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Neuer Elbdüker Ferngasleitung mit Hindernissen

Ein 240 Meter langer Düker der neuen Ferngasleitung wurde jetzt durch die Elbe bei Breitenhagen gezogen. Ein Report.

Von Thomas Linßner 17.11.2019, 08:02

Breitenhagen/Tochheim l So kann es gehen, mit den Naturgewalten. Ursprünglich will die Ontras am 7. November den mächtigen Gas-Düker durch die Elbe ziehen lassen. Doch Stunden zuvor kommt die Absage: Zu wenig Wasser unter dem Kiel.

Das Baggerschiff aus Genthin kann nicht sicher in den Uferbereichen arbeiten. Für den Festakt sind ein Partyzelt und Catering bestellt. Die geladenen Gäste sollen aus sicherer Entfernung, aber mit warmen Füßen und guter Laune, einen Einblick in das Montagegeschehen erhalten.

„Wir müssen den Termin verschieben. Sie kriegen Bescheid. Das kann allerdings auf die Schnelle passieren“, muss Pressesprecher Ralf Borschinsky am 7. November alle Gäste inklusive Medien wieder ausladen ...

„Heute wird der Düker gezogen“, bekommt die Volksstimme wirklich ganz kurzfristig einen Tipp. Es ist der 14. November. Das Wetter ist freundlich. Die Auen sind herbstlich gelb-braun gefärbt, die Sonne scheint. Kurz zuvor haben ein paar Reitsportfreunde ihre Pferde von der Wiese in das Winterquartier gebracht. Sie standen am Rand der Baustelle, wo heute mächtig „Action“ sein soll.

Die Breitenhagener verfolgen das Baugeschehen seit Monaten interessiert von der Deichkrone aus. Durch den Buschfunk haben sie auch die heutige Aktion spitz gekriegt. Oben steht das Publikum, unten, auf der Elbwiese, schaffen sich die Akteure.

Pressesprecher Borschinsky hat keine Zeit, erneut alle Gäste einzuladen. Der Elbepegel ist soweit gestiegen, dass das 220 Tonnen schwere Düker-Monstrum gezogen werden kann. Und das ist das Wichtigste. Der Winter naht, man weiß nie, wie sich die Elbe verhält.

Die Baustelle gibt ein imposantes Bild ab. Vier Mobilkrane haben ihre Ausleger „lang gemacht“. Einer von ihnen ist ein Koloss, der 200 Tonnen heben kann. Sie sollen den Düker sanft anheben, die Ausleger dann in Zugrichtung leicht mitführen. Am Ostufer steht eine Hydraulikwinde, die über einen Generator mit Strom versorgt wird.

„Der etwa 240 Meter lange Düker aus Spezialstahl wurde an Land vorgefertigt. Zur Beschwerung hat man ihn mit Beton ummantelt, damit er später im Betrieb nicht aufschwimmen kann“, erklärt Ontras-Pressesprecher Ralf Borschinsky, der gerade aus Leipzig angereist ist. Obwohl es sich um eine tonnenschwere Rohrtrasse handelt, könnte sie - wenn Gas durch sie strömt - leichter werden und sich aus dem Elbegrund lösen.

Die Leitung wird mit einem Betriebsdruck von 25 bar „gefahren“. Zum Vergleich: ein Pkw-Rad ist mit etwa 2,5 bar gefüllt. Deswegen der dicke Betonmantel. Das Druckrohr, das mit seinem Aufbau an einen Hot Dog erinnert, ist auf hunderten Rohrrollen gelagert. Sie sollen das Gleiten erleichtern, wenn am Ostufer die Winde zieht. „Das erinnert mich ein bisschen an den Bau der Pyramiden“, grinse ich, um gleich anzufügen, dass das ganz und gar nicht despektierlich gemeint sei. Ralf Borschinsky, der als Berliner derartige kecke Vergleiche gewöhnt zu sein scheint, nickt knapp.

Er hat für mich Warnweste, Helm und Arbeitsschutzschuhe mitgebracht. „Ohne diese Ausstattung dürfen Sie keinen Meter über die Baustelle gehen“, mahnt er. Und wirklich. Eine Dame und ein Herr in vorbildlicher Schutzmontur haben uns bereits auf dem Schirm. Es sind Marion Holtrup und Michael Hoffmann von der technischen Bauüberwachung aus Potsdam.

Sie haben ein (extrem) wachsames Auge, dass die Sicherheit eingehalten wird. Die Beiden gehören zu einem externen Büro für Arbeitssicherheit und Baubetreuung. Ich kriege sogar für meinen Bauhelm einen Aufkleber, der wie eine TÜF-Plakette aussieht. Sie berechtigt mich zum Betreten dieser Baustelle.

Marion Holtrup weicht mir keinen Schritt von der Seite, als wir Richtung Elbe gehen. „Nicht so dicht am Gegengewicht des Autokrans vorbei! Bitte Abstand zur Böschung halten!! Vorsicht, hinter Ihnen liegt ein Stück Holz!!!“ Als sie ein paar Meter vor der Elbe wie angewurzelt stehen bleibt, weil hier das Naturschutzgebiet beginnt, kann ich mir den Einwurf nicht verkneifen: „Ist das nicht alles ein bisschen übertrieben? Früher, auf DDR-Baustellen war man da nicht so penibel.“ „Aber da gab es doch auch Überprüfungen durch Sicherheitsinspektoren“, kontert Marion Holtrup. „Ja, das waren oft ehemalige NVA-Offiziere, die nach dem Armee-Dienst einen Posten bekamen“, erinnere ich an meine VEB-Zeit. (Was keinerlei abwertend gemeint sein soll!)

