1970er Jahren sei ein Fahrstuhl angebaut worden. „Es war trotz aller Erschwernisse am Standort eine wunderschöne Zeit mit dem gesamten Kollektiv“, sagt sie.
Aus der Sicht eines Patienten kennt auch Hartmut Schöne aus Groß Rosenburg das alte Krankenhaus sehr gut, sein Elternhaus befand sich gleich um die Ecke an der Magdeburger Straße. Im Mai 1952 wurde er als 20-Jähriger mit seinem 19-jährigen Bruder Walter noch mit Diphtherie auf die Isolierstation mit verschlossenen Türen eingeliefert. „Mehrere Tage hatten wir Luft- und starke Schluckbeschwerden“, erinnert sich der Rentner. „Wir wurden alle drei Stunden, Tag und Nacht, mit einem Serum gespritzt.“ Als sich ihr Zustand langsam besserte, hörten sie eines Morgens die Feuerwehr und das Aufrollen von Schläuchen. „Unsere Mutter kam, vor lauter Aufregung mit zweifarbigen Schuhen, um die Ecke gerannt und sagte, dass die Küchenbaracke am anderen Ende brannte.“ Die Brüder jedoch lagen uninformiert und quasi eingesperrt in einem Eckzimmer mit Blick zur alten Darre, die Hartmut Schöne im hinteren Teil des Rätselfotos ebenfalls wieder erkannte.
„Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurden wir in dieses Haus evakuiert, es hatte einen Luftschutzkeller“, weiß Gertraudt Adami aus Calbe. Sie vermutet, dass das Foto während dieser Zeit aufgenommen sein musste.
Nach dem Auszug der Inneren Klinik war das Schicksal des Gebäudes besiegelt. 2005 brannte es aus, wie Gerhard Kühn aus Calbe schreibt. Hinter vorgehaltener Hand sprach man von einem „warmen Abriss.“ Danach setzte der Verfall ein. Die Stadt veranlasste unter Bürgermeister Dieter Tischmeyer die zum Schandfleck gewordene Ruine schließlich abreißen zu lassen. Seitdem wachsen dort junge Bäume wild in den Himmel.
Die richtige Lösung wussten auch Horst Kober, Karl Ittner, Heinz Sprengel, Dirk Krausholz, Dieter Tasche, Christel Hellige, Yvonne Kunze, Udo Stoye-Schindler, Mirko Kaube und Erika Jahn, Paula Gecker und Birgit Godon aus Calbe. Auch Viola Buchholz aus Schönebeck kannte als gebürtige Calbenserin die richtige Antwort. Und Gisela Schwartzer wohnt seit rund einem halben Jahrhundert in Schönebeck, ihre Wurzeln hat sie in Calbe, wo ihre Eltern im Bereich Hänsgenhoch Acker bewirtschafteten. „Das war für mich ein bekannter Anblick.“
Schon seit 1390 gab es in Calbe
mildtätige Stiftungen, die Alten und Kranken halfen.
Im August 1951 wurde das bis dahin als
Finanzamt des ehemaligen Kreises Calbe (1816 bis 1950) genutzte Gebäude zur Inneren Klinik mit insgesamt 70 Betten ausgebaut.
Ende 1951
wurden die „Vereinigten Stiftungen" von Calbe aufgelöst und das Krankenhaus am Standort an der Hospitalstraße und an der Salzer Straße im Gesundheitswesen der DDR überführt.
Zeitweise befanden sich
neben Wohnungen von Ärzten und Mitarbeitern auch die Funktionsdiagnostik der Inneren Klinik im Gebäude.
1994
wurde die Innere Klinik an der Salzer Straße abgegeben und es entstand an der Hospitalstraße eine moderne innere Abteilung mit 33 Betten.
Nach dem Auszug und einem Brand entwickelte sich das einst repräsentative Gebäude zu einem
Schandfleck der Stadt, der abgerissen wurde.