Sanierung Kirche in Groß Rosenburg bekommt neue Fenster aus Bleiglas
Viel Transparenz durch Meisterhände: An der Nordseite der Rosenburger Kirche wurden zwei gelbe Scheiben aus DDR-Tagen durch mundgeblasenes Antikglas ersetzt.

Groß Rosenburg - Ist es nicht schön, wie erklärend die deutsche Sprache ist, wenn man sie lässt?! Ein Beispiel: „Ich muss nur noch ein paar Windeisen zuschneiden“, sagt Bernd Gottschalk, nimmt den Akku-Winkelschleifer und trennt ein Acht-Millimeter-Rundeisen. Weil es aus Edelstahl ist, geht kaum Brandgefahr von dem Schnitt aus, da fast keine Funken entstehen. (Anders wäre es bei „schwarzem“ Eisen.)
Also ein Windeisen! Warum heißt das so?
„Diese Eisenstäbe dienen zur Festigung der Glasfelder bei Winddruck oder starkem Regen. Die Verbindung der Windeisen mit den Bleisprossen erfolgt durch Verlöten mit den Haften“, erklärt Restauratorin Ines Trappiel. Sie ist Spross jenes Akener Familienbetriebes, der sich schlicht „Glaswerkstatt Gottschalk“ nennt, 90 Prozent seiner Aufträge im Denkmalschutz umsetzt und schon die Fenster im Augustinerkloster Erfurt restaurierte. Die sind so wertvoll, dass die Arbeiten vor Ort geschehen mussten.
In renommierten Händen
Doch das nur nebenbei. Jedenfalls waren Pfarrer Ulf Rödiger und dessen Kirchengemeinde froh, den Auftrag in so renommierte (wenn auch in Sachen Außenwirkung bescheidene) Hände legen zu können.
„Eigentlich müsste meine Schwester Anja jetzt auf der Rüstung stehen“, ist es Restauratorin Ines fast ein bisschen peinlich, als sie der Pressemensch fotografiert. Anja ist Firmenchefin, helfendes Familienmitglied Vater Werner, der unten die Windeisen in Form bringt.
Die beiden nördlichen Fenster werden segmentweise in die Rahmen eingesetzt. In der Akener Werkstatt vorgefertigt, montiert sie Ines Trappiel Stück für Stück. Die selbstständige Restauratorin, die in diesem Fall von Schwester Anja Gottschalk beauftragt wurde, weiß abends, was sie gemacht hat. Denn Bleiglasfenster sind nicht von Pappe. Die Sprossen werden wie vor 500 Jahren aus Blei gefertigt, das mundgeblasene Glas ist drei Millimeter stark.
Das wiegt!
Nach Absprache mit der Denkmalspflege wurden die gelben Bleiglasscheiben durch transparentes „Antikglas“ ersetzt. Dessen Oberfläche ist so „buckelig“ wie im Barock.
Kosten von 18400 Euro
Die Kosten belaufen sich auf rund 18400 Euro. Die neuen Bleiglasfenster werden von Stahlrahmen getragen, die im Schadensfall ausgebaut werden können. In der bisherigen Form waren sie fest in der Wand eingeputzt.
Gemeinde und Fachleute treibt schon lange um, warum in der Rosenburger Kirche zum Teil gelbes Glas verbaut wurde, wie es immer noch in den Fenstern hinter dem Altar zu sehen ist. Sollte es mehr Sonnenlicht suggerieren? Wurde es nach dem Zweiten Weltkrieg eingesetzt? Es gab in der Vergangenheit auch Mutmaßungen, dass man in der Mangelwirtschaft der DDR nahm, was man bekommen konnte.
Pfarrer Ulf Rödiger fand dazu einen Eintrag von einem seiner Vorgänger aus dem Jahr 1950. Pfarrer Wilhelm Richter schreibt in seiner Kirchenchronik: „Die Kirche wurde im Innern renoviert. Der Altarraum wurde würdig hergerichtet: Ofen, Bänke und Erinnerungstafeln entfernt, die Fenster neu verglast (durch Glasermeister Böhme, Magdeburg). Der Taufstein wurde aus seiner Stellung von dem Altar in das Gegenüber der Kanzel versetzt und so das rechte Verhältnis der Predigt- und der Taufstätte zum Altar hergestellt.“
Mundgeblasenes Glas für die Fenster
Die Original Echt-Antikgläser werden im Mundblasverfahren hergestellt und sind ein Beispiel für die erfolgreiche Fortführung der jahrhundertealten Tradition des Glasmachens. Die Technik wurde um 1200 herum zunächst in Frankreich und dann in England verwendet. Der Begriff „Antik“ hat hier nichts mit dem Alter des Glases zu tun, sondern bezieht sich rein auf den heute noch durchgeführten traditionellen Herstellungsprozess der Gläser. Die Brillanz, Struktur und Vielfalt lässt sich nur mit dieser Produktionsmethode erreichen. Der Preis ist entsprechend: Ein Quadratmeter kostet rund 75 Euro.
Bei der Herstellung von Antikglas kann das flüssige Glas im Hafen (feuerfester Tiegel) eingefärbt und auf die gewünschte Farbgebung abgestimmt werden. Die handwerkliche Methode des Glasblasens funktioniert so: Das Ende eines oval geblasenen Ballons wird geöffnet und die Glasmacherpfeife abgeschlagen, um aus dem Ballon einen Zylinder zu bilden, der anschließend aufgeschnitten und zu einer Tafel geglättet werden kann.