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Radsport in Barby Eis für kleine Friedensfahrer

Am Dienstag findet die Kleine Friedensfahrt in Barby statt. Ausrichter ist das Radsportmuseum Kleinmühlingen.

Von Thomas Linßner 23.06.2019, 17:06

Barby/Kleinmühlingen l „Das ist doch mal eine schöne Idee“, hält Horst Schäfer (65) vom Radsportmuseum Kleinmühlingen vier liebevoll gestaltete Briefumschläge wie ein Skatblatt in der Hand, in denen 5- und 10-Euroscheine rascheln. Sie werden unter den vier Siegern und - Achtung, bemerkenswert - vier Letztplatzierten der Kleinen Friedensfahrt verlost. Wer jetzt denkt, dass das Amateurrennen Friedensfahrt auf seine alten Tage die Unschuld verliert, weil schnöder Mammon angekündigt wird, irrt.

Denn das Geld aus den Kuverts soll für Eis ausgegeben werden. Für leckeres Speiseeis! Sponsor dieser netten Idee ist der Chemnitzer Rainer Baudis, der schon großer Friedensfahrtfan war, als die Stadt noch nach Karl Marx hieß. „Dem Sieger 2019 für die Kleine Friedensfahrt einen Supereisbecher“, steht auf den Umschlägen. „Deine Radsportfans Heidi und Rainer ... wünschen weitere Erfolge.“

Wer sowas macht und nicht einfach nur dem Friedensfahrt-Nestor Schäfer ein paar Scheine in die Hand drückt (was auch schön ist, aber eben nicht ganz so liebevoll), beweist Herz für den Nachwuchs.

Denn die Gestaltung der Umschläge verschlang einige Zeit.

Die süßen Preise sollen in Barby ausgelost werden, wenn am Dienstag zwischen 15.30 und 17 Uhr die Kinder durch das Wohngebiet „Spittelbreite“ strampeln werden. Wie in den vergangenen Jahren wird die Rundtour folgende Straßenzüge in Anspruch nehmen: Kastanienallee - Nelkenweg - Akazienweg - Magdeburger Tor (Parkplatz am Spielplatz). Während der Durchführung ist die Durchfahrt auf den genannten Straßen für Fahrzeuge aller Art (ausgenommen sind Fahrräder) nicht gestattet, teilt das Ordnungsamt mit.

Lokomotive der diesjährigen Rennen ist - wie könnte es anders sein - Horst Schäfer. Dessen Leidenschaft zum Radrennen unter dem blauen Banner der weißen Taube wurde im Mai 1963 durch Lehrerin Klose geweckt, die mit ihren Schützlingen zum Chausseehaus „Hamster“ (heute Bundesstraße 71) wanderte, um den Friedensfahrern zuzujubeln.

Horst war derart hin und im wahrsten Sinne des Wortes weg, dass der Dreikäsehoch beim Durchzählen der Kinder fehlte. Nach aufgeregter Suche und Rufen fand man ihn: Und zwar auf einem Apfelbaum, wo er dem entschwindenden Tross der Radfahrer fasziniert hinterher blickte. Horst vom Baum war damals so alt, wie jene Knirpse, die heute in die kleinen Friedensfahrt-Pedalen treten. Wobei für die heutigen Kinder das DDR-Kultrennen so weit entfernt scheint, wie die Schlacht im Teutoburger Wald.

Horst Schäfer bleibt ob deren fehlender Geschichtskenntnisse entspannt. „Hauptsache die Kinder bewegen sich auf dem Rad. Und wenn es beim Rennen ist, ist das noch schöner“, sagt er.

Freilich sitzt der Kleinmühlinger - auf dessen Konto der Neubau des Friedensfahrtmuseums geht - heute nicht mehr in Apfelbäumen. Dennoch hat sich seine Leidenschaft für Radrennen bis heute kein bisschen gelegt.

Neben diversen Kleinen Friedensfahrten in unserer Region exportierte der heute 65-Jährige das Format vor zwei Jahren in die Niederlande. Wovon er so ungerührt erzählt, als sei in Kleinmühlingen ein Sack Hafer am Mühlberg umgefallen. Holländische Radsportfreunde - Schäfer scheint zwischen Alaska und Feuerland Konnektion zu haben - hätten ihn zur Zusammenarbeit gedrängt. „Das läuft“, schmunzelt er, „2017 sind wir in Groningen mit 40 Kindern gestartet, 2018 waren es schon 60 und jetzt 90.“ Die radeln unter der weißen Friedensfahrttaube und hören beim Start die alte Friedensfahrtfanfare.

Egal wie man zur totalitären DDR stand. Aber dieses kleine Musikstück von Paul Noack-Ihlenfeld, das jeweils zu Beginn der Rundfunkübertragung sowie zu allen Siegerehrungen gespielt wurde, hat etwas markdurchdringend Kultiges. Dabei werden unweigerlich Kindheitserinnerungen der über 50-Jährigen wach gerufen.

„Auf die Fanfare haben wir Wert gelegt. Und auch auf die weißen Tauben“, sagt Horst Schäfer, der absolut kein verklärter DDR-Nostalgiker ist. Anfangs hätte ein Niederländer etwas lustlos fünf, sechs Tauben in den Himmel entlassen. „Das könnt ihr doch sicherlich noch besser“, umgarnte der Kleinmühlinger den Vogelmann. In diesem Jahr flatterten über 20 weiße Tauben in den niederländischen Himmel.

Und: Wer hätte vor 40 Jahren einmal gedacht, dass die Friedensfahrt durch Holland rollt. Auch wenn es nur der kleine Ableger ist.