Zweiter Teil der Volksstimme-Serie "Geschichten zwischen Elbe und Fläming" / Heute: Das Wasserstraßenkreuz an Elbe und Mittellandkanal Hohenwarthes Trogbrücke, das strahlende Juwel
Warum so weit reisen? Das Schöne liegt so nah: Die Region zwischen Elbe und Fläming ist reich an Sehenswürdigkeiten. Schlösser, Burgen, technische Denkmale und Tierparks laden Groß und Klein zu Besuchen und zum Verweilen ein. Diese Ausflugsziele für die ganze Familie will die Volksstimme in den kommenden Wochen vorstellen. Für unsere Leser gibt es während der Ferienzeit auch etwas zu gewinnen. Im zweiten Teil stellen wir Ihnen die Trogbrücke über die Elbe vor. Dieses Herzstück des Wasserstraßenkreuzes Magdeburg führt in einer riesigen Badewanne den Mittellandkanal über die Elbe.
Hohenwarthe. Grandios und beeindruckend spannt sich das Brückenbauwerk im rechten Winkel über die Elbe. Nachts ist von der Bundesautobahn Hannover-Berlin eine lange Lichterkette auszumachen. Es scheint, als würde ein beleuchteter Zug auf den Gleisen stehen. Dann rückt eine bläuliche Illumination ins Blickfeld. Die Türme der Brücke - die rund 30 Meter hohen Pylone - werfen das farbige Licht in die Dunkelheit. Unterhalb der Brücke sind die Stützen gelb erleuchtet. Die Trogbrücke vermittelt den Eindruck eines perfekten Bühnenbildes.
Den meisten Besuchern dieser architektonischen und ingenieurtechnischen Glanzleistung allerdings bleibt der nächtliche Anblick verwehrt. Radler aus Nah und Fern - auf dem Elberadweg gen Norden oder Süden unterwegs - wählen die Trogbrücke als Etappenziel oder willkommene Rast.
Informationstafeln auf dem Damm des Mittellandkanals geben Auskunft über Sinn und Zweck der Trogbrücke als Kernstück des Wasserstraßenkreuzes.
Das Wasserstraßenkreuz und die Trogbrücke sind die Voraussetzung für einen ökonomisch und ökologisch sinnvollen Gütertransport zwischen Hannover und Berlin. Magdeburg spielt dabei mit seinem leistungsfähigen Binnenhafen eine wichtige Rolle.
Schon in den 1930er Jahren ist mit dem Bau der Kanalbrücke begonnen worden. Kriegsbedingt fanden die Arbeiten im Jahre 1942 ein jähes Ende. Erste Brückenteile und Widerlager in der Elbe standen bis zu ihrer Sprengung in den 1990er Jahren. Mehr als zehn Tonnen Sprengstoff waren notwendig, um 53000 Kubikmeter Stahlbeton abzureißen. Demontiert wurde auch eine gewaltige Staumauer etwa drei Kilometer in östlicher Richtung landeinwärts. Dort, wo heute die hochmoderne Doppelsparschleuse - auch ein Bestandteil des Wasserstraßenkreuzes steht - sollte laut der ersten Planungen ebenfalls eine Schleuse entstehen. In den tiefen Betonschächten, die die Spindeln des Schleusentroges aufzunehmen hatten, haben einst Kinder und Jugendliche aus Hohenwarthe und Niegripp gebadet. Die gefährlichen Löcher waren im Laufe der Jahre mit Wasser vollgelaufen.
50 Jahre sollten vergehen, bis im Zuge der deutschen Einheit und der Öffnung der osteuropäischen Märkte die West-Ost-Verbindung wieder in das Bewusstsein rückte. 1992 wurde die Entscheidung gefällt, die Kanalbrücke für den einbahnigen Verkehr zu bauen.
Im ebenfalls bereits ausgehobenen Kanalbett, wo dichtes Gebüsch und Kiefern wucherten, Jugendliche ihre Zelte aufschlugen und Sandbänke zum Toben einluden, rückten nun Baufahrzeuge an.
Wichtig für den Schiffsverkehr war die Tatsache, dass mit der Verlängerung des Mittellandkanals bis zum Elbe-Havel-Kanal eine durchgängige Wasserstraße entstand. Zuvor hatten Güterschiffe, die in Richtung Berlin unterwegs waren, in Rothensee in den Abstiegskanal einzufahren, sich die Elbe stromabwärts bis zur Niegripper Schleuse zu quälen, um dort in den Elbe-Havel-Kanal zu gelangen. Nicht nur der Umweg und die verlorene Zeit machte den Schiffern zu schaffen. Sie scheiterten oft auch am niedrigen Wasserstand der Elbe, mussten Teile ihrer Ladung löschen, um überhaupt weiter zu kommen.
