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Naturschutz Eichen im Glinder Elbvorland verstümmelt

Warum wurden in den Elbauen bei Glinde von stehenden Eichen und Eschen bis zu 30 Zentimeter starke Äste abgesägt?

Von Thomas Linßner 08.03.2018, 03:00

Glinde l Die Elbauen bei Ranies, Barby und Glinde zeichnen sich durch einen besonderen Naturschatz aus. Es sind mächtige Solitäreichen, die unsere Vorfahren vor zwei, drei Jahrhunderten als sogenannte Hutungseichen pflanzten. Eicheln waren für Schweine und Schafe Leckereien.

Die knorrigen Bäume bieten bis zu 300 Insekten-, Vogel- und Säugetierarten Lebensraum. Kein anderer Baum vereinigt so viele Lebewesen. Die importierte Platane, die durch ihre stachligen Früchte und den nackten Stamm auffällt, beherbergt beispielsweise nicht eine einzige Art.

„Die alten Bäume haben dutzende Hochwasser, zwei Weltkriege und die sozialistische Planwirtschaft überlebt. Nun hat es jemandem gefallen, mindestens 15 Bäume in zwei bis vier Metern Höhe ihres Astwerkes zu berauben“, beklagt Susanne Hornemann aus Glinde. Vor Ort stellt man schnell fest, dass nicht nur an alten Eichen, sondern auch bei Eschen und Weiden die Motorkettensäge angesetzt wurde. Ein Grund, warum die Bäume zum Teil verstümmelt wurden, ist auf den ersten Blick nicht erkennbar.

Doch die Glinderin hat einen Verdacht: Der Verursacher will das Holz verheizen. Weil der Motorkettensägenlärm im Dorf unüberhörbar war, hätten Besitzer der Weideflächen den Mann angesprochen und aufgefordert, die Bäume in Frieden zu lassen. Was auch geschehen sei - der Großteil des Holzes war zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits abgefahren.

Susanne Hornemann teilte mit, dass die untere Naturschutzbehörde des Salzlandkreises über den Vorfall informiert wurde.

Eva Beyer, Sachgebietsleiterin für Natur- und Artenschutz, bestätigt diese Aussage. „Die Rückschnittarbeiten an den Eichen waren der Naturschutzbehörde bis dahin nicht bekannt und sind auch nicht genehmigt worden. Nach Aussagen von einigen Eigentümern und Nutzungsberechtigten der Flächen sind die Arbeiten auch von niemandem beauftragt worden“, sagt sie.

Die untere Naturschutzbehörde prüfe den Vorgang und werde den Verursacher zur Stellungnahme auffordern. „Im Ergebnis dieser Anhörung, möglicherweise auch nach Durchführung eines Ortstermins, werden wir entscheiden, ob ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet werden muss“, meint die Sachgebietsleiterin.

Die Umweltbehörde hebt nicht zum ersten Mal hervor, „dass es sich bei den Elbwiesen rings um Glinde grundsätzlich um einen sehr wertvollen Bereich handelt“. Diese Flächen unterliegen bereits als FFH-Gebiet (spezielles europäisches Schutzgebiet in Natur- und Landschaftsschutz) „Elbaue zwischen Saalemündung und Magdeburg“ einem besonderen Schutz. Die Wiesen entlang der Elbe lägen außerdem im Landschaftsschutzgebiet „Mittlere Elbe“. „Diese Wiesen haben auch eine herausragende Bedeutung für den Artenschutz“, so Beyer.

Es würden regelmäßig die Feldlerche und andere Wiesenbrüter kartiert. Die Pappelreihen würden von Greifvögeln wie dem geschützten Rotmilan als Horstbäume genutzt. Auch die einzeln stehenden Eichen innerhalb des Überschwemmungsgebietes hätten eine große Bedeutung als Höhlenbäume. „Insofern ist in einem solchen für Natur- und Artenschutz wertvollen Raum ein sensibles und verantwortungsvolles Verhalten in der freien Landschaft für jedermann erforderlich“, mahnt die Naturfachfrau.

Wie aber müssen sich Bürger verhalten, wenn sie loses (Brenn-) Holz in den Elbauen bergen wollen? In Barby kam es im vergangenen Jahr zu einer Anzeige durch den Eigentümer, als umgestürzte Eichen zersägt und abtransportiert wurden.

Die Umweltbehörde dazu: Stehendes aber auch frei liegendes Totholz wie umgestürzte Eichen sollen aus Sicht des Artenschutzes in der Regel erhalten werden. Sie böten Lebensraum für zahlreiche Tierarten, die in ihrer Lebensweise auf die Zerfallsprozesse des Holzes angewiesen sind.

Kollidiert das nicht mit dem Hochwasserschutz? Eva Beyer: „Die Prüfung, ob Gehölze oder Totholz im Überschwemmungsgebiet ein Problem für den Hochwasserschutz darstellen, erfolgt regelmäßig bei den Deichschauen mit dem Landesbetrieb für Hochwasserschutz und wird auch in diesem Rahmen abgestimmt.“