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Fossil Welsleber Wasserbüffel

Wo sich heute Fuchs und Hase gute Nacht sagen, grasten vor über 300 000 Jahren Wasserbüffel.

Von Tom Szyja 12.12.2020, 23:01

Welsleben/Schönebeck l Der europäische Wasserbüffel ist heutzutage ausgestorben, sein Artverwandter, der asiatische Wasserbüffel lebt in subtropischen Gebieten. In Deutschland gibt es heute nur noch domestizierte Wasserbüffel, sie werden zur Landschaftspflege und für Fleisch- und Milchgewinnung genutzt. Besonders beliebt ist die Büffelmilch, aus ihr wird Büffelmozzarella hergestellt. Vor vielen Jahren lebten die Tiere aber auch hierzulande in freier Wildbahn. Das geht aus einem Fund aus dem Jahre 1935 hervor. Im Welslebener Bach in einer Kiesgrube wurden mehrere eiszeitliche Relikte der Tiere gefunden.

Auf diesen spektakulären Fossilien-Fund wurde die Volksstimme durch ein Buch von Georg Brandes aufmerksam. Im Werk „Schönebecker Persönlichkeiten“ wird auch das Leben des Finders Wolfgang Wanckel porträtiert. Der gebürtige Schönebecker gilt als Mitbegründer des heutigen Salzlandmuseums. Brandes schreibt in seinem Buch, dass Wanckel den Büffelschädel in Welsleben entdeckte und die Art deshalb noch heute seinen Namen trägt. Das ist aber nicht (mehr) korrekt, wie Petra Koch vom Salzlandmuseum bestätigt.

Mittlerweile firmiert die Gattung unter dem lateinischen Namen Bubalus murrensis. Während Bubalus das lateinische Wort für Büffel ist, rührt die Bezeichnung murrensis daher, dass bereits 1927 ein Exemplar eines Wasserbüffelschädels im süddeutschen Steinheim entdeckt wurde. Dort fließt der Fluss Murr, und daher kam die Art zu ihrem Namen. Da der gefundene Schädel in Welsleben eine etwas andere Kopfform aufwies, glaubten Forscher zunächst, es handele sich um eine andere Art.

Als über die Jahre, vor allem im Rheintal, weitere Büffelfossile gefunden wurden, beschlossen Wissenschaftler, dass alle von der selben Art sind. Seit 1979 gehört daher auch der von Wolfgang Wanckel entdeckte Büffel-Schädel zur Gattung Bubalus murrensis.

Auf den ersten Blick scheint es ziemlich verblüffend, dass ausgerechnet in der Eiszeit Wasserbüffel lebten, die doch eigentlich wärmere Gefilde bevorzugen. „Wärmere und kältere Perioden haben sich abgewechselt“, weiß Dr. Michael Buchwitz, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Naturkundemuseums Magdeburg. Der von Wanckel gefundene Wasserbüffel lebte vor über 300 000 Jahren in der Holstein-Warmzeit. Eine Warmzeit nennen Geologen einen Zeitabschnitt während einer Eiszeit. Aktuell leben wir ebenfalls in einer solchen Warmzeit, dem Holozän.

Anhand des Fundes schließen die Forscher auf die klimatischen Bedingungen zu jener Zeit. „Es ist davon auszugehen, dass in der Holstein-Warmzeit ein gemäßigtes Klima in Mitteleuropa herrschte, etwas wärmer als heute. Die Wasserbüffel brauchen dauerhaft ein Gewässer zum Leben, eine längere Frostperiode sollte es in der Zeit also nicht gegeben haben“, so Buchwitz. Passend zu dieser These ist, dass an der selben Fundstelle ein Stoßzahn eines Wildelefanten gefunden wurden. Dieser hätte ebenfalls ein wärmeres Klima bevorzugt.

Lange Zeit konnten Besucher das eindrucksvolle Relikt einer längst vergangenen Epoche im Salzlandmuseum Schönebeck begutachten. Seit 2015 ist es in Magdeburg zu finden. „Vor einiger Zeit haben wir uns dazu entschieden, unseren Fokus mehr auf die Moderne zu richten, mit dem Schwerpunkt auf der Salzgeschichte. In dem Zuge haben wir den Wasserbüffelschädel als Dauerleihgabe an das Naturkundemuseum Magdeburg gegeben“, klärt Museumsleiterin Petra Koch auf. Wenn die Museen wieder öffnen dürfen, können Besucher den Schädel direkt am Eingang der Eiszeitausstellung des Naturkundemuseum betrachten.

Die Leiterin des Salzlandmuseums sei etwas verwundert gewesen, dass in dem Buch von Georg Brandes teils falsche Informationen stehen und auch Fotonachweise fehlen. „Herr Brandes hätte sich nur bei uns erkundigen müssen, dann hätten wir ihm einiges über Wolfgang Wanckel erzählen können“, so Koch.

Was richtig von Brandes herausgearbeitet wurde, dass Wolfgang Wanckel als der Gründervater des Museums bezeichnet werden kann. „Er hat die Leute dazu aufgerufen, auf ihren Dachböden nachzuschauen und historische Dokumente an uns zu spenden. So hat er den Grundstock für unser Museum gelegt.“ Zusammen mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft für Heimatkunde rief Wanckel 1924 das heutige Salzlandmuseum ins Leben.

Aus diesem Grund ist Wanckel auch heute noch an vielen Stellen des Museums zu sehen, ein Portrait des Schönebeckers hängt auch im Büro von Petra Koch. Neben den Spendenaufrufen an die Bevölkerung stand Wanckel aber auch im Austausch mit Wissenschaftlern und trug damit zum umfangreichen Wissen des Museums bei.

Petra Koch berichtet noch ein interessantes Detail zum Vorgehen Wanckels. „Die Arbeiter bestach Wanckel mit Tabak und Alkohol, so gruben viele Arbeiter extra fleißig in ihren Kiesgruben.“

1935 entdeckte eben jener Wanckel den Wasserbüffel in Welsleben. Ob er selbst an den Ausgrabungen beteiligt war oder ob andere für ihn diese Aufgaben übernahmen, ist nicht eindeutig belegt. Die Kiesgrube gibt es schon seit einigen Jahren nicht mehr, die Stelle befinde sich an der ehemaligen Bahnlinie Richtung Schönebeck.

Nach der Gründung der DDR hätte es Wanckel schwer gehabt, weil er für das SED-Regime das Feindbild des Bürgertums verkörperte. Nach der Enteignung seiner Firma wurde er auch aus der Firmenvilla vertrieben. Seinen Lebensabend verbrachte er dennoch in Schönebeck, in der Villa "Carlshall“, die seiner Frau gehörte. Dort verstarb er 1964.