Im Trog über die Elbe lag die Lösung des Problems. Das Bauwerk hat nicht nur einen unschätzbaren ökonomischen Nutzen, es ist auch ein gutes Stück ingenieurtechnischer Meisterleistung und architektonische Raffinesse. Und: Die Kanalbrücke avancierte in wenigen Jahren zu einer touristischen Attraktion.
Zu verdanken haben dieses außergewöhnliche und erdbebensichere Bauwerk sowohl Nutzer als auch Bestauner dem Architektenteam um Prof. Bernhard Winking aus Hamburg. Im Jahre 2004 heimsten sie für ihre Ideen und ihre Kreativität den Ingenieurbaupreis Ernst und Sohn, den Renault traffic Award und den Architekturpreis Sachen-Anhalt ein.
Der Brückengestaltung lag die Idee zugrunde, mit den Spannten der fast 700 Meter langen Vorlandbrücke ein Schiff zu symbolisieren, um den Bezug zu den Nutzern, den Schiffsführern, herzustellen. Zudem sollte das gesamte Bauwerk für die breite Öffentlichkeit erlebbar werden. Deshalb verlaufen auf beiden Seiten der Trogbrücke Fußwege. Radfahrer und Fußgänger sind zu jeder Jahreszeit dort zahlreich auszumachen.
Apropos Radfahrer: Der Elberadweg von der tschechischen Elbquelle bis nach Cuxhaven führt die Mehrzahl der Radfahrer unweigerlich zur Trogbrücke. Nach wie vor gilt dieser Radweg als der beliebteste und meist befahrene in Deutschland.
Der fein herausgeputzte Ort Hohenwarthe hat sich auf die Touristen eingestellt. In unmittelbarer Nähe des Troges laden das Hotel an der Trogbrücke, das Mörtelstübchen und die Waldschänke zum Verweilen ein, locken mit guter Küche und erfrischenden Getränken.
Selbstverständlich stehen auch Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Waldschänke gilt als radfahrerfreundliche Unterkunft ebenso wie das Touristencamp "Unser Paradies". Die Anlage bietet den direkten Blick auf die Auenlandschaft der Elbe und ist in der offiziellen Unterkunftsliste am St. Jakobus Pilgerweg auf dem Territorium des Landes Sachsen-Anhalt verzeichnet.
Denn: Der Jakobus-Pilgerweg - sein Symbol ist die strahlende, gelbe Muschel - führt auch über die Kanalbrücke. Diesen Weg kam auch David Stuart, ein Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft, gelaufen. Er hatte sich auf Pilgertour gemacht, um die mitteldeutsche Region besser kennenzulernen. In Tangermünde setzte er den Fuß auf den weltbekannten Jakobsweg, der auch durch unsere Region verläuft. Aus dem Brandenburgischen kommend führt er über Stendal, Wolmirstedt, Magdeburg, Schönebeck, Halberstadt nach Naumburg, um auf der Via Regia über Erfurt Richtung Santiago de Compostela in Spanien fortzuführen.
Den Pilger grüßt in Hohenwarthe auch die schmucke Bruchsteinkirche, die Prämonstratenser im Jahre 1250 gründeten. Der dreiflügelige Altar aus dem 15. Jahrhundert zeigt auch den Heiligen Jakobus, dem zu Ehren die Wallfahrer unterwegs sind. Übrigens ist die kleine Kirche - auch Mireille Mathieu war während eines privaten Besuches ganz begeistert von ihr - in das Projekt Offene Kirchen integriert. Falls die Kirchentür einmal nicht offen steht, ist die Telefonnummer eines Schlüsselbringers hinterlegt.
Wanderer oder Radler, die freitags, sonnabends, sonntags und feiertags zwischen 14 und 17 Uhr die Trogbrücke passieren, sollten nicht versäumen, die im südlichen Brückenpfeiler (am Ostufer der Elbe) eingerichtete Aussichtsplattform zu erklimmen. Von dort eröffnet sich ein phantastischer Rundblick. Auf dem Wasser von Elbe und Mittellandkanal sind Lastkähne, Sportboote und Schiffe der Weißen Flotte unterwegs. Auf dem Elberadweg blitzen die Felgen der Stahlrösser.
Wer weitere Informationen über Hohenwarthe, das Wasserstraßenkreuz, Übernachtungen und kulturelle Angebote benötigt, kann sie sich im Hohenwarther Informationspunkt in der Hauptstraße mittwochs bis sonntags von 11 bis 16 Uhr holen. Jährlich bitten dort rund 1700 Gäste um Rat.
Hohenwarthe ist über die A2, per Bus (Linie 704 Burg-Magdeburg) und mit der Weißen Flotte zu erreichen.