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Stadtgeschichte Fand der Reichstag in Salze statt?

Bad Salzelmen entstand aus Orten wie Groß Salze, Elmen und Schadeleben. Gemeinsam hatten sie eines: das hervorragende Salz.

Von Ulrich Meinhard 16.09.2016, 01:01

Schönebeck l Die Geschichte von Bad Salzelmen könnte großartig beginnen. Nämlich so: Im Jahr 803 hielt kein Geringerer als Karl der Große seinen ersten Reichstag hier ab und schloss Frieden mit dem besiegten Stamm der Sachsen. Noch einmal und ganz langsam zum Genießen: Karl der Große hielt seinen ersten Reichstag in Salzelmen ab.

Woher diese Info kommt, ist unklar. Aber – leider – ist an der Geschichte höchstwahrscheinlich nichts dran, auch wenn sie von dem Schönebecker Chronisten Edgar Eugen Köhler in einer Niederschrift aus den 1920er Jahren erwähnt wird. Der Schreiber selbst räumt ein, dass Verbürgtes nicht vorhanden sei. So ist auch seine Annahme nicht gesichert, dass das heutige Bad Salzelmen der älteste Stadtteil von Schönebeck sei. Dieses Privileg nimmt – urkundlich untermauert – der Schönebecker Stadtteil Frohse für sich in Anspruch.

Hingegen darf als verbürgt gelten, dass die salzhaltigen Quellen im Schönebecker Stadtgebiet von den Menschen schon seit Urzeiten genutzt worden sind, wohl schon zur Steinzeit beziehungsweise der sich anschließenden Bronzezeit. Nur dokumentiert hat das damals niemand. Die älteste bekannte Urkunde verweist im Jahr 1015 auf die Salzgewinnung. Das weiße Gold hat Salzelmen nicht nur den Namen gegeben, sondern wirtschaftlich aufblühen lassen - allerdings knapp 200 Jahre nach Karl dem Großen.

Die Zusammensetzung des Namens Salz-Elmen rührt einmal logischer Weise vom Salz her und dann von den Ulmen, die hier offenbar an einem Bach, einer Beke, reichlich standen (Schönebeck leitet sich wahrscheinlich von Scone und Beke ab: am schönen Bach). Von den Ulmen ist wie auch vom übrigen Wald, wie er vor über 1000 Jahren üppig wuchs, nichts übriggeblieben. Ein kaum zu lösendes Rätsel ist und bleibt die Frage danach, welcher Ortsname zuerst da war.

In den historischen Quellen tauchen die Namen Alt Salze, Groß Salze, Elmen und schließlich Salzelmen auf, aber auch der Name Schadeleben. Der erwähnte Chronist schreibt: „Um 900 herum nennen Urkunden Elmen.“ Ein anderer Chronist, er heißt Wilhelm Müller, schiebt den Reichstag mit Karl dem Großen ohne lange zu zögern ins Reich der Sage ab, bestätigt aber die um 900 auftauchenden Urkunden über den Ort Elmen. Groß Salze aber sei seiner Ansicht nach „verhältnismäßig spät entstanden“. Schönebeck wiederum, die Stadt also, in die vor knapp 90 Jahren sowohl Frohse als auch Groß Salze eingemeindet wurden, wird erstmals 1223 urkundlich erwähnt. Ein junger Hüpfer im Trio der drei einst selbstständigen Gemeinwesen.

Aus Dokumenten, datiert mit dem Jahr 1210, geht hervor, dass die ersten Solbrunnen bei dem Dorfe Schadeleben gegraben wurden. Hier muss eingefügt werden, dass sich die Elbe um das Jahr 1000 ein neues Bett suchte, näher an das heutige Schönebeck heranrückte und dabei die Salzbrunnen von Elmen verwässerte. Der Ertrag war fortan nicht mehr lohnenswert. Die Altvorderen suchten nach neuen Brunnen. Und fanden sie in Schadeleben. So ist dann unterschieden worden zwischen „olde Solt“ (Alt Salze) in Elmen und „grote Solt“ für die neue Siedlung Schadeleben.

Das Dorf, aus heutiger Sicht ein Dörfchen nur, muss dort gestanden haben, wo sich heute die Reste der Burg Schadeleben befinden, die wiederum Bestandteil des Alten- und Pflegeheimes Burghof sind, eine Einrichtung der Diakonie. Somit dürfte auch aus Schadeleben das heutige Bad Salzelmen hervorgegangen sein. In einem alten Kirchenbuch ist übrigens der Eintrag vermerkt: „Alten Saltze sonst Elmen geheißen“.

Im gesamten Bereich des heutigen Stadtgebietes Schönebeck existierten aber weitere Dörfer, wie Gretelitz, Postelitz, Ikendorf (am Abhang des Bierer Berges gelegen), Görtz oder Volkwitz. Letzteres befand sich zwischen Salzelmen und Felgeleben. Genannt werden auch die Dörfer Borne und Hohendorf, die beide am oder auch auf dem Hummelberg lagen.

