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Gerichtsverfahren Barbyer gesteht im Missbrauchsprozess

Mit Zigaretten soll ein Mann aus Barby vier Jungen immer wieder in seine Wohnung gelockt und für sexuelle Spiele missbraucht haben.

Von Jan Iven 15.05.2019, 20:12

Barby/Magdeburg l Unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe eskalierte die Situation in Barby. Unbekannte überfielen den 58-jährigen Verdächtigen in seiner Wohnung und verprügelten ihn. Und zum Auftakt des Prozesses wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen am Landgericht Magdeburg am Mittwoch trug einer der Zuschauer seine Forderung nach einer drastischen Strafe für den Angeklagten offenbar sehr plastisch zur Schau: Auf der Rückseite seines Pullovers prangte deutlich sichtbar ein Galgenstrick. Mehrere Justizbeamte sicherten das Verfahren am Landgericht Magdeburg wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen.

Inzwischen sitzt der Angeklagte seit einem halben Jahr in Untersuchungshaft im Gefängnis und muss sich seit dieser Woche vor dem Landgericht Magdeburg verantworten. Dem Mann wird vorgeworfen, sich zwischen November 2017 und November 2018 rund 30 Mal an vier Jungen vergangen zu haben. Die Kinder, darunter ein Neffe des Angeklagten, waren zum Tatzeitpunkt zwischen elf und 13 Jahre alt. Der Angeklagte hatte die vier Jungen für die Taten offenbar über Monate hinweg mehrfach in der Woche mit Zigaretten zu sich in die Wohnung gelockt. Dort durften sie ungestört rauchen.

Wie der Mann am Landgericht Magdeburg gestand, brachte er die Jungen bei den Besuchen regelmäßig dazu, untereinander und an ihm sexuelle Handlungen vorzunehmen. Dies sei im Rahmen eines Gesellschaftsspieles geschehen, bei dem er den Jungen entsprechende Pflichtaufgaben gestellt habe. Als Belohnung hätten die Jungen immer wieder Zigaretten von ihm erhalten.

Dabei habe er auch ausgenutzt, dass mindestens einer der Jungen stark nikotinabhängig sei, wie der Mann auf Nachfrage der Richterin am Landgericht Magdeburg einräumte. Demnach soll der Junge täglich mehr als eine Schachtel Zigaretten geraucht haben. Direkten Zwang will der Angeklagte dabei nach eigenen Angaben jedoch nicht ausgeübt haben.

Dem widersprachen allerdings die Aussagen einer Zeugin, der sich die Jungen schließlich anvertraut hatten. Laut der Sozialarbeiterin eines Jugendclubs in Barby hatten die Jungen ihr berichtet, dass der Angeklagte sie erpresst habe. Demnach soll er gedroht haben, sie in seiner Wohnung einzusperren und sie in ein Heim stecken zu lassen, wenn sie den sexuellen Missbrauch nicht erduldeten. Gedroht habe er auch für den Fall, dass die Jungen die Straftaten ihren Eltern meldeten.

Dem Angeklagten sei nach eigenen Angaben zudem bewusst gewesen, dass sich die Jungen dem sexuellen Missbrauch teilweise widersetzt hatten. Gedanken über mögliche seelische oder körperliche Folgen für die Jungen habe er sich während der ganzen Zeit nicht gemacht. Auch strafrechtliche Konsequenzen habe er nicht befürchtet. Nach eigenen Angaben habe er erst während der Besuche der Jungen festgestellt, dass er sich von Kindern sexuell angezogen fühlt. Gefilmt oder fotografiert habe er die Taten nicht. Er besitze weder eine Kamera noch einen Computer und würde seine Briefe auch noch auf einer Schreibmaschine schreiben.

Dass die vier Jungen den Angeklagten regelmäßig in seiner Wohnung besuchten, war den Eltern dabei sogar schon seit längerem bekannt. So hatten die Kinder den Sozialarbeitern im Jugendclub erzählt, dass sie bei dem Mann in der Wohnung rauchen würden. Die Mitarbeiter informierten daraufhin die Eltern darüber. Doch die schöpften offenbar keinen Verdacht, da es sich bei dem Anklagten um einen Verwandten handelte.

Aufgeflogen war der sexuelle Missbrauch schließlich eher zufällig. So hatte einer der Jungen im Jugendclub gemeldet, dass die anderen immer wieder Zigaretten und Kondome in Einkaufsmärkten stehlen würden. Die Mitarbeiter wurden misstrauisch und forschten genauer nach, bis sich die Kinder ihnen schließlich anvertrauten. Die Mitarbeiter des Jugendclubs verständigten daraufhin die Familien und die Polizei. Die Angehörigen sollen nach Aussagen einer Sozialarbeiterin entsetzt gewesen sein. Zwei der Familien lassen sich im Verfahren gegen den Angeklagten als Nebenkläger von Anwälten vertreten.

Nach dem Überfall in seiner Wohnung hatte der Angeklagte zunächst Anzeige bei der Polizei gegen Unbekannt gestellt. Diese Anzeige hat er inzwischen nach eigenen Angaben wieder zurückgezogen.

Der Prozess wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen wird in dieser Woche fortgesetzt. Dann sollen weitere Zeugen gehört werden. Ein Urteil wird ebenfalls noch in diesen Tagen erwartet.