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Über 12 500 Wähler wollen den Wechsel im Rathaus / Reaktionen aus den Ratsfraktionen Schönebecker feuern Haase

Von Heike Heinrich, Ulrich Meinhard und Daniel Wrüske 23.09.2013, 01:21

Schönebeck l Großes Aufatmen: Das drücken die Reaktionen aus den Stadtratsfraktionen nach der Abwahl von Oberbürgermeister Hans-Jürgen Haase (parteilos) aus. Der bisherige Stadtchef äußerte sich nicht.

Kurz vor 21 Uhr stand Sonntagabend fest: Die nötigen 8400-Ja-Stimmen für die Abwahl von Schönebecks Oberbürgermeister Hans-Jürgen Haase waren mehr als erreicht. 12 589 von 28 000 Wahlberechtigten (Wahlbeteiligung 61,2 Prozent) sprachen sich für einen Wechsel im Rathaus aus. Das ist ein vorläufiges Ergebnis.

"Ab jetzt alles auf Neuanfang." Mit diesem prägnanten Kommentar fasste Bert Knoblauch, der Kandidat der CDU für die jetzt anstehende Wahl zum Oberbürgermeister, das Ergebnis zusammen. Er habe sich selbstverständlich über die Abwahl gefreut, sie sei einfach notwendig, um die Stadt Schönebeck neu auszurichten. "Wir haben in einem Café mit einem Auge die Bundestagswahl und mit dem anderen Auge die Abwahl auf einem Laptop verfolgt", beschrieb Knoblauch den Wahlabend, den er gemeinsam mit Parteifreunden verbrachte. Angesichts der Wahlbeteiligung von 61,2 Prozent sei das Ergebnis von knapp 75 Prozent Zustimmung relativ klar ausgefallen.

Ein Votum, das auch Frank Schiwek nur begrüßen mochte. "Ich freue mich, dass die Bürger eine zukunftsweisende Entscheidung gefällt haben", sagte der Kandidat der SPD für das Amt des Oberbürgermeisters. Das Ergebnis zeige, dass das Ansinnen der SPD-Fraktion auf offene Ohren gestoßen ist. Die dringendste Aufgabe des neuen Stadtoberhauptes sei, eine Lösung beim Grund- und Hochwasserproblem zu finden. Zudem müsse unbedingt der Haushalt konsolidiert beziehungsweise erst einmal ein Haushalt für 2013 erstellt werden. In Gesprächen mit Bürgern habe er feststellen müssen, dass sie sich von der Verwaltung und insbesondere von einem arrogant auftretenden Hans-Jürgen Haase nicht ernst genommen gefühlt hatten. "Es ist erschreckend, wenn das Normalste der Welt nicht mehr möglich war", so Frank Schiwek.

Eine Meinung, die auch andere Parteien im Stadtrat teilen. Sabine Dirlich, Fraktionschefin der Linken, findet deutliche Worte: "Niemand stellt in Frage, dass sich Hans-Jürgen Haase auch große Verdienste um die Stadt erworben hat. Aber die letzten fünf Jahre hat er sein Amt eher ausgesessen als ausgefüllt. Entweder war er krank, zur Kur oder im Urlaub." Aus diesem Grund sei sie froh über die Entscheidung aus der Bürgerschaft und finde sie auch "total in Ordnung". Von einem neuen Oberbürgermeister erwartet die Linke-Fraktion, dass er alle Probleme der Stadt sofort anpacke. "Wir brauchen ein Konzept für den vorbeugenden Hochwasserschutz, dass wird aufgrund der aktuellen Situation deutlich. Und wir brauchen ein Konzept, wie wir den Stadtetat nachhaltig entschulden. Dafür müssen wir uns auch stärker gegenüber dem Land und seiner Finanzpolitik positionieren", nennt Sabine Dirlich zwei Beispiele.

Ob die Linke einen Kandidaten ins OB-Wahl-Rennen schickt, ließ Sabine Dirlich gestern noch offen. Die Fraktion müsse sich noch beraten. Enttäuscht zeigte sie sich, weil es trotz Absprachen nicht zu einem gemeinsamen Kandidaten mit der SPD gekommen sei. Sie selbst tritt nicht mehr an: "Ich habe meine Kandidatur 2005 sehr ernst gemeint. Doch ich stehe vor meinem 60. Geburtstag. Ein OB benötigt mehr Zeit, um zu gestalten, als nur eine Wahlperiode. Nur so wird man auch den Bürgern gerecht", sagt Sabine Dirlich.

FDP/Schall-Fraktionschef Reinhard Banse denkt ähnlich wie die Linken-Fraktionsvorsitzende über die letzten Amtsjahre Haases. "Er betrieb eine verhängnisvolle Politik: Das Grundwasserproblem interessierte Haase nicht mehr, ebenso die Probleme der Menschen in der Salzelmener Tolberg-Straße oder die Anfragen, die Bürger im Stadtrat stellten. Auch die objektive Berichterstattung in den Medien wollte er ausschalten." Seinem eigenen Versprechen, den Schönebeckern das gläserne Rathaus bieten zu wollen, sei er selbst nicht gerecht geworden, so Banse.

Stadtrat Manfred Pöschke (Rettet die Altstadt) möchte die beklagten Missstände in Schönebeck nicht allein Hans-Jürgen Haase zuschieben. Er habe auch eine gute Arbeit geleistet, etwa bei der städtebaulichen Sanierung der Stadtteile wie Bad Salzelmen, Frohse und Felgeleben. Der Stadtrat Schönebeck, zu dem Pöschke seit 20 Jahren gehört, müsse durchaus in sich gehen und reflektieren, welche Anteile er an den Defiziten hat. "Vielleicht hat der Stadtrat Herrn Haase einen zu freien Lauf gelassen, er hätte als kontrollierendes Gremium mehr Druck ausüben müssen." Eines der Grundprobleme, die Haase nicht gelöst hat, sei das Grundwasser. Der abgewählte OB hätte hier zumindest auf die betroffenen Bürger zugehen müssen, so Pöschke kritisch.

Hans-Jürgen Haase reagierte Sonntag auf eine telefonische Anfrage der Volksstimme-Redaktion nicht.

Der Wahlausschuss tagt am heutigen Montag um 14 Uhr öffentlich im Kleinen Sitzungssaal des Rathaus in Schönebeck zur Bestätigung des Wahlergebnisses.