Geschichte Warum der in Biere begrabene Emil Hegemann einst eine Republik ausrief
Einige Vertriebene fanden auch in der heutigen Gemeinde Bördeland Zuflucht. Dazu zählte auch Emil Hegemann, wenn auch nicht für lange Zeit.

Biere - Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mussten viele Menschen ihre Heimat verlassen und sich ein neues Zuhause suchen. Einige Vertriebene fanden auch in der heutigen Gemeinde Bördeland Zuflucht. Dazu zählte auch Emil Hegemann, wenn auch nicht für lange Zeit. Jener Hegemann hat eine sehr interessante Vita vorzuweisen.
Über den 1864 geborenen evangelischen Pastor ist überliefert, dass er 1919 im heutigen Świętno (Polen) den Freistaat Schwenten ausgerufen hat. Dieser soll aber nur wenige Monate bestanden haben.
Emil Hegemann hat 1864 in Trlong in der Provinz Posen das Licht der Welt erblickt. Seine Eltern sollen hessische Kolonialisten gewesen sein, die im 19. Jahrhundert nach Posen ausgewandert seien.
Ausrufung der Republik nach 1918
Nach Ende des zweiten Weltkriegs soll Hegemann nach Biere geflohen und dort im November 1946 verstorben sein. Intensiver zur Geschichte von Emil Hegemann und seiner politischen Tätigkeit hat sich der Historiker Martin Sprungala beschäftigt. Sprungala ist Bundessprecher der Landsmannschaft Weichsel-Warthe, einer Vertriebenenorganisation. „Meine Vorfahren kommen auch aus dem Gebiet des heutigen Polens, deshalb hat mich die Geschichte besonders interessiert“, erzählt Sprungala.
Die Nachforschung sei schwierig, da von der ehemals deutschen Bevölkerung im heutigen Polen kaum noch jemand lebe. Bei seinen Recherchen über die früheren deutschen Gebiete im heutigen Polen stieß der Historiker auch auf die Personalie Emil Hegemann.
Über Hegemann ist überliefert, dass er nach dem Besuch mehrerer Schulen eine Laufbahn im Staatswesen einschlagen und Jura studieren wollte. Nachdem das nicht geklappt hat, soll er sich der theologischen Lehre gewidmet haben und anschließend als Pastor gearbeitet haben. In dieser Tätigkeit wurde er schließlich nach Schwenten versetzt. Neben seinen kirchlichen Aufgaben soll sich Hegemann schon früh mit politischen Themen befasst haben. Diese politischen Aktivitäten wurden nach dem Ersten Weltkrieg noch verstärkt, als das Ende des Kaiserreichs für viele Unruhen sorgte. Im Dezember 1918 kam es rund um Schwenten zu Aufständen.
Um dies auch in Schwenten zu verhindern, soll Hegemann die Idee gekommen sein, eine unabhängige Republik auszurufen. Dabei berief sich der Pastor auf die Friedensordnung für das Europa nach dem Ersten Weltkrieg von US-Präsident Woodrow Wilson. Die Republik soll von Januar bis August 1919 bestanden haben. Bürger die nach Schwenten einreisen wollten, brauchten bei Grenzübertritt ein Visum. Weitere Details zu der Republik sind nicht eindeutig überliefert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg zieht Familie weg aus Biere
Historiker Martin Sprungala hegt zumindest Zweifel, ob nicht einzelne Teile im Nachhinein erfunden wurden. „Als ich vor Ort war und mit Nachfahren von Hegemann und den jetzigen Bewohnern des Dorfes gesprochen habe, hat sich ein zwiespältiges Bild ergeben. Hegemann war nicht sehr beliebt unter den heutigen Einwohner“, so der Historiker.
Wenige Jahre nach der Ausrufung der Republik bestimmen die Nationalsozialisten das Geschehen in Deutschland. Diese missbrauchten die Staatsgründung für ihre nationalsozialistische Propaganda. Auch wenn Hegemann schon nach Ende des Ersten Weltkriegs vor dem Aufkommen des „Bolschewismus“ gewarnt habe, so soll er sich doch gegen die NS-Ideologie gestellt haben. „Nichtsdestotrotz kann er schon als,Herrenmensch’ bezeichnet werden“, betont Sprungala. Dies hätte auch mit dem damaligen Berufsverständnis eines Pastors zu tun gehabt.
An die Geschichte des einstigen Staatsmannes Emil Hegemann erinnert heute in Biere nichts mehr. Die Gemeindeverwaltung erklärte auf Anfrage, dass sie über keine Eintragung in ihrer Kartei über ein Begräbnis von Emil Hegemann verfüge. Allerdings möchte Gemeindemitarbeiterin Kerstin Wehage nicht ausschließen, dass Hegemann auf dem Friedhof beerdigt liegt. „Wir haben viele Erdbestattungen, wo die Angehörigen nicht mehr hier wohnen und die Grabstellen deshalb leider etwas ,verwildern’“, so Wehage. Nach 100 Jahren müsse die Gemeinde entscheiden, wie mit einer Grabfläche umgegangen wird. Warum eine Staßfurter Glocke seit Jahren stumm ist.
Nachkommen von Hegemann als Schuldirektor
Erinnerung an die Familie Hegemann hat Elli Schulze aus Biere. Die inzwischen 91-Jährige weiß noch aus eigenen Erfahrungen, dass die Tochter von Emil Hegemann, Emilie Johanna Hegemann-Wandrey, in Biere als Ärztin tätig war. Wie aus den Recherchen von Martin Sprungala hervorgeht, lernte sie ihr medizinisches Handwerk an der Berliner Charité und war dort eine der ersten ausgebildeten Ärztinnen. „Frau Hegemann-Wandrey war im Krieg und noch ein paar Jahre danach unsere Ärztin. Später ist dann unser eigentlicher Hausarzt zurückgekehrt, der vorher im Krieg gekämpft hat“, erinnert sich Schulze.
Die Bürgerin aus Biere erzählt weiter, dass ihr Mann Kurt Wandrey lange Jahre Schuldirektor an der Volksschule im Ort gewesen sei. Dieser sei aber bereits im Winter 1944 an einer Lungenentzündung gestorben. Elli Schulze würde sich nicht nur im Fall Emil Hegemann wünschen, dass sich die Gemeinde mehr um die Ehrung verstorbener Leute kümmert. Hier können Sie mehr über die jüdische Geschichte Großmühlingens erfahren.