1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Wenn Dachziegel verrutschen

Straßenverkehr Wenn Dachziegel verrutschen

Bei einer Einwohnerversammlung zu Lärm und Feinstaub auf den Landesstraßen in Calbe fordern die Bürger Taten.

Von Thomas Höfs 30.08.2020, 01:01

Calbe l Bevor die Bürger bei der von der Stadt organisierten Einwohnerversammlung im August 2020 endlich an der Reihe sind, haben die eingeladenen Gäste zunächst die Möglichkeit der Wortmeldung. Die Stadt hat mit Anika Grimm eine Mitarbeiterin des Städte- und Gemeindebundes eingeladen. Der Lobbyverband der Kommunen soll die nächste Stufe der Lärmkartierungen für die Gemeinden vorbereiten. In knapp zwei Jahren steht dies an.

Die Landesstraßenbaubehörde hat Stefan Hörold geschickt. Er kennt sich auf Calbes Straßen aus, denn jahrelang war er für den Zustand der Landesstraßen zuständig, bevor er nun nach Magdeburg wechselte. Für die Kreisverwaltung nimmt Gereon Schelhas an der Veranstaltung teil. Denn der Landkreis ist für jedes Schild an den Landesstraßen verantwortlich. Eingeladen ist auch die Polizei an dem Abend. Kreis-Polizeichef Steffen Kuse vertritt die Behörde.

Als die Bürger an der Reihe sind, meldet sich Michael Mittrenga als Erster. Der Mann springt hoch und erzählt den Bürgern, dass er sich an der Landesstraße in Calbe ein Haus gekauft habe. Sein Fehler sei es gewesen, die Besichtigung an einem Sonntag durchzuführen, gibt er gern zu. Da sei der Lärm von der Straße kaum wahrnehmbar gewesen. Als er eingezogen war, habe er erkannt, welche Belastung von der Straße auf dem Haus liege.

Er fordert ein Lkw-Verbot für die Landesstraße. Schließlich könnten die Laster auch andere Straßen nutzen und Calbe so umfahren. Ein anderer Bürger zeigt sich enttäuscht über das Rathaus beim Abbruch des Bahnhofs. Die Stadt habe es hier versäumt, den Baufirmen zu sagen, dass die Laster nicht über die innerstädtischen Straßen geschickt werden sollten. Das hätte besser gemacht werden können, lässt er durchblicken.

Ein anderer Anwohner erzählt, dass er kürzlich erst wieder einmal den Dachdecker bestellen musste. Die Erschütterungen von der Straße seien so groß, dass sich die Ziegel auf seinem Dach verschieben, hatte der Dachdecker nur eine Erklärung für das Phänomen. Vor seinem Haus befinde sich ein Gullydeckel auf der Straße. Der Deckel sei in den vergangenen Jahren abgesackt. Mit einem lauten Rumpeln und starken Vibrationen machen sich Lkw bemerkbar, die die Stelle passieren, schildert er.

Stefan Hörold kennt den Mann aus der Vergangenheit. Schon einmal, weiß er, sei an dem Gullydeckel gearbeitet worden. Er wolle die Sache mitnehmen und überprüfen lassen. Obwohl regelmäßig die Straßenwärter auch in der Stadt die Landesstraßen abfahren und auch Schäden untersuchen.

5914 Meter, hat Bürgermeister Sven Hause ausgerechnet, sind die Landesstraßen in der Saalestadt lang. Sie zerschneiden die Stadt und sorgen dafür, dass Menschen und Waren durch die Kleinstadt transportiert werden können. In den vergangenen Jahrzehnten ist der Verkehrsstrom dabei stetig gewachsen.

Berechnungen der Landesstraßenbaubehörde anhand der Verkehrszählungen zeigen, dass die Lärmbelastungen für die Anwohner an den Landesstraßen über den gesetzlich zulässigen Grenzwerten liegen oder knapp darunter sind. Allerdings, das wird an dem Abend klar, könnten die tatsächlichen Schallwerte deutlich höher liegen. Die Anwohner schildern unwidersprochen, dass die Fahrzeuge in den Straßen deutlich schneller unterwegs sind, als erlaubt. Höhere Geschwindigkeiten bedeuten mehr Lärm.

Einige verlangen, dass die Polizei die Geschwindigkeit verstärkt kontrolliert. Polizeichef Steffen Kuse versichert, dass seine Beamten bereits viel in Calbe messen würden. Er sei aber gern auch bereit, auf Wunsch der Bürger Messungen zu organisieren. Doch rund um die Uhr könne die Polizei die Geschwindigkeit nicht in der Stadt überwachen.

Bliebe noch die Reduzierung der Geschwindigkeit. Dazu gibt es Befürworter und Gegner. Auf der gesamten Ortsdurchfahrt, machte der zuständige Mitarbeiter der Kreisverwaltung, Gedeon Schelhas klar, werde es kein reduziertes Tempo auf 30 Stundenkilometer geben können. Zudem könne der Landkreis hier nicht allein auf Landesstraßen entscheiden. Es sei die Genehmigung des Landesverwaltungsamtes notwendig. Er sei aber zuversichtlich, dass in einigen Monaten eine Entscheidung fallen werde, sagte er.

Für Stadtrat Mario Kannegießer (SPD) ist die Ortsumgehung die einzige Lösung des gesamten Problems, sagt er. Dafür solle sich die Kommune in der Zukunft mehr einsetzen, schlägt er vor. Gegenwind bekommt er ausgerechnet von Stefan Hörold. Er hat die Zahlen zur Belastung der Landesstraßen dabei. Nach seiner Einschätzung geben die Zahlen nicht her, dass die Saalestadt eine komplette Ortsumfahrung in den kommenden Jahren bekommen kann.

Dazu reichten die gemessenen Werte nicht aus, schätzt er die Datenlage ein. Ebenso erteilt er der Forderung nach einem Fahrverbot für Lkw eine Absage. Die Landesstraßen seien für den Allgemeingebrauch gewidmet worden. Sperrungen für Lkw seien deshalb nicht vorstellbar. Nach mehr als zwei Stunden endet die Einwohnerversammlung in der Hegersporthalle ohne ein Ergebnis. Die Stadt, verspricht der Bürgermeister, wolle einige Dinge weiter verfolgen.