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Kino Anstrengung und Optimismus

Im Frühjahr wurde eine geschichtsträchtige Barbyer Immobilie versteigert: Das historische Kino kam unter den Hammer.

Von Thomas Linßner 29.10.2018, 16:43

Barby l Nein, regelmäßige Vorstellungen könne er sich nicht vorstellen, der neue Besitzer des Kinos in Barbys Goethestraße. So wie in den großen Multiplex-Tempeln mit 5D-Effekten, wo sich die Sitze synchron zum Filmgeschehen nach rechts oder links bewegen, nach hinten kippen, hoch oder runter sacken. Wo sich in den Armlehnen der Sessel Duftdüsen verbergen, die Geruchsimpulse oder Wassertropfen absondern können. So ähnlich, wie gerade erst in Wernigerode, wo man auf Scharen von kinolustigen Urlaubern wartet.

Nein, das hat Helmut Kolb im kleinen Barby nicht vor. Er hatte das Lichtspielhaus in der Goethestraße im März dieses Jahres ersteigert und legt mittlerweile kräftig Hand an. Denn der Sanierungsbedarf ist erheblich. Die Decke musste fachgerecht abgedichtet, ein neuer Fußboden gegossen und Wände gestrichen werden.

„Ich muss ehrlich gestehen: Als wir das Haus zum ersten Mal von Innen sahen, haben wir einen Schock bekommen“, gesteht Kolb. Denn vor der Auktion hätten er und seine Partnerin Sigrid Weise das ehemalige Lichtspielhaus in der Goethestraße nicht in Augenschein genommen.

Doch mittlerweile habe sich der Wahl-Berliner mit dem Zustand arrangiert. „Ich bin ein Bastler“, lächelt der gebürtige Bayer. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass der 54-Jährige in Arbeitskleidung durch seinen Neuerwerb wuselt. Was zuweilen die Neugier der Barbyer auf den Plan ruft, wenn sie spitz kriegen, dass dort gearbeitet wird.

Aber warum ein Kino in Barby, wo zum letzten Mal Anfang der 1990er Jahre ein Film über die Leinwand flimmerte? In einem Ort, der erstmal „gegoogelt“ werden musste. „Ich finde die Geschichte des Kinos sehr spannend - ist hier doch die deutsche Geschichte seit dem Kaiserreich über die Weimarer Zeit, das Dritte Reich, die DDR-Ära, die Nachwendezeit und die Gegenwart nachzuvollziehen“, zeigt sich Helmut Kolb begeistert. Er beabsichtigt zusammen mit Sigrid Weise, die Kinogeschichte noch weiter zu erforschen und einen Film und/oder eine Publikation zu erstellen.

In Barby erzeugten bisher zumindest Filme mit Lokalkolorit einiges Interesse. So war es zur 1050-Jahr-Feier 2011 im Rautenkranz rammelvoll, als Detlef Gaßler Schmalfilme seines Vaters Erwin zeigte, die überwiegend in den 1960er Jahren gedreht wurden. Auch Herbert Kolbes Auftragswerk zur 1025-Jahr-Feier (1986) flimmerte mehrfach bei unterschiedlichen Anlässen über die Leinwand. Das war auch einer der letzten Filme, der Anfang der 1990er Jahre im Barbyer Kino gezeigt wurde.

Eine Kooperation böte sich auch mit dem Hamburger Cineasten und Hobbyfilmer Torsten Rosemann an, der 2011 ebenfalls ein Auge auf das „Cinema“ hatte, infolge des baulichen Zustandes aber Abstand nahm. Seitdem bleibt der Polizist der Elbestadt treu, wo er alle Jahre wieder das Barbyer „Brückenfest“ mit der Kamera begleitet.

Helmut Kolb ist ausgebildeter Geograf, verdient seinen Lebensunterhalt als angestellter Immobiliengutachter. Deswegen gab er sich bei der Erstbegutachtung auch keinen Illusionen hin, was den Zustand des leer stehenden Hauses betraf. „Mit großer Anstrengung und Optimismus gehen wir das Cinema-Projekt an. Zunächst gilt es, baulich noch einige Dinge in Ordnung zu bringen“, so der 54-Jährige. Zudem muss eine Lösung für den fehlenden zweiten Fluchtweg gefunden werden. (Früher hatten die Kinobetreiber eine Absprache mit den Nachbarn organisiert. Die Lichtspielbesucher konnten den Kinosaal durch deren Hausflur verlassen, wenn es am Haupteingang eng wurde.)

„Wir hoffen, dass wir im Sommer 2019 erste Filme zeigen können“, so der Berliner. Dann würden nicht die üblichen Blockbuster wie in großen Lichtspielpalästen laufen, sondern eher Streifen mit Studiokino-Charakter. Man könne sich auch Kleinkunst, Ausstellungen oder Lesungen vorstellen.

Weise/Kolb haben in diesem Metier einige Erfahrung. So dokumentierten sie fotografisch Veränderungen auf dem Tempelhofer Feld in Berlin. Man kann auf deren Internetseite nachvollziehen, wie dort fotografisch-künstlerische Raum-Zeit-Zeugnisse des ehemaligen Flugfeldes geschaffen werden. Sigrid Weise ist Künstlerin mit den Schwerpunkten Malerei, Fotografie und Druckgrafik. Zur Frankfurter Buchmesse erschien ihr neues Buch: „RUHE.STÄTTE. Erinnerungskultur im Wandel. Künstlerische Bestandsaufnahmen auf Berliner Friedhöfen“. (Mit diesem Thema hätte sie auch in der Einheitsgemeinde Barby ihr Tun, wo sich Friedhöfe dem Zeitgeist entsprechend verändern oder auch nicht.)