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Ostelbien Muss Muckys Biergarten weg?

Der Pretziener Biergarten Muckys Fahrrad- und Bikertreff ist Kult. Doch der neue Mietvertrag lässt die langjährige Inhaberin verzweifeln.

Von Jan Iven 17.09.2020, 06:49

Pretzien/Egeln l Muckys Fahrrad- und Bikertreff ist zumindest optisch eigentlich ein Trödelmarkt, auch wenn die vielen Souvenirs nicht verkäuflich sind. Ganze Kolonien von Gartenzwergen heißen die Besucher in dem Biergarten willkommen. Hinzu kommen zahlreiche Schaufensterpuppen, Straßenschilder und Bierkrüge, die die Stammgäste als Geschenk mitgebracht haben und die fein säuberlich an der Wand des ehemaligen HO-Marktes aufgehängt wurden. Zeichnungen von kleinen zufriedenen Besuchern zieren die Wände. Stolze Eltern haben der Inhaberin Kornelia Hamm Fotos ihrer neugeborenen Kinder mitgebracht. Auf einem Bilderrahmen steht: „Neuer Stammgast“. Bei Muckys geht es familiär zu.

Muckys Treff ist ein beliebter Biergarten, vor allem bei Fahrradfahrern und Dauercampern. Jeden Monat kommt eine Gruppe Reiter vorbei. Für die Pferde hat Kornelia Hamm zwei Anbindebalken aufstellen lassen, wie vor einem Saloon. Der Name Mucky stammt von ihrem Schwiegervater. Russische Soldaten konnten dessen Vornamen „Klaus“ nicht aussprechen und nannten ihn daher Mucky. Seitdem heißt die ganze Familie so.

Doch nach elf Jahren als Inhaberin des Biergartens, nach einem verheerenden Feuer und dem Wiederaufbau des Betriebes, nach langwierigen Gerichtsverhandlungen und dem Tod ihres Mannes, ist Kornelia Hamm mittlerweile mit den Nerven ziemlich am Ende. „Aber kampflos gebe ich nicht auf. Um‘s Verrecken nicht“, sagt die Egelnerin, die früher in ihrer Heimatstadt Muckys Grillstube betrieben hat. Der Grund für ihre Wut ist allerdings erst auf den zweiten Blick nachvollziehbar.

Nach jahrelangem Hin und Her um die Besitzverhältnisse hat die kommunale Naherholungsgesellschaft als Eigentümerin des Grundstückes der Gastronomin nun einen Mietvertrag mit einer Laufzeit über zwei Jahre angeboten. Hamm könnte ihren Biergarten also eigentlich einfach weiterführen, sofern sie unterschreibt.

Doch so einfach ist es nicht, zumindest nicht aus Sicht der Wirtin. „Ich möchte das Grundstück kaufen und habe das der Stadt auch schon vor fünf Jahren schriftlich mitgeteilt“, sagt Kornelia Hamm. Eine Antwort habe sie nie erhalten. Ein Vertrag über zwei Jahre reiche ihr nicht, es müssten mindestens zehn sein. Denn im Laufe der Jahre habe sie mehr als 100.000 Euro in den Biergarten investiert, allein die Küche habe 40.000 Euro gekostet. Daher möchte sie endlich Gewissheit und Sicherheit für ihren Betrieb haben. Zwar werde die 67-Jährige vermutlich nur noch einige Jahre weiter arbeiten. Doch tatsächlich bereitet sie bereits eine Unternehmensnachfolge vor und wünscht sich daher Planungssicherheit.

Außerdem macht sie sich Sorgen, dass die Miete in zwei Jahren mit einem neuen Vertrag erneut erhöht werden könnte. Bereits bei der letzten Umwandlung ihres bisherigen Pachtvertrages in einen Mietvertrag hatten sich ihre monatliche Zahlungen von 104 Euro auf 190 Euro erhöht. Das sei zwar verschmerzbar gewesen, aber mehr sollte es nun auch nicht mehr werden.

Kornelia Hamms Wunsch nach Sicherheit hat auch mit der wechselhaften Geschichte von Muckys Biergarten zu tun. Drei Jahre nachdem sie und ihr inzwischen verstorbener Mann das Lokal übernommen hatten, brannte es bis auf die soliden DDR-Betonwände nieder. Der vermeintliche Vorbesitzer, von dem das Ehepaar den Biergarten gepachtet hatte, verfügte über keine Versicherung. In großen Welle der Solidarität konnte das Lokal mit Hilfe von zahlreichen Spenden wieder aufgebaut werde.

Doch kaum war das Gebäude saniert, fordert es der Verpächter zurück. So zumindest berichtet es Kornelia Hamm. Die Sache mündete in einem jahrelangen Rechtsstreit, den das Ehepaar schließlich für sich gewinnen konnte. Doch der Streit hat seine Spuren bei Hamm hinterlassen.

Unterdessen wurde festgestellt, dass das Gebäude nach bundesrepublikanischem Recht ebenfalls dem Grundstückseigentümer gehören. Die bisherige Trennung nach altem DDR-Recht war nicht mehr möglich. Und das Grundstück gehörte der kommunalen Naherholungsgesellschaft, die von nun an die Pacht für den Biergarten kassierte. Inzwischen bietet die Gesellschaft der Wirtin den neuen Mietvertrag an. Doch die Frist für die Urschrift ist bereits am 15. August abgelaufen, ohne das Kornelia Hamm unterschrieben hat. Streng genommen müsste sie das Grundstück nun eigentlich räumen.

Im Rathaus herrscht deswegen eine gewisse Ratlosigkeit. Über ein mögliches Kaufinteresse von Kornelia Hamm sei dort nichts bekannt, heißt es. Auf einen langfristigen Vertrag oder gar einen Verkauf möchte sich die Verwaltung auch nicht wirklich festlegen. „Der Stadtrat hat sich grundsätzlich gegen einen Verkauf von Grundstücken im Naherholungsgebiet ausgesprochen“, sagt Schönebecks Oberbürgermeister Bert Knoblauch. Daher sei die Verwaltung da inzwischen eher zurückhaltend. Es sei unklar, wie sich das Naherholungsgebiet in Zukunft weiter entwickeln werde.

Das ganze Verfahren hängt derzeit etwas in der Luft. Die Stadt sucht nun nach der schriftlichen Kaufanfrage von Kornelia Hamm. Die SPD-Fraktion hat unterdessen bei der Verwaltung nachgefragt, inwiefern eine einvernehmliche Lösung mit Kornelia Hamm gefunden werden könne.

Die Wirtin gibt sich weiter kämpferisch. Muckys Fahrrad- und Bikertreff ist ihr Lebenswerk. All ihre Erinnerung bewahrt sie dort auf. Im Garten steht das letzte Paar Schuhe ihres verstorbenen Mannes auf zwei Keramikelefanten. In den Schuhen wachsen Blumen. „Ich gehe hier nicht weg“, sagt Kornelia Hamm.