Schönebecker Schützenverein Hubertus 1990 lädt am Sonnabend zum Tag der offenen Tür ein Mit fünf Schuss vom Beobachter zum Anfänger
Nachwuchssorgen plagen den Schützenverein Hubertus 1990. Mit einem Tag der offenen Tür sollen sie neue Mitglieder gewonnen werden. Und zwar indem sich die Interessenten selbst ausprobieren. Einen Vorgeschmack darauf bietet dieser Erfahrungsbericht.
Schönebeck l Wissen Sie, wie schwer es ist, die Arme nach vorn zu strecken, auf ein 25 Meter entferntes Plakat zu zielen und dabei nicht zu wackeln? Bis vor kurzem habe ich gedacht, das sei kein Problem. Denkste. Auf dem Schießstand des Schützenvereins Hubertus 1990 auf dem Hummelberg wurde ich eines Besseren belehrt. Guido Lenz und der Vereinsvorsitzende Lothar Kassuhn haben mich zu einem Probetraining eingeladen. Als neugieriger Mensch habe ich da natürlich schnell zugesagt. Genauso schnell ereilt mich aber auch die Ernüchterung. Denn der erste Schuss geht gründlich daneben.
Ich gebe offen zu, dass meine Hände ganz schön gewackelt haben. Ich hatte zuvor irrwitziger Weise geglaubt, ich könnte sie still halten. Das ist eine desillusionierende Feststellung für mich. "Es gibt nicht den perfekten Moment, nur gute Momente", sagt Guido Lenz darauf. Ob er die richtige Ruhe in sich trägt? Wahrscheinlich. Denn im Gegensatz zu mir trifft er die Scheibe. Das ist aber auch kein Wunder. Guido Lenz ist nun mal Mitglied im Schützenverein. Dreimal die Woche finden sich die Mitglieder auf dem Hummelberg ein. Mittwochnachmittags und am Wochenende, jeweils am Vormittag, wird es dann ganz schön laut.
"Ohrenschützer sind sehr wichtig", sagt Guido Lenz. Am ehesten könne man sich das Trommelfell auf dem Schießstand kaputt machen, als dass ein Sportler andere Verletzungen davon trägt, erklärt er. Und so stehen wir also zu dritt am Schießstand, die Ohren geschützt, und vor mir liegt eine Waffe. Es ist eine Beretta. Die werden wohl von Frauen bevorzugt, erzählt mir Guido Lenz. Er hat extra die mit Gold und Silber veredelte Beretta seiner Freundin für mich mitgebracht. Schwer ist sie - eine Waffe wiegt zwischen zwei und vier Kilogramm -, und sie sieht gut aus. Guido Lenz bevorzugt die Handwaffe mit dem Namen "Sig Sauer". Sie ist klassisch schwarz.
Guido Lenz zeigt mir, dass ich beim Schießen breitbeinig stehen sollte. "Den Oberkörper nach vorn beugen", erklärt er weiter. Das sieht zwar komisch aus, aber ich bin ja nicht zum Gut-Aussehen auf dem Schießstand. Die Waffe soll ich mit beiden Händen umfassen. Und dann heißt es: zielen. Die Arme nach vorn gestreckt, die Scheibe anvisiert und abdrücken. Das ist einfach gesagt, eigentlich auch einfach ausgeführt. Aber das Zielen will nicht so richtig funktionieren.
"Man benötigt Konzentration", nennt Guido Lenz das, was ein Schütze am besten als Eigenschaft mitbringen sollte und das, was das Vereinsmitglied trainiert. "Das ist das Schöne an diesem Sport, man muss keine körperlichen Voraussetzungen mitbringen", erzählt Lenz. Das geht sogar so weit, dass Männer und Frauen nicht in getrennten Kategorien in den Wettbewerb gehen. Im Schießsport treten beide Geschlechter jeden Alters gegeneinander an.
Die für diesen Sport notwendige Konzentration ist bei mir offensichtlich noch nicht ausgeprägt. Der erste Schuss geht komplett daneben. Irgendwo im Nirgendwo, vielleicht könnte er in der eigentlich für Patronen vorgesehenen Sandwand hinter dem Ziel gelandet sein. Der zweite endet in der Scheibe, im weißen Teil. Der dritte ist schon wieder ein besonders gelungener Schuss: Er geht gen Himmel. Guido Lenz sagt nur: "Jetzt wissen Sie, warum wir hier so viel Holz drumherum haben."
Das stimmt. Jetzt fallen mir die zahlreichen Balken auf. Sie fangen die Munition auf, die völlig daneben geht. Bei meinen weiteren Schüssen sind diese Balken aber nicht mehr nötig. Sie landen zwar nicht im Schwarzen, aber sie gehen zumindest geradeaus.
"Jetzt sind Sie vom Beobachter zum Anfänger geworden", sagt Guido Lenz. Soll wohl heißen, dass meine letzten Versuche nicht ganz so schlecht gewesen sind. Naja, für mich ist es trotzdem ernüchternd. Aber gut, man muss ja nicht gleich ein Naturtalent sein. Guido Lenz und Lothar Kassuhn treffen schließlich nur so gut, weil sie diesen Sport schon seit Jahren betreiben.
Der 71-jährige Lothar Kassuhn beispielsweise ist das Urgestein des Vereins. Seit 1969 ist er der Präsident. Nach der Wende hat er den Schönebecker Schützenverein neu gegründet. "Wir waren der erste eingetragene Verein in Sachsen-Anhalt", erinnert Kassuhn. Das Gründungsdatum: 9. November 1990. Damals zählte der Verein 47 Mitglieder, heute sind es 140.
Das klingt viel, und trotzdem haben die Schönebecker Schützen Nachwuchssorgen. Mich werden sie wohl nicht anwerben, mein Talent lässt zu wünschen übrig. Wobei es in diesem Verein nicht nur um den Erfolg geht. Der Spaß an der Sache steht im Vordergrund. Guido Lenz sagt: "Unsere Mitglieder müssen nicht an Wettkämpfen teilnehmen, aber der eigene Ehrgeiz bringt sie meist dazu."
So wird Lothar Kassuhn, der sich auf die Jagddisziplinen und Wurfscheibe spezialisiert hat, am Wochenende an den Landesmeisterschaften teilnehmen. "Ich hoffe, dass wir unter die ersten Zehn kommen", nennt er das Ziel der startenden Mannschaft. Guido Lenz, der Pistole, Revolver und Gewehr präferiert, ist hingegen auf dem Schießstand. Denn der Verein lädt am Sonnabend, 1. Juni, von 10 bis 16 Uhr zum Tag der offenen Tür ein. Grund: "Wir wollen neue Mitglieder für uns gewinnen." Die Schützen plagt eben dasselbe Problem wie viele andere Vereine auch. Nur haben sie eine Hürde: Sie können die Jugend nicht wirklich für sich gewinnen. "Unter 14 Jahren darf man nicht schießen", nennt Lenz eine gesetzliche Regelung. Ab 14 Jahren darf mit Erlaubnis der Eltern Kleinkaliber und mit 16 Jahren Großkaliber geschossen werden. Erst ab 18 Jahren dürfen sich junge Menschen eigenständig für diesen Sport entscheiden.
Hinzu kommt - damit halten Kassuhn und Lenz nicht hinterm Berg: Der Schießsport ist kostenintensiv. Für eine Waffe müssten mindestens 1000 Euro investiert werden.
Der Tag der offenen Tür auf dem Schießstand der Hubertus-Schützen beginnt um 10 Uhr. Bis 16 Uhr können sich Interessenten ausprobieren.