Zurück zum Salz. Die Salzgewinnung in Schadeleben machte die damit betrauten Menschen wohlhabend. Die Nachfrage war höher als die Produktion. Eine kleine Industrie entstand. Wer es sich in den Dörfern leisten konnte, beteiligte sich am Salzgeschäft, erwarb Anteile – und mehrte seine Rendite deutlich. Die Dörfler mit „Salz-Aktien“ zogen in das Städtchen, wie immer es auch gerade hieß. Auf Niederdeutsch taucht der Begriff „dat grothe Solthe“ auf, was so viel heißen dürfte wie großes Salzwerk.

Die Siedlung nahm gegen 1290 den Charakter einer Stadt an, heißt es in den Quellen. Das bedeutete Stadtrecht, also Handel (Marktrecht, Zölle) und Gerichtsbarkeit. Das Städtchen lag zudem an der großen Heerstraße von Hamburg über Magdeburg bis Leipzig und Nürnberg. Ein Segen in Friedenszeiten – eine Tragödie freilich in Kriegszeiten. Denn wie der Name schon sagt, zogen hier auch die Heere durch das Land und die waren zumeist feindlich gesinnt. Sehr oft haben die Menschen in den drei Städten Frohse, Schönebeck und Salze unter kriegerischen Handlungen gelitten.

Verbürgt sind sieben Brunnen, aus denen salzhaltiges Wasser, die Sole, gewonnen werden konnte. Überliefert sind die Namen der sieben Solbrunnen: Bethmann, Goddesgave, Gudjar, Güldenhorn, Nyeborn, Rammelsberg und Rumelandt. War das Salz gesiedet, kam es in Schönebeck und Frohse (Sconebek und Frouse) auf den Elbkahn. Der Chronist Wilhelm Müller berichtet, dass vor allem Sachsen und Böhmen mit dem Salz versorgt worden sind. Und selbstverständlich wollten auch die Landesherren vom einträglichen Geschäft profitieren. Der Magdeburger Erzbischof Burchard III. ließ 1307 die Burg Schadeleben errichten, die schon sieben Jahre später fix und fertig dastand. Ihr Zweck: Zins und Steuern eintreiben und Wegegelder für Geleitsicherung.

Die Burg soll oftmals ein Ort für wichtige Verhandlungen gewesen sein. Festgehalten ist: „Der Vogt und sein Gesinde nahmen den Bürgern von Magdeburg oft eigenmächtig Pferde, Wagen und Gut zu Haufen hinweg.“ Das fanden die Magdeburger ganz und gar inakzeptabel, es kam zu Gewalttätigkeiten. Mit der Stadt Magdeburg hat der Erzbischof wiederholt Vergleiche „uff dem huse tho den Sollte tho Elmen“ des Friedens wegen geschlossen.

Das Salzelmener Salz war das qualitativ beste seiner Zeit. Die Erzeugnisse, die aus den Konkurrenzorten Sülldorf, Halle, Staßfurt oder Lüneburg kamen, besaßen einen recht hohen Gehalt an Schwefelverbindungen, so dass diese Salze schnell feucht wurden und sich auflösten bei längeren Transportwegen.

Im Gegensatz zu späteren Zeiten waren die ersten Betreiber und Besitzer der Salzbrunnen nicht adelig. Schon früh gründete sich eine Genossenschaft der Solgutbesitzer. Später entstand die Pfännerschaft. Ursprünglich wollte sich diese Berufsvereinigung selbst schützen. Doch da das Salzgeschäft so gut lief und Gier schon immer zu den Todsünden der Menschheit gehörte, trieben die Pfänner den Salzpreis nach Belieben in die Höhe. Und war genug Geld vorhanden – dann war das auch mit der Adelung ein Kinderspiel. Die Pfänner bestimmten die Geschicke der Stadt und stellten auch die Ratsherren, die „Radmannen“.

Ab 1400 waren die Salzsieder, die selbst natürlich kein Salz siedeten, sondern diese Arbeit von Angestellten erledigen ließen, nur noch adelig. Der Schriftsteller Gustav Freytag schreibt in seinen „Bildern aus der deutschen Vergangenheit“: „In jener zeit konnte jeder Salzjunker für geringes Geld adelig werden.“ Mag sein, dass er sich damit konkret auf Groß Salze bezieht.

Um diese Zeit waren fünf der sieben Salzbrunnen wegen Unrentabilität bereits aufgegeben worden. Die Brunnen Neue Born und Gutjahr wurden in größere Tiefen getrieben, was gehaltvollere Sole ans Tageslicht brachte. An dieser Stelle sei noch einmal ausführlich aus einer Chronik zitiert: „Die Sole wurde durch Pferde gehoben. Große und kleine Kunst waren durch ein Röhrensystem verbunden, das die Sole in einen gemeinschaftlichen Trog leitete. Von hier aus führten Holzrohre die Sole in die einzelnen Kote (Siedehäuschen), deren es ursprünglich 57 gab.

