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Kriminalität Mehr als 200 Haftbefehle im Salzlandkreis

Warum die Polizei auch im Salzlandkreis immer wieder mit Haftbefehl gesuchte Personen zu Hause oder bei der Arbeit aufgreifen muss.

Von Jan Iven 10.07.2020, 10:39

Schönebeck l Manchmal kommt auch Kommissar Zufall zur Hilfe. Am 4. Juli um 14.10 Uhr kontrollierten Bundespolizisten am Ascherslebener Bahnhof zufällig eine Reisende. Eine Überprüfung der Personalien der 47-Jährigen ergab, dass die Frau bereits seit einem Jahr mit einem Haftbefehl der Staatsanwaltschaft Magdeburg gesucht wird. Denn das Magdeburger Landgericht hatte sie bereits zu einer Geldstrafe von 300 Euro verurteilt, Ersatzweise drei Tage Ordnungshaft. Da die Frau weder die Strafe bezahlt hatte noch die Haft angetreten war, lag nun bereits seit Sommer 2019 ein offener Haftbefehl gegen sie vor.

Auch für die Polizei im Salzlandkreis sind solche Fall nicht untypisch. „Haftbefehle werden größtenteils gegen Personen ausgestellt, die eine Haftstrafe nicht angetreten sind“, sagte Klaus-Peter Schneider vom Polizeirevier Salzlandkreis in Bernburg. Also Kriminelle, die bereits von einem Gericht verurteilt worden sind, aber einfach ihre Haft in einer JVA nicht angetreten sind. Teilweise geht es auch um Erzwingungshaft, wenn Geldstrafen nicht gezahlt werden oder wie im Fall aus Aschersleben um eine Ersatzhaft für eine nicht gezahlte Geldstrafe.

Auch wer nicht zu einem Gerichtstermin erscheint, muss damit rechnen, dass er mit Haftbefehl gesucht wird. Und das gilt nicht nur für Angeklagte, sondern kann sogar auf schwänzende Zeugen angewandt werden. „Darüber entscheiden aber die Richter“, sagte Polizeisprecher Klaus-Peter Schneider. Wobei manche Juristen gerade gegen notorische Schwänzer schon eher mal die Geduld verlieren können.

In den aktuellen Corona-Zeiten ist das Thema Haftbefehl auch noch zusätzlich kompliziert. So soll derzeit nur vollstreckt werden, wenn es dringend notwendig ist. Auf diese Weise soll das Ansteckungsrisiko in den Justizvollzugsanstalten ebenso wie für die Beamten reduziert werden. „Das kann man durchaus nachvollziehen“, sagte Klaus-Peter Schneider.

Dementsprechend werden derzeit von den Gerichten offenbar aber auch weniger Haftbefehle ausgesprochen. Denn die Zahlen deuten nicht darauf hin, dass derzeit besonders viele Haftbefehle offen wären. Im Gegenteil. Nach Angaben der Polizeiinspektion Magdeburg lagen am Stichtag 31. Mai im Salzlandkreis gerade 205 Haftbefehle zur Vollstreckung. Im Laufe des Vorjahres waren es durchschnittlich 254 Vollstreckungsbefehle, was einem Rückgang von fast 20 Prozent zu diesem Wert entspricht.

In ganz Sachsen-Anhalt gab es zum Stichtag am 1. April 2054 offene Haftbefehle. Allerdings schwankt die Zahl auch permanent, da laufend Haftbefehle vollstreckt werden und immer wieder neue dazu kommen. Dass alle Haftbefehle vollstreckt sind und die Zahl auf Null sinkt, wird daher auch nicht vorkommen, teilte ein Sprecher der Polizeiinspektion Magdeburg mit.

Stellen Gerichte oder in einigen Fällen auch die Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl aus, gleicht die Polizei zunächst die Meldeadressen der Personen mit den bekannten Wohnadressen in den polizeiinternen Informationssystemen ab. Daraufhin wird die Person im Fahndungssystem der Polizei ausgeschrieben. Schließlich werden die Personen zu Hause aufgesucht, bei Bedarf auch zu verschiedenen Tageszeiten. Allerdings gehen die Behörden davon aus, dass die meisten Gesuchten vor allem am frühen Morgen zu Hause sind. „Bei Nichterfolg Ermittlungshandlungen im Umfeld, um tatsächlichen Aufenthaltsort zu ermitteln“, teilte die Polizeiinspektion im schönsten Bürokratendeutsch mit. Tatsächlich kontrollieren die Beamten dann auch den Arbeitsplatz der Person.

Und fügen sich die festgenommen Personen der Polizei? „Sie kommen mit oder sie werden mitgenommen. Das ist ihre einzige Wahl“, sagte Polizeisprecher Schneider. Letztendlich sei die Polizei die einzige Behörde, die Zwangsmittel einsetzen dürfen.

Dass Personen überhaupt mit Haftbefehl gesucht werden müssen, kann unterschiedliche Gründe haben. Vor einem Haftantritt würden einige Straftäter gleich von der Polizei abgeholt werden, anstatt selber zur JVA zu fahren, mutmaßt ein Polizist. Ein Haftbefehl sei in der Regel auch nur das Ende vom Lied. Meistens gab es vorher zahlreiche Verhandlungen und schriftliche Aufforderung. Trotzdem würden einige Leute den Anweisen der Behörden nicht nachkommen. Einige Leute sind auch einfach verzogen und im Ausland.

Die Frau am Bahnhof von Aschersleben wurde schließlich von den Polizeibeamten festgenommen und ins Bundespolizeirevier in Halberstadt mitgenommen. Nach einigen Telefonaten zahlte schließlich die Schwester die Geldstrafe der Frau, die daraufhin das Polizeirevier wieder verlassen konnte. Wie oft allerdings Kommissar Zufall den Beamten auf so eine Weise in die Hände spielt, darüber gibt es nach Aussagen der Polizeiinspektion Magdeburg keine Erkenntnisse.