Jedenfalls ist 30 Meter vor der Elbe Feierabend. Die Sicherheitsfrau scheucht auch alle anderen 25 Gelb- und Neon-Warnwesten wie eine Schar Hühner vor sich her, um den heiklen Bereich zu verlassen.

In der Elbe bewegt sich seit Stunden eine Motorschute hin und her, auf der ein Bagger immer wieder den Unterwasser-Rohrgraben in Form bringt. Darin soll der Düker versenkt werden, wenn es soweit ist. Der von Beton ummantelte, Kunststoff beschichtete 500 Millimeter starke „Hot Dog“ muss am Ende 2,50 Meter unter der Gewässersohle liegen. Die Wasserbaufirma baggert quasi vom West- zum Ostufer der Elbe einen Graben, dessen Verlauf und Tiefe per GPS ständig vermessen und nach erfolgreicher Verlegung wieder verfüllt wird. Doch so weit ist es noch nicht.

Mittlerweile haben sich zwei Männer unter das Montage-Volk gemischt, deren Arbeitskleidung etwas abweicht: Sie tragen Schwimmwesten und Wathosen. Es sind Robin Röhrig und Benjamin Elbermann von einem Vermessungsbüro aus Dresden. Beide achteten noch kurz zuvor per Echolot vom Schlauchboot aus darauf, dass der Unterwasser-Rohrgraben alle vorgegebenen Koordinaten erfüllt.

Die Beiden sind zufrieden, geben grünes Licht. Vom Ostufer wird jetzt eine Stahltrosse zum Westufer geschleppt, die imposante 60 Millimeter stark ist. Ein Bagger soll sie zum Anfang des Dükers ziehen, an dem ein starker Schäkel auf Verknüpfung wartet.

Doch wie so oft auf dem Bau steckt der Teufel im Detail. Ein zwei Meter hoher Bauzaun, der über die ganze Dükerlänge verläuft, erschwert die richtige Platzierung der Trosse. Immer wieder versucht der Bagger, das Seil darüber zu heben. Das dauert.

Währenddessen inspizieren Ralf Borschinsky und Dietmar Wagner einen Schrotthaufen. Wagners Firma ist für den Korrosionsschutz der Druckleitung zuständig. Der 58 Jahre alte Bitterfelder ist ein alter Hase in der „Pipeline-Familie“ wie er die heutige Firmen-Mixtur nennt. Man kenne sich untereinander, treffe sich oft bei solchen Aktionen wie jetzt. Die Männer betrachten die „Ballastierung“ der alten Leitung von 1963.

Was heute der geschlossene Betonmantel erwirkt – nämlich das Rohr auf dem Grund zu halten – waren vor 56 Jahren einzelne Segmente aus Beton und Stahl, die wie Schlitten aussehen. Sie wurden im Abstand von 20 Metern unter das Rohr geschraubt und dann durch die Elbe gezogen.

Sieben „Ballastierungen“ wurden bei der Demontage des alten Druckrohrs aus der Elbe geholt. Einer liegt seit 1963 unversehrt im Gebüsch. „Der war damals übrig, den haben die einfach in der Natur liegen gelassen“, weiß der Breitenhagener Heimatgeschichtler Bernd Albrecht, der zu den Zuschauern auf dem Elbdamm zählt.

Apropos, Natur. Während der Raupenbagger noch immer versucht, die Stahltrosse über den Bauzaun zu fädeln, erzählt Ralf Borschinsky von den Vorbereitungen der „Dükerung“. Es mussten nicht nur zahlreiche Absprachen getroffen werden - so ist die Schifffahrt zum Beispiel gesperrt - sondern auch eine Unmenge von Genehmigungen eingeholt werden. Unter anderem sorgte sich die ökologische Bauleitplanung für Naturbelange. Schließlich wird in einem Naturschutzgebiet gebaut; die Kernzone des Biosphärenreservates ist nicht weit.

Es ist 14 Uhr. So langsam „scheuern die Schläuche“, wie einer der Monteure salopp sein Hungergefühl definiert. „Ist hier in der Nähe irgendwo eine Kneipe, wo man etwas zu Essen bekommt?“, will er wissen. Doch in den nächst gelegenen Orten wie Breitenhagen oder Lödderitz gibt es keine gastlichen Oasen mehr. Auch keinen Supermarkt.

Endlich ist das Stahlseil mit dem Düker verbunden. Die Winde auf der ostelbischen Seite zieht an. Der „Hot Dog“ bewegt sich langsam. Endlich! Doch nach etwa 16 Metern ist Feierabend. Die Winde schafft es nicht mehr ...

Der Grund: Die unter dem Düker verlegten Eisenrollen – sie bewegen sich auf einer Blechschiene – lassen die erhoffte Gleitfähigkeit vermissen. Der lehmige Auenboden blockiert sie zum Teil. Infolge des steigenden Widerstands hat die Winde zunehmend Schwierigkeiten, einen gleichmäßigen Zug aufrecht zu erhalten. Der junge Bauleiter Jan Gutscher muss das Handtuch werfen.

Den Hauptakteuren auf der Baustelle sieht man an, dass sie schon erfreulichere Momente in ihrem Leben hatten. Auch die Zuschauer auf dem Deich trollen sich enttäuscht.

Unter ihnen ist auch wieder Bernd Albrecht. Er erinnert sich daran, wie das war, 1963, als an dieser Stelle schon mal „Action“ war. „Damals haben die Russen den Düker mit ein paar Panzern durch die Elbe gezogen.“