Das gewonnene Salz wurde in besonders gearbeitete Körbe getan. Ein Korb Salz galt ein Stück, drei Stücke ein Werk. Geschafft wurden jährlich 147 168 Stücke à 80 Pfund gleich 118 000 Zentner. 40 Stücke Salz bildeten eine Last. Die Kotmeister erhielten für jede Last drei Taler. Die Salzlader nahmen die vollen Körbe in Empfang, wofür sie je Stück Salz zwei Pfennig erhielten. Eine peinliche Siedeordnung war den Kotmeistern vorgegeben, die sie mit besonderem Eid beschwören mussten. Das Wappen von Groß Salze zeigt den vollgefüllten Salzkorb“ (siehe Abbildung links).

Die große Zeit der alten Salzsieder war zwischen 1300 und 1600. Irgendwie begann das Elend mit der Reformation, die in Groß Salze 1541 eingeführt wurde. Die Burg Schadeleben ist damals mehrfach verpfändet worden. 1581 kauften die Grafen von Barby die Burg für 18 000 Taler. Um 1600 ging sie kurzzeitig an die Familie von Arnim. Die Quellen berichten von einem schlimmen Wetter, das viel Schaden verursachte. 1607 wüteten die Pest und die rote Ruhr unter den 1400 Einwohnern, 800 starben.

Und in eben dieses Jahr fällt auch der erste Hexenprozess gegen die Witwe Katharina Heitmann. Sie starb elendig auf dem Scheiterhaufen. Ihr folgten Ursula Voigt 1616, Anna Hartmann 1617, Anna Schlemmer 1618, Traute Zipper 1619. Und dann folgt Frau auf Frau … 1618 begann ein Krieg, der 30 Jahre dauern und unendliches Leid und Zerstörung im ganzen Land anrichten sollte. Groß Salze versank in einer Orgie des Grauens und der Greuel. Der Chronist schreibt: „Hungersnot, Kontribution, Verfall der Höfe und Betriebe und 1636 der allerschlimmste Kriegsgeselle, die Pest – ringsum Jammer und Verzweiflung.“

Die Blütezeit von Groß Salze war unwiderruflich vorüber. Daran änderte letztlich auch die Errichtung des 1766 hauptsächlich fertiggestellten längsten Gradierwerkes der Welt nichts mehr, mit dessen Hilfe der Grad der Sole erhöht werden konnte. 1779 versuchte die Pfännerschaft, die alten Handelsbeziehungen zu Sachsen zu erneuern. Doch die Sachsen hatten jetzt ihre eigene Quelle bei Dürrenberg. 1792 bot die Pfännerschaft, wie es heißt, „in bitterster Not“ dem König von Preußen die Salzwerke zum Kauf an. Das Angebot lag bei 252 000 Talern. Der preußische Staat zahlte schließlich 80 000. Allerdings erst ab 1802. „Die adlige Pfännerschaft zerstreute sich im Reiche in anderen Stellungen.

Der Pfänner, ein großes Handelsgeschlecht, war untergegangen, die Stadt selbst ihres Lebensnerves beraubt“, so steht es in der Chronik von Bad Groß Salze-Elmen. Und weiter: „Da war es nun das so lange unbeachtete Alt-Salze, das dem jüngeren Groß-Salze Hilfe brachte.“ Die Rede ist vom Knappschaftsarzt an der Schönebecker Saline Dr. Wilhelm Tolberg, der die Sole als Heilmittel entdeckte. 1803 begann der Bau eines ersten Badehauses. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entstanden weitere Park- und Kuranlagen, wie etwa das 1845 erbaute Erlenbad (1995 abgerissen). Tolberg starb am 17. September 1831. Der Chronist Edgar Eugen Köhler vermerkt: „Ihm hat die Stadt alles zu verdanken.“

Die Bahn richtete an der 1857 eröffneten Eisenbahnstrecke Schönebeck – Staßfurt 1872 einen Haltepunkt „Elmen“ ein. Am 18. April 1894 wurden die beiden Städte Groß Salze und Alt-Salze „in gemeinschaftlicher Sitzung beider Gemeindebehörden zu einem Kommunalwesen vereinigt“. Ein Gedenkstein in der Magdeburger Straße - unweit des Schwanenteiches- verweist auf dieses Ereignis.

Die Gewinnung des Salzes durch die Schönebecker Saline ist 1967 endgültig eingestellt worden. Zeitweilig ist die Sole dafür in einem Schacht unter Tage gefördert worden.

Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung durch das Salzlandmuseum und das Stadtarchiv Schönebeck