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Einen Tag als ... Polizei in Calbe: Auf dem Video sehe ich den Diebstahl

Die Berufswelt ist vielfältig. Was verbirgt sich hinter welcher Tätigkeit? Volksstimme-Redakteure schnuppern in der Sommerserie „Einen Tag als ...“ in so manch interessanten Beruf hinein. Heute Thomas Höfs als Regionalbereichsbeamter der Polizei in Calbe.

23.08.2023, 14:03
Auf dem Beifahrersitz darf ich im Streifenwagen Platz nehmen und die Tour begleiten. Dabei wird der Job nie langweilig, glaube ich schon nach den ersten beiden Stunden bei der Polizei.
Auf dem Beifahrersitz darf ich im Streifenwagen Platz nehmen und die Tour begleiten. Dabei wird der Job nie langweilig, glaube ich schon nach den ersten beiden Stunden bei der Polizei. Foto: André Bellmann

Thomas HöfsCalbe - Das Dienstzimmer im ersten Obergeschoss im kleinen Rathaus in Calbe ist nicht so leicht zu finden. Aber nach einer Nachfrage in einem Büro sagen mir die Damen dort, wo ich die Polizei finden kann. „Das ist auf der gegenüberliegenden Seite des Flures“, sagen sie. Dort erwartet mich Regionalbereichsbeamter André Bellmann. „Ich habe das Fenster erst einmal geöffnet“, zeigt er auf den großen offenen Fensterflügel. „Heute Morgen, als ich in das Büro gekommen bin, waren hier 29,5 Grad“, sagt er. Nachmittags scheint die Sonne voll durch das riesige Fenster und wärmt die Luft im Raum auf tropische Temperaturen auf.

Zu Beginn seiner Schicht, sagt er mir, schaue er sich zunächst einmal im System alle Einsatzberichte der vergangenen Stunden an. Dann sei er auf dem Laufenden. Für den frühen Vormittag hat er für uns beide schon einige Aufgaben geplant. Zunächst habe er zwei Ersuchen zur Aufenthaltsermittlung von in Calbe gemeldete Personen. „Da fahren wir gleich mal vorbei“, sagt er. Staatsanwaltschaften haben die Polizei gebeten die Adressen zu überprüfen, erklärt er weiter. Das geschehe, wenn die Justizbehörden keine Schreiben zustellen können. Die ersten Adresse befindet sich im Brotsack. „Ken Name am Briefkasten“, zeigt André Bellmann auf die Blechkiste am Eingang. Das Haus sieht bewohnt aus. Ein Fahrrad lehnt an der Hauswand, der Grill vor der Tür scheint erst kürzlich benutzt worden zu sein. Auf das Klingeln des Hauptkommissars reagiert allerdings niemand.

Weitere Kontrollen

Die zweite Adresse liegt hinter dem Wohngebiet Hänsgenhoch. Der Mann ist dem Beamten bekannt. In einem Holzhaus soll der Mann wohnen. Weil es keine Klingel gibt, ruft André Bellmann den Namen des Mannes. Auch hier erfolgt keine Reaktion. Das Grundstück wolle er nicht betreten, sagt er. Das wäre nicht verhältnismäßig.

Informiert hat er sich ferner über zwei Einwohner der Stadt, die vorübergehend ihren Führerschein abgeben mussten. Die Adressen der beiden Calbenser werde er in den kommenden Wochen immer im Hinterkopf haben und auf die Fahrzeuge und die Kennzeichen achten. In der Vergangenheit hatte er bereits Bürger, die trotz des eingezogenen Führerscheins mit ihrem Auto unterwegs waren. Einmal habe er einen Bürger erwischt, der gleich sein Auto angehalten habe, als er das Polizeifahrzeug erblickte. „Bei der zweiten Begegnung reagierte der Mann anders. Er fuhr davon, und ich musste ihn durch die halbe Stadt verfolgen“, erinnert sich André Bellmann noch gut.

Für den eingezogenen Führerschein habe sich dies weniger gut ausgewirkt. Dabei wollte der Mann nur einen kleinen Weg erledigen. Warum er dazu nicht zu Fuß ging, versteht der Beamte nicht.

