Morgen ist Volkstrauertag - Monika Jahn hat als Trauerrednerin fast jeden Tag mit dem Thema Tod zu tun Wenn Worte trösten und helfen zu verstehen
Ich bin nur nach nebenan verschwunden.
Ich bin ich und du bist du.
Was immer wir füreinander waren, das sind wir noch.
Nenne mich bei dem alten vertrauten Namen.
Sprich von mir, wie du es immer getan hast ...
Von Heike Heinrich
Schönebeck l "Das ist mein absolutes Lieblingsgedicht", sagt Monika Jahn. "Tod bedeutet gar nichts" von Henry Scott Holland wählt sie gern für Menschen, die mit beiden Beinen fest im Leben gestanden haben, die immer aktiv waren.
Monika Jahn ist Trauerrednerin in Schönebeck und Umgebung. Seit 1985 ununterbrochen. Nein, ein Jahr hat sie pausiert, pausieren müssen. Die Schönebeckerin hatte eine chronische Kehlkopfentzündung. Ihre Ärztin nahm ihr die Angst, dass sie vielleicht nie wieder als Rednerin tätig sein könnte. "Für Sie ist das, was Sie ausüben, kein Beruf, sondern eine Berufung", erinnert sich Monika Jahn an die damaligen Worte ihrer Ärztin. Gemeinsam bekamen sie das Problem in den Griff. Sie nutzte das Jahr, um eine Sprachausbildung zu absolvieren. Das habe ihr wirklich sehr geholfen.
"Meine Kleine, du könntest das auch"
Ein Leben ohne diese Aufgabe als Trauerrednerin kann sich die heute 59-Jährige gar nicht mehr vorstellen. Dabei ist sie dazu gekommen wie die sprichwörtliche Jungfrau zum Kinde. Mit dem Thema Tod ist sie schon früh konfrontiert worden. "Meine Großmutter stammt aus Ostpreußen und war in ihrem Heimatort als Leichenfrau tätig. Sie hat die Verstorbenen aufgebarrt und sie auf die Bestattung vorbereitet", erzählt Monika Jahn. Ihre Oma habe viel mit ihr darüber gesprochen, ihr die Angst vor dem Tod und den Toten genommen.
Nach der Geburt ihrer zweiten Tochter sah sich Monika Jahn nach einem neuen Beruf um. Ein Bestattungsinstitut suchte eine Sachbearbeiterin. Sie stellte sich vor, wurde angenommen. Ihr Arbeitsfeld war das Büro, mit den Reden hatte sie nichts zu tun. "Es gab ja die Redner Rudi Scheidt und Heinz Dietze, die Inbegriffe der Redner in Schönebeck", schwärmt Monika Jahn. Rudi Scheidt sei es auch gewesen, der den Grundstein bei ihr gelegt habe. "Er hat immer wieder gesagt: Meine Kleine, du könntest das auch", erinnert sie sich und muss lächeln. In der Schule sei es ihr schwer gefallen, ein Gedicht aufzusagen und dann sollte sie vor Trauernden sprechen.
Ihr erster Redebeitrag ist ihr noch so bewusst, als sei es erst gestern gewesen. 1985, Friedhof Calbe. "Die Rede war gut, aber kurz, sehr kurz." Die Friedhofsleiterin, die unbemerkt in der letzten Reihe gesessen hatte, kam im Anschluss zu ihr, nahm sie spontan in den Arm und sagte: Super. "Sie hat gemeint, meine Rede war ganz anders als die bisherigen, die sie gehört hatte. Ich hätte mich aufs Wesentliche beschränkt", erzählt Monika Jahn. So habe sie ihre Berufung gefunden. Mittlerweile arbeitet sie mit keinem speziellen Bestattungshaus zusammen. Sie ist gern als Trauerrednerin vor Ort, wenn sie gewünscht wird. Denn den Redner kann jeder selbst bestimmen.
"Ich schäme mich nicht für meine Tränen"
Mit den Jahren sei sie routinierter geworden. Dennoch: Auf ihr Grundgerüst, auf einen Zettel mit wichtigen Stichpunkten möchte sie nicht verzichten. Denn trotz der vielen Jahre als Rednerin gibt es auch Situationen, in denen sie dieses Papier braucht. Wenn die Tränen fließen - weil sie bei Bestattungen von Bekannten oder Kindern redet. "Ich schäme mich nicht für meine Tränen", sagt Monika Jahn. "Wenn ich keine Gefühle mehr zeigen könnte, wäre ich ein Roboter. Dann gehöre ich da nicht hin." Wenn sie eine Trauerrede für Kinder hält, "bin ich vorher und hinterher krank. Dann muss man mich meist zwei Tage aus dem Verkehr ziehen".
Ihre Familie - ihr Mann und ihre zwei Töchter - nimmt darauf Rücksicht. Sie seien immer für sie da, sagt Monika Jahn voller Dankbarkeit. "Ich denke, sie sind schon stolz auf mich. Diese Arbeit kann man nur richtig gut machen, wenn man ein intaktes Familienleben hat." Das Umfeld müsse ausgeglichen und harmonisch sein. Im Hause Jahn passe das. Ihr Mann sei ihr eine große Stütze. Wenn der Hund oder die zwei Katzen ihre Streicheleinheiten verlangen, kann sie gut abschalten. Oder auch beim Lesen. Sie mag Krimis von Andreas Franz.
"Ich wünsche mir, dass es etwas danach gibt"
Wenn die Schönebeckerin eine Rede vorbereitet, besucht sie immer die Angehörigen. "Es gibt ja auch Redner, die nur einen Fragekatalog verschicken. Aber mir ist das persönliche Gespräch wichtig. Ich kann dann zwischen den Zeilen lesen."
Zu Hause fasst sie das Gehörte, Gesehene und Gefühlte in Worte. Handschriftlich. Sie habe einen Computer, natürlich. Aber damit wolle sie nicht arbeiten, nicht, wenn sie ihre Trauerreden vorbereitet. "Dann bleibt das Persönliche auf der Strecke. Dann ist es irgendwann nur noch Massenarbeit", erklärt sie.
Ob sie an ein Leben nach dem Tod glaube? Monika Jahn überlegt kurz, aber nur kurz und sagt: "Ich bin durch und durch Atheist. Aber trotzdem habe ich einen bestimmten Glauben, weil ich von meiner Oma geprägt bin. Ich wünsche mir, dass es etwas danach gibt - ein helles Licht von der Schwelle des Lebens in den Tod." Sie sei überzeugt, dass jeder Mensch in Situationen geraten kann, in denen er ein Stoßgebet spricht.