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Geschichte Erinnerung an Fleischerei-Zeit

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam den Lebensmittelversorgern eine wichtige Aufgabe zu. Günter Stock erinnert sich an diese Zeit in Barby.

Von Thomas Linßner 16.12.2016, 15:08

Barby l Solche Lebensdaten vergisst man nicht: „Vom 1. Mai 1948 bis 1. April 1951 habe ich bei Fleischermeister Willi Albrecht in Barby Fleischer gelernt“, sagt Günter Stock aus Schönebeck. Betrug später die Lehrzeit eines DDR-Auszubildenden in der Regel zwei Jahre, waren es damals noch drei.

Der 1933 in Barby geborene Günter Stock zog 1939 mit seinen Eltern nach Schönebeck. Zur Lehre kam er dann aber wieder in die Elbestadt zurück und bewohnte ein kleines Zimmer über der Kneipe von Albrecht an der Bahnhofstraße.

Warum er Fleischer lernte? „Das war so vorbestimmt: Mein Onkel war Fleischer, mein Opa war es auch.“ Was in der Hungerzeit nach dem Krieg nicht die schlechteste Entscheidung war. Schließlich arbeitete man an der „Basis“. „Damals gab es sieben Rind- und Schweineschlachtereien in Barby“, erzählt der 83-Jährige. Er kennt noch alle ihre Namen: Wilhelm Albrecht, Herrmann Helbig, Wilhelm Eckard, Erich Fritzlar, Franz Paulenz und Fleischer Paul Kirchhof, der im Krieg gefallen war. „Für den rückte Fleischer Ludwig nach, der von Berlin nach Barby kam.“ Es sei vorgeschrieben gewesen, dass immer ein Meister dem Betrieb vorstehen musste. Deshalb habe auch Witwe Kirchhof nicht weiter arbeiten dürfen, wenn sie nicht einen Meister in der Firma hatte.

Günter Stock erinnert sich auch an die Fleischerei von Erna Leopold an der Breite. Sie habe einen Hausschlächter beschäftigt, der ihr die Wurst zubereitete. „Weil sie eine Frau war, versuchten die Viehhändler sie übers Ohr zu hauen“, sagt er. Für Frau Leopold sei oftmals nur noch die Hesse übrig geblieben, wie Teile des Unterschenkels vom Rind und Kalb bezeichnet werden. Das Fleisch der Hesse ist lang faserig und stark von Bindegewebe durchzogen – daher muss es lange geschmort oder gekocht werden, um genießbar zu sein. „Für Willi Albrecht ist das kein Problem gewesen. Der hat die Hesse so lange gekocht, bis er sie in seiner Gastwirtschaft als Brühe servieren konnte“, lächelt Günter Stock. Deswegen sei die althergebrachte Kombination Fleischer und Gastwirt besonders in der Zeit nach dem Krieg effektiv gewesen.

Weiterhin gab es den Rossschlächter Gustav Sieber, der aber einen Extra-Status hatte. „Die Rossschlächter gehörten nicht zu unserer Zunft“, weiß der 83-Jährige. Es habe früher eine regelrechte Untersagung gegeben: „Wenn ein Fleischergeselle bei einem Rossschlächter gearbeitet hat, wurde er nicht wieder in der Zunft der Rind- und Schweineschlächter aufgenommen oder eingestellt.“ Nach dem Krieg sei diese Regelung dann aber hinfällig gewesen. „Ich sehe es aber noch genau vor dem geistigen Auge, wie bei Gustav Sieber das Blut unter dem Torweg in die Straßengosse lief“, erzählt Stock. Sieber hatte sein Schlachthaus in der Brandgasse 18. Ein Umstand, an dem man sich damals kaum gestört hätte.

Günter Stock arbeitete später in mehreren thüringer Fleischereien, wo er auch das Rezept der „echten Bratwürste“ kennen lernte. Nach Jahren kehrte er wieder nach Schönebeck zurück, wo er in der „PGH Ost“ Magdeburg tätig war.

Heute ist nur noch ein Fleischer aus dem Reigen der Barbyer übrig: Es ist Fleischermeister Wilhelm „Helmi“ Eckard an der Schloßstraße. Er ist seit Mitte der 1950er Jahre der Chef, nachdem sein Vater gleichen Vornamens früh verstarb.