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Bürger kritisieren weiteres Verschicken von Bescheiden trotz unklarer Rechtslage "Kommt bald Herstellungsbeitrag III?"

Von Ulrich Meinhard 05.07.2013, 03:10

Noch immer gibt es Ärger um den sogenannten Herstellungsbeitrag II. Die Heranziehung dieser Gebühr ist rechtlich nicht zu 100 Prozent geklärt. Sogar während der heißen Phase der Flut verschickte die Stadt Schönebeck Bescheide.

Schönebeck l Die gigantische Hochwasserwelle war noch nicht abgeflossen, da hatte Horst Ziegler Post von der Stadt Schönebeck im Briefkasten. Es ging um das Nass. Allerdings nicht in Form von Fluss-, Grund-, Oberflächen- oder Drängwasser. Vielmehr ist es das Abwasser, das die Verwaltung (weiterhin) akiv werden lässt und zwar in Form von Rechnungserstellungen.

Konkret geht es um den Herstellungsbeitrag I beziehungsweise II (kurz H I und H II). Der wird fällig für Haus- und Grundstückseigentümer, die irgendwann einmal an das zentrale Abwassersystem angeschlossen worden sind (Volksstimme berichtete mehrfach). Dieser Anschluss kann sogar 20 und mehr Jahre zurück liegen, im Fall von H II prinzipiell vor 1991.

Bei vielen Adressaten sorgen diese Bescheide für Unmut. So auch bei Horst Ziegler. "Warum jetzt? Hat die Stadt nichts anderes zu tun?", fragt er und ärgert sich, dass unter der angegebenen Telefonnummer (zuständig ist die Stabsstelle Trinkwasser/Abwasser) niemand zu erreichen war.

Bezahlt und sofort in Widerspruch gegangen - so wie es der Verband Haus und Grund rät - ist Renate Karl. "Die Antwort auf meinen Widerspruch hat ein viertel Jahr gedauert. Mein Geld haben sie aber sofort genommen", stellt sie die Feinheiten bei Nehmen und Geben gegenüber.

Die Summe, die die Schönebeckerin zahlen musste, war mit 560 Euro ein Schlag ins Kontor, wie sie sagt. "Die machen mit uns, was sie wollen", schimpft sie und verweist auf die sowieso jährlich zu leistenden Beiträge für die Abwasserentsorgung, in ihrem Fall in Höhe von 436 Euro. Wenn es um das Eintreiben vom Geld geht, seien staatliche Stellen sehr kreativ. "Kommt demnächst der Herstellungsbeitrag III?", meint Renate Karl mit ironischem Unterton.

Sie empfindet es nicht als gerecht, dass der Beitrag nach Grundstücksgröße berechnet wird. Hat jemand nur einen Garten, muss er trotzdem zahlen. "Wofür eigentlich?", fragt sie und sieht das gesamte Gebaren rechtlich nicht in trockenen Tüchern (siehe Infokasten).

"Als vorbildlicher Bürger habe ich natürlich den Beitrag bezahlt, aber gleichzeitig Einspruch eingelegt", schreibt Jürgen Bieler in einer E-Mail. Er habe sich unter anderem darauf berufen, dass das Oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland mit Urteil vom 5. März 2013 (1 BvR 2457/08) entschieden hat, dass Beitragsbescheide in einem angemessenen Zeitraum zu erheben sind. Jürgen Bieler hat sich über die Rechtslage informiert und weiß daher, dass Beitragsbescheide, deren Forderung länger als vier Jahre zurückliegen, verjährt sind.

"Wie wir alle wissen, wurde die zentrale Kläranlage bereits vor über 20 Jahren fertiggestellt. Eine nachträgliche Beitragserhebung wäre nach der Entscheidung des Obersten Gerichtes verjährt", legt der Schönebecker die Rechtslage aus. Und dennoch: "Mein Einspruch wurde abgelehnt. Meine Forderungen sollte ich über gerichtliche Instanzen durchsetzen."

Seine Frage an die Stadt Schönebeck ist aber folgende: "Wieso braucht eine Kommune 20 Jahre, um eventuelle Forderungen zu erheben?" Die Stadt habe bekanntlich jede Menge Schulden. "Aber in diesem Fall lässt man sich Zeit, Gelder einzutreiben. Ich denke dabei auch an verloren gegangene Zinsen. Bei den immer genannten Beträgen ist der Zinsverlust, der über 20 Jahre eingetreten ist, immens und bewegt sich in einem höheren sechsstelligen Bereich. Eine Privatfirma könnte sich so etwas nicht erlauben, sie wäre pleite", argumentiert Jürgen Bieler. Seine Ansicht zum Thema Verjährung: "In der Kommune ist man der Meinung, dass eine Verjährungsfrist für den Herstellungsbeitrag II nicht besteht. Aus der Zivil- und Strafprozessordnung ist mir bekannt, dass nur bei Mord eine Verjährungsfrist nicht besteht."

Wird hier also Recht wissentlich gebeugt? "Wir handeln bezüglich H II streng nach den aktuell gegebenen gesetzlichen Vorschriften", beteuert Stadtsprecher Hans-Peter Wannewitz. Seinen Ausführungen nach müsse die Stadt diese Gebühren erheben und könne keine willkürlichen Unterbrechungen der Bescheidvergabe vornehmen.

In Schönebeck sind bisher 1322 Bescheide versendet worden, davon 655 in diesem Jahr. "Während des Hochwassers hat es definitiv eine zweiwöchige Unterbrechung der Versendung von Ankündigungen und Bescheiden gegeben. Da dies eine Ermessensentscheidung war, kann es natürlich gut sein, dass am Anfang noch einige Bürger angeschrieben worden sind. Wir bitten da um Verständnis", fügt Wannewitz seinen Ausführungen hinzu.

Und warum ist unter der angegebenen Telefonnummer tagelang niemand zu erreichen gewesen? "Herr Naumann war zwischenzeitlich in der Technische Einsatzleitung ", informiert der Stadtsprecher.