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Kammerphilharmonie Mehr als nur Musik im Gepäck

70 Jahre besteht die Mitteldeutschen Kammerphilharmonie. Die Finanzierung des Klangkörpers wirft Fragezeichen auf.

Von Klaus-Peter Voigt 30.09.2018, 23:01

Schönebeck l Keine Schuldzuweisungen, kein Selbstmitleid ist an diesem Abend zu spüren. Es scheint klar, die prekäre Situation haben alle begriffen. Niemand will sich seiner Verantwortung entziehen. Landrat Markus Bauer (SPD) tritt mit einem optimistischen Lächeln ans Mikrophon. „Wir haben eine gemeinsame Verantwortung für die Kultur“, sagt er. 70 Jahre spende die Kammerphilharmonie „Kraft und Inspiration“. Nach dem Krieg strahlten die Musiker ein Stück Hoffnung aus. Heute sei die Bedeutung des Orchesters keinesfalls kleiner geworden.

Bauer wünscht sich, „der „Klangteppich“ möge erhalten bleiben, ohne den Blick gegenwärtig nur auf den Boden zu richten. Für ihn zählt vor allem die wertvolle Arbeit der Musikprofis bei der Bildung von Kindern und Jugendlichen. Dass nun noch kein neuer Kooperationsvertrag aller Partner unter Dach und Fach sei, dürfe nicht zu Dissonanzen führen.

Sachsen-Anhalts Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) erinnert sich an die Gründung des Fördervereins der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie 1992, den sie von Anfang an als Vorsitzende leitet. „Die lange Geschichte beweist, ein Orchester braucht Freunde“, verkündet die Politikerin. Nach der Wende wurde es oft totgesagt, dessen Bestand in Frage gestellt, schließlich entstand eine gemeinnützige GmbH. Zwei Städte im Land, Eisleben und Schönebeck, seien gegenwärtig in finanziellen Schieflagen, die sich auf Kultureinrichtungen auswirken könnten. Doch es gebe auch positive Signale, denn die Orchester- und Theaterverträge wolle das Land Sachsen-Anhalt besser und mit mehr Geld als in den Jahren zuvor ausgestalten.

Aufmerksam hört Schönebecks Bürgermeister Bert Knoblauch (CDU) zu, nickt immer wieder. Er fühle sich zu Recht angesprochen und gegenwärtig kaum wohl in seiner Rolle. Es gehe um ein Orchester, das sieben Jahrzehnte Hochkultur für Stadt und Landkreis bedeute. Die Kammerphilharmonie nennt er „ein Glanzlicht über die Region hinaus“, wichtig für die Vermittlung von klassischer und moderner Musik gleichermaßen. Und er verspricht mit Blick auf die Zukunft. „Wir geben uns größte Mühe.“

„23 Menschen aus 10 Nationen musizieren bei uns“, bringt es Susanne Reichel-Visontay für den Orchester-Betriebsrat auf den Punkt. Seit 26 Jahren würden die Musiker Gehaltsverzicht leisten. Auf diese Weise könne man dem Publikum, das sich nach Stetigem sehnt, ein „Lebensmittel“ erhalten.

Es ist Optimismus, der die Feierstunde prägt. Anita Bader, die Geschäftsführerin der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie, blickt noch einmal auf die 70 Jahre zurück. Stets aufs Neue habe es Probleme gegeben. „Dunkle Wolken sind keine Erfindung der Gegenwart, sie ziehen sich wie ein roter Faden durch unsere Geschichte“, erzählt sie. Es gebe vieles, das Mut macht. Da sei der Operettensommer, als eine Art Markenzeichen des Orchesters. Die mehr als 17 000 Besucher 2018 kamen zu 40 Prozent nicht aus Schönebeck, dem Landkreis und Magdeburg, sondern aus Niedersachen, Berlin, Brandenburg und der gesamten Bundesrepublik. Eine neue Kooperation mit dem Theater der Altmark ist abgeschlossen worden. Das Stendaler Haus ohne eigene Musiksparte setze auf das Hausorchester des Salzlandkreises, um Ende Oktober das Musical „Cabaret“ auf die Bühne bringen zu können. Zwölf Vorstellungen, auch im Bernburger Theater, werden zu sehen sein.

Als Hommage an das Jubiläum entstand eine kleine Wanderausstellung, die das Orchester in den kommenden Monaten bei seinen Auftritten begleitet. Sechs Tafeln informieren über die Geschichte, alle bisherigen Direktoren, wichtige Gastspielorte.

Wie sich die Kammerphilharmonie öffnet, die stets auch zeitgenössische Werke im Fokus hat, bewies das 2018er Eröffnungskonzert „Große Reihe“. Im Dr.-Tolberg-Saal war nach der Feierstunde die Uraufführung eines Konzerts für Horn und Orchester zu erleben. Der in Mexiko City geborene Xavier Camino suchte 21 Jahre nach einem Partner, den er in Schönebeck fand. Das Werk wurde in Anwesenheit des Komponisten mit Bravorufen vom Publikum aufgenommen. Als Solist überzeugte der spanische Musiker Javier Bonet.