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Kinderfeuerwehr Kleiner Held mit großem Herz

Leon ist erst fünf und auf seinen Rollstuhl angewiesen. Trotzdem verpasst er kein Treffen der Kinderfeuerwehr.

Von Sebastian Rose 28.06.2019, 10:01

Biere/Eickendorf l Die Sonne steht am Zenit und scheint erbarmungslos auf den Schotter. Es ist weit über 30 Grad und die Luft steht. Kein Wind, kein kühlendes Lüftchen weht. In der Ferne sind Kinder zu hören. In die trübe Idylle hinein fahren zwei knallrote Bullis vor.

Vollbesetzt mit Kindern. Mit großen Augen schauen sie aufgeregt aus dem Fenster. Als die Transporter halten, dauert es nicht lang und die Kleinen stürmen jubelnd raus. „Jaaaa, endlich sind wir da“, freuen sie sich. Die Kofferraumklappe wird aufgerissen und schnell sind alle Sachen entladen. Unmengen an Salaten, Plastikgeschirr und Decken werden ausgepackt. Jedes Kind packt brav mit an.

Eine Mutter holt schnell einen kleinen bunten Rollstuhl hervor und setzt ein Kind herein. Es ist Leon. Dieser guckt verlegen mit seiner blauen Brille in die grelle Sonne. Ohne groß zu überlegen, kommt ein etwas älteres Mädchen und schiebt Leon zum See. Ziel wird an diesem Tag der kleine Waldsee in Plötzky sein.

Der kurze Weg, vorbei an Minifußballfeldern, Beach-Volleyballplätzen und einigen Tieren ist schnell bewältigt. Nur ein Kind hängt hinterher. „Nicht trödeln“, ruft Ulrike Herbrich ihm zu. Sie ist Kinderwärtin der Kinderfeuerwehr Biere/Eickendorf. Ganz vorne wird Leon von seiner älteren Cousine geschoben. Ein schattiges Plätzchen unter einem Baum wird zum Verweilen ausgewählt. Die 14 Kinder wollen am liebsten sofort ins kühle Wasser springen. Ulrike Herbrich unterbricht die vor Vorfreude laut lachenden Kinderfeuerwehrmänner und Frauen. Erst werden die Badesachen angezogen! „Und die Sonnencreme nicht vergessen“, fügt Ulrike Herbrich an.

Ohne Berührungsängste ziehen sich die Kinder aus, reißen ihre Rucksäcke auf und schlüpfen in die Badesachen. Nach ein paar Sekunden rennen die Ersten zum See. „Wir wollten doch noch ein Foto machen“, ruft Ulrike Herbrich ihnen hinterher.

Währenddessen hilft Leons Mama Sindy ihm liebevoll in die Badehose. Die Taucherbrille, passend zur normalen in der Farbe blau, darf natürlich nicht vergessen werden. Jetzt heißt es ab an den Strand, wo die anderen Kinder auf ihn warten. Vorher rufen Ulrike Herbrich und Alexander Wierzbowksi, der mitgekommene Ortswehrleiter der freiwilligen Feuerwehr aus Biere, die Kinder zum Foto zurück. Verständlicherweise gefällt das nicht allen.

„Das Wasser ist doch so schön“, säuseln sie. Trotzdem finden sich alle am Klettergerüst ein. Geduldig werden die Anweisungen von dem nervigen Fotografen befolgt. „Einmal alle grinsen und eins, zwei drei: Käsekuchen.“ Die Kinder lachen. Leon vorneweg. Jetzt endlich wieder an den See!

Zurück am Strand angekommen spielen die Kinder unter den wachsamen Augen der Betreuer und Eltern im Sand und im Wasser. Leon wird voll integriert. Die kleinen Feuerwehrbegeisterten unterscheiden nicht zwischen „normal“ und „nicht normal“. Wenn überhaupt zwischen Freund und Fremder. Und Leon ist ein Freund. Einer von ihnen.

