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Jahrzehntelang hingen die Barbyer Maizena-Werke als Gemälde in Eickendorf Seltsam: Warum hängt man sich ein Industriebild in die Börde-Wohnstube?

Von Thomas Linßner 30.05.2013, 03:12

Zuweilen finden sich auf Dachböden oder Kellern kleine Kunstschätze, deren Bedeutung für die Regionalgeschichte nicht unerheblich ist. So kam jetzt bei einer Eickendorfer Haushaltsauflösung eine kolorierte Zeichnung der Barbyer Maisan-Werke zum Vorschein.

Barby l "Ich glaube, das wird Sie interessieren", sagt die Frau am Telefon, "weil Sie doch in der Volksstimme immer über Barby berichten." Die Dame mittleren Alters - sie möchte ungenannt bleiben - hat ein Bild übrig, das in der neuen, kleineren Wohnung keinen Platz findet. Und überhaupt: Sie und ihre Schwester können sich nicht erklären, warum ihre Eltern im Bördedorf Eickendorf ausgerechnet ein Bild der Barbyer Maizena-Werke aufhängten? Es zierte die Wohnung jahrzehntelang.

"Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendjemand aus der Verwandtschaft zu diesem Betrieb eine Beziehung hatte."

"Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendjemand aus der Verwandtschaft zu diesem Betrieb eine Beziehung hatte oder dort arbeitete", wundert sich die Frau.

Wie dem auch sei. Nun ist das 75 mal 55 Zentimeter große Bild wieder da, wo es vermutlich entstanden ist: in Barby. Es zeigt die Maizena-Werke kurz nach ihrer Fertigstellung. Investor war der US-Konzern "Corn Products Company". Dominierend sind die riesigen Betonsilos, in denen der Mais lagerte. Er wurde mit Schiff oder Bahn auf der Ostseite des Betriebes angeliefert. Hier befand sich ein leistungsfähiger Elevator, der Mitte der 1920er Jahre das Neueste auf diesem Gebiet verkörperte. Mit diesem Stetigförderer konnte der Mais kontinuierlich vom Bahnwaggon oder dem Binnenschiff ausgeladen und in große Höhen transportiert werden.

Links in den Vordergrund hat der unbekannte Künstler ein Binnenschiff gesetzt. Es ist einer jener Schleppkähne, die noch per Hand mit einem Ruder gesteuert wurden. Er trägt den Namen "Maizena" und als Liegehafen liest man "Barby".

Die Hafenanlagen - der Stadt- und der Maizena-Hafen - wurden vom Maler etwas künstlerisch "gestrafft". Er ließ sie aus dieser Perspektive zu einem verschmelzen.

Das Bild ist weder datiert noch signiert. Es ist möglich, dass die Arbeit zu einem Betriebsjubiläum in Auftrag gegeben wurde. Auch Veröffentlichungen in der Presse soll es davon gegeben haben.

Damals war man stolz, "Maizena-Werker" zu sein. Schließlich galten die Maizena-Werke als erste Maisstärkefabrik Europas.

Das Werk wurde in Rekordzeit von 1922 bis 1924 errichtet, was zwei Gründe hatte: Die Amerikaner kamen mit einem fertigen Typenprojekt nach Deutschland; hohe Arbeitslosigkeit ließ die Menschen keine großen Ansprüche an den Lohn stellen. Man darf die heutige Floskel gebrauchen: Die Leute waren hoch motiviert ...

Hinzu kam, dass die Lohngelder säckeweise von der Bank geholt wurden. Es war Inflation. Die bis zu 4000 auf der Baustelle am Weg nach Monplaisir beschäftigten Arbeiter bekamen nach mehreren kleinen Streiks einen Teil ihres Lohnes in Dollar ausbezahlt.

Vollkommen neu war die bauliche Konstruktion. Man goss armierte Betonskelette, die dann wie Fachwerkhäuser mit Ziegeln ausgemauert wurden. Dadurch erhöhte sich die Belastbarkeit der Gebäude, deren technische Ausstattung einiges wog.

Das mächtige Silo bestand völlig aus Beton. Einige Maschinen wurden aus den USA importiert, die Mehrzahl kam aus dem mitteldeutschen Raum.

1946 wurden auch die Maizena-Werke, obwohl sie sich in amerikanischem Besitz befanden, demontiert. 1969 firmierte der Betrieb zum VEB Maisan. Im August 1990 ging er als erster DDR-Betrieb in die Geschichte ein, der Konkurs anmeldete.

Was bleibt ist die Erinnerung. Deshalb sind Sie, liebe Leser, gefragt:

Kennt jemand den Maler des Bildes oder dessen Geschichte? Telefon (039298) 26227.