Einen Abstecher gibt es danach in der Grundschule. Vorher wird noch Stephan Lähne, der Inhaber des Edeka-Marktes in der Stadt, abgeholt. Der Händler hat für die Grundschüler der 1. Klassen Brotdosen gesponsert und zusammen mit der Polizei befüllt. Gemeinsam werden sie an die Kinder verteilt. Anschließend geht es zurück in den Edeka-Markt. Stephan Lähne hat eine Strafanzeige vorbereitet, die er dem Beamten übergeben will. Routine. Ein Mann, der mit seiner Tochter einkaufen war, wurde dabei gefilmt, wie er eine Packung Zigaretten im Kassenbereich in die Hosentasche steckte. Die Tochter, so zeigt es der Film, hatte die Packung aus dem Automaten angefordert, dann auf dem Band an der Kasse liegen gelassen. Anschließend steckt der hinter ihr stehende Vater die Schachtel in die Hosentasche. Und als die Verkäuferin fragt, wo die Zigaretten aus dem Automaten seien, bedeuten die beiden Kassiererin, dass die Maschine keine Zigaretten ausgespuckt habe. Neben der Anzeige bekam der Täter ein Hausverbot für 24 Monate, sagt Stephan Lähne. „Wenn er dann noch einmal in den Laden kommt, ist das Hausfriedensbruch“, erklärt er.

Hoher Schaden

Als Marktinhaber ist Stephan Lähne in der Regel mehrfach im Monat in Kontakt mit der Polizei. Geklaut werde bei ihm regelmäßig, sagt er. Den Schaden im Jahr schätze er zwischen 15.000 bis 20.000 Euro. Neben Zigaretten sei es vor allem Alkohol der gern an der Kasse vorbeigeschleust werde. Aber auch Schokolade oder Kosmetik werden gerne geklaut. Die Strafanzeige für die erwischten Täter ist dann obligatorisch. Untermauert wird dies in der Regel mit einem Überwachungsvideo. Das geht dann zur Staatsanwaltschaft.

André Bellmann (links) nimmt hier von Edeka-Inhaber Stephan Lähne eine Strafanzeige nach einem Ladendiebstahl entgegen und schaut sich das Überwachungsvideo mit ihm an.
André Bellmann (links) nimmt hier von Edeka-Inhaber Stephan Lähne eine Strafanzeige nach einem Ladendiebstahl entgegen und schaut sich das Überwachungsvideo mit ihm an.
Fotos: Thomas Höfs

Weiter geht die Fahrt anschließend durch die Stadt. Dabei hat André Bellmann immer die TÜV-Aufkleber von Anhängern und am Straßenrand abgestellten Fahrzeugen im Blick. „Alte Angewohnheit“, reagiert er auf eine Nachfrage. Sein geschultes Auge erkennt genau, ob der TÜV schon längere Zeit abgelaufen ist, ohne, dass er dazu das Fahrzeug verlasen müsste.

Während ich noch überlege, welche Farbe beim Auto bei jüngsten TÜV bekommen hat, ist er schon weiter und erkennt sogar die Zahlen auf den kleinen runden Aufklebern. Im Wohngebiet Am Hänsgenhoch steht vor einem Grundstück ein halb mit Steinen beladener Anhänger. Hier ist der TÜV schon seit mehreren Monaten abgelaufen. „Ist doch nicht so schlimm. Der Hänger steht am Straßenrand und wurde nicht bewegt“, höre ich mich sagen. „Das ist kein Problem, wenn der Hänger auf einem Privatgrundstück steht“, entgegnet André Bellmann. Stehe der Hänger im öffentlichen Straßenraum, müsse der TÜV aktuell sein. Mit seinem Smartphone macht er ein Foto von dem Kennzeichen und der Plakette. In den kommenden Tagen dürfte der Halter Post bekommen. Dabei habe er noch Glück, sagte er beim losfahren. Noch einen Monat länger und es gebe ein Bußgeld, kennt er die Vorschriften aus dem Kopf. Einige Male halten wir an diesem Vormittag neben Fahrzeugen, und er macht Fotos.

Eigentlich sollte die Bearbeitung für die Polizei schneller mit den Diensthandys funktionieren, schildert er auf die Frage, ob er sein Diensttelefon benutze. Das funktioniere in der Kleinstadt allerdings nicht immer unproblematisch, sagt er. In den größeren Städten setzten seine Kollegen die Technik öfter ein. Dort funktioniere das Zusammenspiel mit der Technik und dem Funknetz besser, begründet er.

