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Rettungsaktion Vom Nest in die Storchenklinik

In Klein Rosenburg wird ein Jungstorch mit „Kippflügel“ gerettet. Jetzt wird er auf dem Storchenhof Loburg behandelt.

Von Bianca Oldekamp 09.08.2020, 01:01

Klein Rosenburg l Montagmorgen, 3. August 2020, Punkt sieben Uhr in Klein Rosenburg, genauer gesagt am Storchennest des Ortsteils der Stadt Barby. Mit schwerem Gerät sind Storchenberinger Wolfgang Grönwald und Storchenhof-Geschäftsführer Michael Kaatz an diesem Morgen in Klein Rosenburg eingerückt. Ihr gemeinsames Ziel: Einem Jungstorch helfen. Denn der hat einen sogenannten Kippflügel.

Bei einem Kippflügel handelt es sich um eine Fehlstellung, die durch das schnelle Wachstum der Federn bei Jungstörchen entstehen kann. Bei manchen Tieren wachsen die Federn in der dritten bis vierten Lebenswoche dann so schnell, dass die Handschwinge so schwer wird, dass eine Sehne des Flügels falsch liegt. Der Flügel steht ab. Der Jung-storch kann nicht fliegen. Besser gesagt: Es gar nicht erst erlernen.

Wolfgang Grönwald kennt den jungen Storch aus Klein Rosenburg bereits, hat er ihn als für die Störche im Altkreis Schönebeck zuständiger Beringer doch am 22. Juni 2020 erst beringt, ihn also sozusagen mit einem Personalausweis ausgestattet. „CZ58“ lautet die Identifikationsnummer vom Klein Rosenburger Sorgenkind, das das Nest am Spielplatz des Barbyer Ortsteils nicht aus eigener Kraft verlassen kann. Während die beiden anderen Jungstörche, die in diesem Jahr in dem Nest geschlüpft sind, bereits seit einiger Zeit erste Rundflüge unternehmen, hockte oder stand „CZ58“ weiterhin im Nest, schaute höchstens Mal neugierig über den Rand des Nestes.

Das war auch einer Anwohnerin aus Klein Rosenburg aufgefallen. Sie hatte sich am Donnerstag, 30. Juli 2020, bei Wolfgang Grönwald gemeldet, ihm berichtet, dass der Flügel von einem der drei Jungstörche, die in Klein Rosenburg im Frühjahr dieses Jahres geschlüpft sind, eine Fehlstellung aufweist.

Da es wichtig ist, bei einer solchen Fehlstellung so schnell wie möglich zu handeln, hat Wolfgang Grönwald sich gleich mit dem Dachdeckerbetrieb, dessen Hebekorbfahrzeug er auch beim Beringen der Störche zur Verfügung gestellt bekommt, in Verbindung gesetzt, um den Storch aus dem Nest holen zu können. Und auch Michael Kaatz, Geschäftsführer des Storchenhof Loburg, hat Wolfgang Grönwald informiert. Schließlich muss sich nach der Rettungsaktion ja jemand um das Tier kümmern.

Montagmorgen war es dann soweit. Während Wolfgang Grönwald sich in mehreren Metern Höhe „bewaffnet“ und sich mit großem Kescher und Greifer dem Storchennest näherte, wurde er dabei nicht nur von Michael Kaatz ganz genau beobachtet, sondern auch von der Anwohnerin, die die Experten auf den Jungstorch aufmerksam gemacht hatte, und weiteren Anwohnern Klein Rosenburgs.

Als die beiden anderen Jungstorche das ungewohnte Treiben rund um ihr Nest mitbekommen haben, sind sowohl sie als auch die Altstörche abgeflogen, berichtet Wolfgang Grönwald. „Das war gut“, sagt er. Denn so hatte der Magdeburger freien Zugang zu dem Tier mit der Flügelfehlstellung. Nichtmal geduckt, also sozusagen tot gestellt habe sich das Tier. Eigentlich eine natürlich Reaktion bei Jungstörchen, um sich vor Angreifern zu schützen. „Er hat keinen Widerstand geleistet, mir nicht in den Arm gehackt“, berichtet Wolfgang Grönwald. Einige Narben von widerspenstigen Storchenjungen hat Wolfgang Grönwald bedingt durch die Tätigkeit als Beringer des Altkreises Schönebeck schließlich schon.

Für den Fall, dass der Jungstorch „gesprungen“ wäre, hatten sich einige Anwohner unterhalb des Nestes mit einem Netz positioniert, um den Storch aufzufangen. Fliegen kann er durch die Fehlstellung schließlich nicht. Doch zum Einsatz kam das Netz glücklicherweise nicht. Vorsichtig hat Grönwald den Storch dann aus dem Nest genommen und ihn am Boden angekommen Michael Kaatz vom Storchenhof übergeben.

Auf dem Loburger Storchenhof wird das Tier jetzt behandelt. „Wir haben den Flügel des Jungstorches hochgebunden, um der Fehlstellung entgegenzuwirken“, erklärt Michael Kaatz. Ob das hilft und „CZ58“ jemals fliegen lernen kann, zeige sich in spätestens zwei Monaten. Zunächst soll der Flügel ein bis zwei Wochen hochgebunden bleiben. Wenn die Fehlstellung dann behoben ist, kann der Jungstorch abheben und wieder in die Freiheit entlassen werden.

Ist die Fehlstellung nicht behoben, wird die Handschwinge des Jungstorchs immer abstehen: „CZ58“ würde nie fliegen können. Das ist allerdings keineswegs ein „Todesurteil“ für Jungstorche. Er würde ein neues Zuhause in einem Zoo oder Tierpark finden. An Privatpersonen werden Storche allerdings nicht abgegeben. Eine Privathaltung sei nicht genehmigungsfähig, erklärt Michael Kaatz.

Die beiden anderen Jungstörche seien laut Anwohnern am Abend zurück zu dem nun leeren Nest gekommen. Ob sich die Geschwister jemals wiedersehen werden, bleibt abzuwarten.