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Kammerphilharmonie Unüberhörbare Missklänge

Die Stadt Schönebeck signalisiert, ab 2019 für die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie weniger Zuschuss zahlen zu wollen.

Von Ulrich Meinhard 24.04.2018, 04:00

Schönebeck/Bernburg l An die Präsenz der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie (MKP) haben sich die Menschen im Salzlandkreis und insbesondere in Schönebeck längst gewöhnt. Das Hausorchester des Landkreises, wie sich das Ensemble selbst nennt, hat im Laufe der Jahrzehnte eine große Zahl an Konzerten gegeben. Es hat, das Vorgänger-Orchester eingeschlossen, ganze Generationen erreicht. Das waren nicht nur Auftritte für das klassikverliebte Publikum – die Musiker gehen auch in die Schulen.

Rund 130 Konzerte gibt die MKP jährlich, 35 bis 40 Mal Konzerte für Kinder. Immer wieder schaffen es Geschäftsführerin Anita Bader und Chefdirigent Gerard Oskamp, talentierte und renommierte Solisten in den Salzlandkreis zu holen. Unter dem Strich liegt der Kostendeckungsgrad, also die Erwirtschaftung des Eigenanteils, nach Angaben der MKP bei 51 Prozent. Viele Stadttheater bringen es lediglich auf einen Anteil von zehn bis zwölf Prozent.

Ein Zuwendungsvertrag regelt die auskömmliche Finanzierung der Personal- und Betriebskosten, für die neben dem Salzlandkreis auch das Land Sachsen-Anhalt und die Stadt Schönebeck sorgen - sowie Sponsoren. Dieser Vertrag läuft Ende des Jahres aus; er muss neu verhandelt werden. Kultusstaatssekretär Gunnar Schellenberger (CDU) hat im Gespräch mit Vertretern der Kreisverwaltung in Bernburg bereits klargestellt, dass sich das Land auch über 2018 hinaus an der Förderung der MKP beteiligen werde.

Vorgeschlagen wird ein Festbetrag von jährlich 385.700 Euro sowie eine Beteiligung an der „Dynamisierung der Personalkosten in Jahresscheiben“ in Höhe von 9100 bis 47.100 Euro. In dem Vertragsentwurf heißt es, der Salzlandkreis sei verpflichtet, der MKP einen Festbetrag in Höhe von jährlich 752.600 Euro bereitzustellen. Zudem müsse sich auch der Kreis an der Dynamisierung der Personalkosten beteiligen.

Der Tenor im Kreis klingt derzeit auffallend negativ. In Auswertung der bisher erfolgten Verhandlungen ist zu erwarten, „dass über die vertraglich festgelegten Fördersummen hinaus ein ungedeckter Bedarf von rund 96.000 Euro im ersten Vertragsjahr bis rund 141.000 Euro im letzten Vertragsjahr verbleibt“, heißt es in einer Mitteilungsvorlage der Kreisverwaltung. Der Vertragszeitraum ist übrigens von 2019 bis 2023 definiert. Von Bernburger Seite wird auch darauf hingewiesen, dass in diesem Jahr Tarifverhandlungen zwischen der MKP und der Deutschen Orchestervereinigung (das ist der Berufsverband und die Gewerkschaft von Musikern) zu führen sind.

Kurz gesagt: Die Kosten für das Personal steigen weiter, immer deutlich unter dem Flächentarif, aber im Abstand parallel mit ihm. Die MKP werde diesen Mehrbedarf nicht durch eine Steigerung der Umsatzerlöse decken können, heißt es in der Vorlage weiter. Was bedeute, dass der Salzlandkreis als alleiniger Gesellschafter einspringen müsse.

Fachbereichsleiterin Petra Czuratis wiederholt in Bernburg: „Mit dem vorliegenden Angebot des Landes können nicht alle Voraussetzungen erfüllt werden, um den Betrieb wie bisher weiter zu führen.“

Kreistagsmitglied Thomas Leimbach (CDU) findet, dass für das Orchester zu viel Geld ausgegeben wird. Das müsse anders geregelt werden, schlug er im Finanzausschuss vor. Andere Städte, wie etwa Aschersleben, würden es vormachen. Ein Telefonorchester, das bei Bedarf zusammengerufen werde, würde auch den Zweck erfüllen. Es müsse kein stehendes Orchester sein, meint Leimbach. Auf jeden Fall müssten die Eintrittspreise den gestiegenen Gesamtkosten angepasst werden. „Insgesamt muss es eine zukunftsträchtige Ausrichtung geben, die nicht im Weiterso besteht“, betont der Christdemokrat.