Einfach hatte es er junge Mann von Anfang an nicht. Schon vor der Geburt litt er an der sogenannten Spina Bifida, einem offenen Rücken. Durch die Fehlbildung fällt es ihm schwer, seine Beine zu bewegen. Im Kopf ist Leon hingegen nicht beeinträchtigt. Ganz im Gegenteil sogar. Er ist ein aufgewecktes Kerlchen. Der Erste, der den fremden Mann mit Kamera und Notizblock auf dem Parkplatz begrüßt.

Jetzt kann man noch nicht vorhersagen, ob Leon je ohne Hilfe sich fortbewegen kann. Mit seinem Rollstuhl klappt das gut. Oft schiebt er ihn alleine. Zuhause hat er Orthesen und einen Rollator. „Auch das klappt mittlerweile immer besser“, freut sich Mama Sindy für ihren Sohn.

Jeden Tag kämpft Leon aufs neue in den Therapiestunden. Vier Monate im Jahr steht die Reha an. Sich deswegen aber da Lachen verbieten lassen? Nicht mit Leon. Leon dem Kämpfer, dem kleinen Helden. Mindestens für seine Mutter ist er das. Doch die vielen Unterschriften auf seinem Rollstuhl verraten, dass auch andere beeindruckt sind von Leon.

Neben seinem Namen und einem Feuerwehrauto sind viele unterschiedliche Städte verewigt. „Feuerwehr Biere, Feuerwehr Möckern und Feuerwehr Theeßen“, sind zu erkennen. „Ich fahre meinen Sohn zu sämtlichen Tagen der offenen Türen von den Feuerwehren aus der Umgebung“, erklärt Mama Sindy. „Das weiteste war bisher wohl Königsborn“, meint sie weiter. „Dann haben wir jemanden vom Fire Department aus San Francisco getroffen.“ Der nächste Urlaub soll sogar in die Schweiz gehen. Dort kommen sicherlich viele weitere Feuerwehren dazu.

Auf die Frage, woher die riesige Begeisterung von Leon für die Feuerwehrleute in ihren roten Autos kommt, weiß Mutti Sindy sofort eine Antwort: „Unsere neue Wohnung liegt direkt gegenüber der Feuerwache in Biere.“ Mit großen Augen steht Leon dann bei jedem Einsatz am Fenster und schaut sich gelassen das hektische Treiben der Feuerwehrleute an. Eines Tages möchte auch er dort stehen.

Der erste Schritt dazu ist schon getan. Obwohl die Kinderfeuerwehr Kinder erst ab sechs Jahren aufnimmt, ist er quasi Ehrenmitglied. Und das mit Leib und Seele. Und mit einem T-Shirt. Zwei Kameraden der Feuerwehr, der stellvertretende Wehrleiter Reiner Bester und die Alterskameradin Helga König, haben extra T-Shirts für Leon und zwei andere Kinder, alle noch unter sechs Jahre alt, anfertigen lassen. „Wenn ich groß bin, gehe ich zur Kinderfeuerwehr“, ist darauf zu lesen.

Unterdessen wird Leon immer gefragter, als die Fotos und das Interview mit ihm und seiner Mutter endlich gemacht worden sind. „Was wollte der von dir“, fragen sie neugierig. Leon grinst nur. Er möchte einfach schnellstmöglich zurück an den See. „Zum Tauchen“, ruft er fröhlich. Die Schwimmbrille will schließlich ausprobiert werden.

Auch Mama Sindy genießt sichtlich den Tag am See. Überall, wo Feuerwehren auf dem Programm stehen, bringt sie ihren Sohn hin, fährt hinterher und passt auf Leon auf. Selbst beim Florianslauf in Güsten waren die beiden am Start. Er im Rennrollstuht, sie als Raketenantrieb hinten dran.

Prompt gewannen beide einen Pokal. „Auf den er mächtig stolz ist“, ergänzt die Mama.

Für die Zukunft wünscht sie ihrem Sohn viel Kraft und Erfolgt, sodass er später auch mal zur Jugendwehr gehen kann und dort weiter so viel Spaß hat.

Am Ende sei noch erwähnt, dass Leon sich sicherlich riesig über Zusendungen, Fotos, oder Videos von weiteren Feuerwehren freuen würde. Wenn also Sie, liebe Leser, jemanden kennen, zögern sie nicht und senden uns die Grüße zu. Wir leiten diese gerne weiter.