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Märchenbilder Jetzt dauern die Führungen länger

Es gibt eine neue Ausstellung im Soleturm Bad Salzelmen: Märchenbilder von Anne-Katrin Baum - mit erotischen Aspekten.

Von Ulrich Meinhard 01.08.2017, 05:00

Schönebeck l Es war einmal ... Gefühlt fangen alle Märchen so an. Stimmt aber nicht. Gefühlt sind sie alle für Kinder geschrieben. Stimmt auch nicht. So, wie sie einst überliefert wurden, nämlich von Mund zu Mund, weisen einige der Texte recht derbe oder auch frivole Formulierungen auf, andere enthalten erotische Anspielungen. Wer die von den Brüdern Jacob und Wilhelm Grimm zusammengetragenen Märchen aus der Erstauflage liest, dürfte erstaunt sein. Das ist eher nichts für Kinder. Die Bereinigung erfolgte im Jahre 1812 nach allgemeiner Kritik.

Für die Urfassungen allerdings interessiert sich die in Magdeburg lebende Künstlerin Anne-Katrin Baum. Von den Originalen ließ sie sich inspirieren und schuf bislang 50 Bilder, die sind seit dem 29. Juli im Soleturm in Bad Salzelmen zu sehen und zu bestaunen. Es ist die erste vollständige Präsentation dieser Kunstwerke, die bisher unter anderem in der Feuerwache in Magdeburg, in einem Geschäft in Wolmirstedt und in Muckys Fahrrad- und Bikertreff in einem Wald bei Pretzien zu sehen waren. Für die Verantwortlichen der Flurgalerie Eisenbart in Magdeburg waren die Bilder nichts: zu viele nackte Körper lautete die Begründung, wie Anne-Katrin Baum während der Vernissage am 29. Juli in Schönebeck erklärte.

Der Platz hat bisher noch nie ausgereicht, um alle Bilder zur Schau zu stellen - das ist jetzt im Soleturm der Fall. Während der Ausstellungseröffnung gab Anne-Katrin Baum einen Einblick in die Entstehungsgeschichte ihrer Märchenbilder.

Angefangen hat alles vor ein paar Jahren mit dem 70. Geburtstag ihrer Mutter. Als Geschenk gestaltete die Tochter einen mit Märchenmotiven versehenen Stammbaum. Es folgte der 80. Geburtstag des Vaters. Der erhielt ein selbst gestaltetes Märchenbuch. Bei diesen Arbeiten stieß Anne-Katrin Baum auf die erotischen Aspekte in den Märchen – und empfand sie als Quelle von Kreativität.

Während der Vernissage unternahm sie mit ihren Gästen einen Ausflug in die Entstehungsgeschichte der Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Eigentlich hatten die beiden dem Dichter Clemens Brentano die gesammelten Texte zugearbeitet. „Brentano verlor aber um 1810 offenbar die Lust. So haben die Brüder die Märchen selbst herausgegeben.“

Die Erstauflage bekam derart viel Kritik ab, dass Jacob und Wilhelm Grimm begannen, die Märchen zu bearbeiten und eher kindgerecht umzuschreiben. Als 1825 eine neue Auflage erschien, „begann der Siegeszug dieser Märchen“, weiß Anne-Katrin Baum.

Erhebungen zufolge sind die Hausmärchen das in Deutschland meistgelesene Buch - nach der Bibel. „Die Märchen sind die erste Begegnung von Kindern mit der Literatur“, schätzt die Künstlerin ein.

Zur Eröffnung der Exposition erschien überraschend die Märchenpolizei. „In krimineller Weise versuchen Sie hier Märchen zu veröffentlichen, die für unsere Kinder gar nicht gut sind“, lautete der Vorwurf von Inspektor Schulze (alias Thomas Dube) gegenüber der Künstlerin. Er inspizierte daraufhin die gesamte Ausstellung - und ließ, beeindruckt von der Strahlkraft der Bilder, Gnade vor Recht ergehen. „Da will ich mal nicht so sein“, meinte der Polizist, der besonders vom keineswegs unerotischen Bild Schneeweißchen und Rosenrot zu schwärmen begann...

Anne-Katrin Baum ist Hobbymalerin. Ihren Lebensunterhalt verdient sie mit ihrer Arbeit als medizinisch-technische Assistentin am Universitätsklinikum Magdeburg. In einer vom Solepark verbreiteten Mitteilung heißt es beruhigend: „Auch wenn die Bilder von Froschkönig, Rapunzel und Sterntaler einen Hauch Erotik aufweisen - jugendfrei und stubenrein sind sie allemal. Wogegen von der Gewalt, die in Grimms Märchen häufig vorkommt, jede Spur fehlt.“

Im Soleturm sind die Bilder von Anne-Katrin Baum bis 22. Oktober zu sehen, der Eingang ist über das Gelände des Kunsthofes möglich. Gezeigt werden auch andere Motive, vornehmlich Frauenbilder. Diese sind käuflich zu erwerben - die Märchenbilder hingegen nicht. Geöffnet ist die Ausstellung dienstags bis sonntags sowie an Feiertagen von 13.30 bis 18 Uhr im Rahmen der Öffnungszeiten, für Gruppen nach Absprache auch anderweitig. Der Eintritt ist frei - Spenden können gerne gegeben werden.

Solepark-Mitarbeiterin Andrea Silber, die gemeinsam mit Anne-Katrin Baum die Ausstellung eröffnete, hat mit Gruppen, die sie durch den technischen Teil des alten Soleturms führt, bereits eigene Erfahrungen gemacht. „Eine Führung dauert normalerweise eine Stunde, das schaffe ich jetzt nicht mehr. Die Gäste bleiben einfach lange vor den Bildern stehen.“

Tipp: Im Eigenverlag sind Kalender und Bücher mit den Märchenbildern von Anne-Katrin Baum erschienen.