Ob denn durch die Stadt Schönebeck auch weiterhin ein Zuschuss für das Orchester in Höhe von 80.000 Euro im Jahr gezahlt werden soll, will Kreistagsmitglied Manfred Püchel (SPD) im Ausschuss wissen. Ja, es werde einen Zuschuss geben, antwortet Petra Czuratis. Die Stadt habe aber signalisiert, dass der in selber Höhe wie bisher aufgrund der schlechten Haushaltslage nicht gezahlt werden könne.

Was also ist geplant, möchte die Volksstimme von der Stadtverwaltung Schönebeck wissen. Stadtsprecher Matthias Zander lässt daraufhin wissen: „Ausgehend von der Empfehlung der Kommunalaufsicht, dass für die freiwilligen Leistungen nicht mehr als zwei Prozent des Haushaltes auszugeben sind, ist auch der Zuschuss an die Mitteldeutschen Kammerphilharmonie Schönebeck gGmbH auf dem Prüfstand.“ Voraussichtlich auf der 35. Sitzung des Stadtrates Schönebeck am 14. Juni würden durch die Stadträte Entscheidungen zur Haushaltssituation gefasst. Eine konkrete Streich-Summe teilt Zander also nicht mit.

Im Gespräch mit der Volksstimme machen sich MKP-Geschäftsführerin Anita Bader, Chefdirigent Gerard Oskamp und Musiker Olaf Bartels stark für den Erhalt des Status quo. Ein Telefon-Orchester - Anita Bader spricht wahlweise von einem „Muckenorchester“ - könne nie und nimmer die Arbeit leisten und die Qualität bieten wie die Kammerphilharmonie in ihrer bisherigen Form. Liebgewordenes, wie etwa der Schönebecker Operettensommer, wäre dann nicht mehr umsetzbar. „Telefonorchester haben noch nie Schülerkonzerte gespielt“, gibt Olaf Bartels zu bedenken.

„Auch ein Muckenorchester muss ich anmelden. Alles andere ist hinsichtlich der Sozialversicherungspflicht gar nicht zulässig“, erteilt Anita Bader einer erhofften Kosteneinsparung auf diesem Gebiet eine Abfuhr.

Außerdem müsse dann immer wieder von vorn angefangen werden, die Truppe zusammen zu schweißen. „Das wäre ein enormer Qualitätsverlust“, warnt sie. Nur etwa ein Drittel der bisherigen Angebote könnte dann noch möglich sein. Es gebe dann auch keine Zusammenarbeit mit der Musikschule mehr, keine Förderung des musikalischen Nachwuchses in irgendeiner Art und Weise, keine Chancengebung für Praktikanten, keine Begleitung für Chöre wie dem Magdeburger Kantatenchor und anderes mehr.

Gerard Oskamp argumentiert, dass fest angestellte Musiker im Kreis schließlich ihren Wohnsitz haben, hier Miete und Steuern zahlen und einkaufen. „Ein Wirtschaftsfaktor an sich.“ Den Kammerkritiker Thomas Leimbach jedenfalls möchte Anita Bader gerne einmal einladen. Zum Gespräch. Oder auch, um einfach einmal musikalisch zuzuhören. „Die nächste Gelegenheit ist am 4. Mai im Bestehornhaus in Aschersleben. Zur öffentlichen Generalprobe“, schiebt sie ein konkretes Angebot nach.

Staatssekretär Gunnar Schellenberger indes versteht die ganze Aufregung nicht. Das Angebot des Landes sei durch die landesweit angewendete Dynamisierung der Personalkosten nicht schlechter, sondern sogar besser als bislang (Mehrkosten für das Land: rund 3,5 Millionen Euro). „Das gab es so noch nie“, macht er aufmerksam. Im Jahr 2023, rechnet Schellenberger vor, bekomme die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie einen Zuschuss über 433.000 Euro. Freilich: Die MKP-Geschäftsführung komme nicht umhin, für eine Erhöhung der Einnahmen zu sorgen. Höhere Eintrittspreise seien denkbar, auch neue oder überarbeitete Projekte. Der Staatssekretär ist aber überzeugt: „So viel Sicherheit gab es noch nie.“