Nur Schrittgeschwindigkeit

Bei seinen regelmäßigen Kontrollfahrten hat er ebenso immer ein Auge auf die anderen Verkehrsteilnehmer und auf deren Geschwindigkeit. Besonders im Auge hat er seit einiger Zeit den verkehrsberuhigten Bereich in der Bernburger bis zur Schloßstraße. Schrittgeschwindigkeit ist hier erlaubt. Die Polizei ist hier großzügig und bewertet die Schrittgeschwindigkeit bis zu 15 km/h. Mehrfach hatte der Regionalbereichsbeamte schon das Messfahrzeug des Polizeireviers angefordert. In der Regel gab es anschließen Fahrverbote. Schon 50 Stundenkilometer reichen dafür aus, beschreibt er. Das seien dann innerorts mehr als 30 Stundenkilometer zu schnell.

Aus Schwarz hat den Polizisten eine Beschwerde von einem Anwohner erreicht, der sich über die Geschwindigkeit der Fahrzeuge in der Ortsdurchfahrt beschwere. Vor allem aus Calbe seien viele Autos zu schnell unterwegs. Dabei gibt es gleich hinter dem Ortseingang eine Kurve, die zum langsameren Fahren zwinge, schätzt André Bellmann ein. Zudem hat die Stadt eine elektronische Tafel aufgebaut, die den Autofahrern ihr Tempo anzeigt.

Mit dem Lasermessgerät könne er hier kaum aktiv werden, schätzt er ein. Die Distanz zum Messen sei sehr knapp und gebe keine Möglichkeit, die Autofahrer anzuhalten. Wenn, dann könne nur der Messwagen zum Einsatz kommen, meint er. In den kommenden Tagen werde er dem Bürger antworten und damit auf den Hinweis und die Forderung reagieren. Immer wieder erreichen ihn Hinweise aus der Bevölkerung.

Seit seinem Wechsel vom Einsatzdienst zum Regionalbereichsbeamten im September 2019 habe sich seine Arbeit grundlegend geändert, erzählt er. Als Regionalbereichsbeamter werde er von den Bürgern als Helfer wahrgenommen und ganz anders betrachtet. Daran habe er sich zunächst gewöhnen müssen. Heute ist er von dem Job begeistert. „Das wird nie langweilig“, sagt er. Täglich treffe er auf neue Menschen und mache neue Erfahrungen.

Einmal in der Woche durch alle Orte

Einmal die Woche versuche er auch in den Ortschaften mal Streife zu fahren und sich dort sehen zu lassen. Dabei muss er über das Diensthandy auch für die Bürger immer erreichbar sein. Einen Blick hat er bei seinen Streifen auch auf den ruhenden Verkehr. Der ist eigentlich Sache der Mitarbeiter der Stadtverwaltung. „Nur bei Menschen, die Gehwege zuparken werde ich auch tätig“, sagt er. Das ärgere ihn immer sehr, wenn er auf Gehwegen achtlos abgestellte Autos sehe.

Einsatz nach Messerstecherei in der Loewestraße. Die Kollegen sind bereits da, als wir ankommen.
Einsatz nach Messerstecherei in der Loewestraße. Die Kollegen sind bereits da, als wir ankommen.
Thomas Höfs

Aus der geplanten Tour nach Trabitz wird es an diesem Tag nichts mehr. Auf der Fahrt meldet sich das Revier in Bernburg. In der Saalestadt gebe es eine Messerstecherei, lautet das Einsatzstichwort. Neben den Streifen des Polizeireviers macht sich auch André Bellmann auf den Weg in die Calbenser Innenstadt. Dabei hätte ich gar nicht gedacht, dass der Polizeiwagen so beschleunigen kann, als er auf das Gaspedal drückt. Mit Sondersignal geht es über die Landstraße und es zeigt sich dabei ein tägliches Problem für die Fahrer von Einsatzfahrzeugen. Längst nicht alle Autofahrer machen für den Streifenwagen etwas Platz. Zum Glück ist das Fahrzeug schmal und passt gerade so durch die Lücken. Die Feuerwehr mit ihren sehr viel größeren Fahrzeugen hätte hier ein großes Problem gehabt, denke ich noch, als wir uns durch die Stadt schlängeln.

Als wir am Tatort ankommen, sind die Kollegen von André Bellmann längst vor Ort. Ebenso ist der Rettungsdienst da und versorgt das Opfer bereits. Ganz schön viel Aufregung für einen Tag bei der Polizei, findet auch André Bellmann.