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Auf den Tag genau nach 60 Jahren: Einstige Erstklässler der heutigen Ludwig-Schneider-Schule treffen sich wieder "Ich war öfter beim Direktor als im Unterricht"

Von Ulrich Meinhard 03.09.2012, 05:26

Am 1. September 1952 fanden sich auf dem Schulhof der heutigen Ludwig-Schneider-Grundschule zwölf Mädchen und 18 Jungen ein: etwas schüchtern, aber erwartungsvoll. Sie waren die neue 1. Klasse. Nach 60 Jahren trafen sich die Abc-Schützen von einst am Sonnabend wieder.

BadSalzelmen l "Sind schon alle da?" Marlis Hennig schaut gespannt in die Runde. Immerhin 23 ihrer einstigen Klassenkameraden haben sich zum großen Treffen auf dem Schulhof der heutigen Grundschule "Ludwig Schneider" eingefunden. Die heute 67- bis 68-Jährigen machen genau das, was sie auf den Tag genau vor 60 Jahren auch getan haben: Sie bevölkern den Schulhof und betreten das große, dunkle Backsteingebäude, in dem damals fortan der Ernst des Lebens stattfinden sollte.

"Heute vor 60 Jahren waren wir alle noch kleiner", scherzt Marlis Hennig. Sie hat das Jubiläums-Treffen vorbereitet und verliest zur Einstimmung ein selbstverfasstes Gedicht. Von eben diesem sprichwörtlichen Ernst des Lebens ist da die Rede. Von den Eltern sei man auf den Schulweg geschickt worden mit dem Hinweis, dass der Spaß nun vorbei sei. "Aber eigentlich hatten wir doch sehr viel Spaß. Deshalb habe ich mich oft gefragt, wann denn nun der Ernst des Lebens beginnt", erinnert sich Marlis Hennig und lächelt fröhlich. Der Abschluss ihres Gedichtes und damit auch das Fazit ihrer Lebens-Einschätzung findet bei den einstigen Klassenkameraden Beifall und Zustimmung: Quasi mit der Geburt entscheide sich ein Mensch für den Ernst des Lebens. Doch müsse das Leben, wenn man sich ihm verschwört und hingibt, keineswegs so schrecklich ernst sein.

Die Schönebeckerin hat kleine Schultüten vorbereitet. Die Männer bekommen Tütchen mit blauer Schleife, die Damen mit rosa Schleife.

"Unsere Klassenlehrerin war Lieselotte Koziol. Sie hieß nach ihrer Heirat mit Nachnamen Schneider", erzählt Marlis Hennig gegenüber der Volksstimme. Eine richtig gute Lehrerin sei das gewesen, betont sie.

Der Direktor erkannte am Klopfen, wer vor der Türe stand

Wer war denn der größte Rabauke damals? "Oh ja, wir hatten einen. Aber der lebt nicht mehr", berichtet Marlis Hennig. Und sie selbst war eine brave Schülerin? "Ach, na ja, wenn es langweilig wurde, habe ich auch geschwatzt", blickt sie belustigt zurück. Mehr noch: Der damalige Physiklehrer musste so manchen Streich seiner Schülerin verkraften. "Ich musste oft zum Direktor. Ich glaube, ich habe in seinem Zimmer öfter gesessen als im Klassenraum. Der erkannte schon am Klopfen, dass ich vor der Türe stehe", lässt Marlis Hennig Momente ihre Schulzeit Revue passieren.

Dann führt Schulleiterin Heike Gruschke die Schüler von einst durch das Schulgebäude und erklärt, was sich in jüngster Zeit alles verändert hat. Viele aus der Gruppe bestaunen vor allem die von Schülern und Eltern bunt bemalten Toilettenräume. So etwas gab es vor 60 Jahren freilich nicht. In der einen Etage empfängt die Toilettengänger eine Dschungelwelt, in der anderen Etage eine Wasserwelt. Geblieben sind die hohen Räume, geblieben ist Atmosphäre aus Lerneifer und Lernfrust, die irgendwie in der Luft zu hängen scheint. Und irgendwie scheinen auch das Schwatzen von Marlis Hennig und die ermahnenden Worte der Lehrer nachzuhallen.

Berührt, belustigt und auch wehmütig verlassen die Grundschüler aus den 1950ern ihre alte Schule. Auf dem Programm steht noch ein Rundgang mit Schönebecks Nachtwächter Jeff Lammel. Er will die einstigen Abc-Schützen durch Salzelmen führen. Und danach klingt das Klassentreffen in einer urigen Salzer Kneipe aus.

"Wir haben uns seit unserem Absolventenjahr 1962 mehrfach getroffen. Beim jüngsten Treffen 1997 waren noch unsere Klassenlehrer und unser Direktor dabei, sie sind inzwischen verstorben", erzählt Marlis Hennig. "Im Rückblick kann ich sagen, dass wir eine schöne Schulzeit hatten. Wir haben uns gut verstanden. Sonst würden wir ja auch nicht mehr in so großer Zahl zusammenkommen."