1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Ambulanz Mobile plant vernetzten Krankenwagen

Wirtschaft Ambulanz Mobile plant vernetzten Krankenwagen

Der Schönebecker Aufbauhersteller Ambulanz-Mobile will in Zukunft verstärkt auf Digitalisierung und Dienstleistungen setzen.

Von Jan Iven 26.08.2020, 11:31

Schönebeck l Die Bauanträge sind gestellt. Noch in diesem Jahr sollen die Bauarbeiten an der Glinder Straße beginnen, wenn alles gut geht. Denn der Schönebecker Aufbauhersteller für Krankenwagen, Ambulanz-Mobile, will weiter wachsen und zwei zusätzliche Gebäude an seinem Standort errichten. „Wir wollen verstärkt auf Digitalisierung setzen“, sagt Geschäftsführer Hans-Jürgen Schwarz. Denn die Krankenwagen der Zukunft, die in den nächsten Jahren bei Ambulanz-Mobile ausgerüstet werden, sollen mit dem Internet vernetzt und mit Computern und entsprechenden Programmen ausgestattet werden, um zukunftsfähig zu sein. Und dafür wird nun unter anderem eine eigene Entwicklungsabteilung errichtet werden, die diese Themen vorantreiben wird. Insgesamt sollen 2,5 Millionen Euro investiert werden.

So soll der Krankenwagen der Zukunft selbstständig melden können, wenn etwa Ausrüstungsgegenstände wie Verbandsmaterial oder Spritzen verbraucht sind. Und die Technik an Bord könnte vom medizinischen Personale per Sprachsteuerung kontrolliert werden. Doch vieles davon ist derzeit noch Zukunftsmusik und bisher noch gar nicht auf dem Markt. Daher muss die Firma Ambulanz-Mobile demnächst die benötigten Computerprogramme erst noch selbst programmieren. „Dafür werden wir auch neues Personal mit Informatikkenntnissen brauchen“, sagt Frank Lundershausen, Vertriebsleiter bei Ambulanz-Mobile und Sohn von Hans-Jürgen Schwarz. Dafür soll eine eigene neue Entwicklungsabteilung entstehen, die in dem geplanten zweistöckigen Verwaltungsgebäude untergebracht wird.

Darüber hinaus will das Unternehmen eine weitere Halle mit 1000 Quadratmeter für einen eigenen Prüfstand für die ausgerüsteten Krankenwagen errichten, an dem die Leistungen gemessen werden können. „Bisher müssen wir jeden einzelnen Wagen Probe fahren. Mit einem eigenen Prüfstand entfällt das“, sagt Hans-Jürgen Schwarz. Dort können dann digitale Endprotokolle der Fahrzeuge erstellt werden, die durch einzelne Stichproben ergänzt werden. Eine ziemliche Erleichterung. Denn allein im Vorjahr hat Ambulanz Mobile etwa 1600 Krankenwagen, Rettungswagen, Behindertentransporter und Notarztwagen ausgeliefert. „Mit dem Prüfstand passen wir uns auch an die Standards der Automobilindustrie an“, sagt Hans-Jürgen Schwarz.

Keine Zukunftsmusik, sondern bereits Realität, ist hingegen der neue Rettungswagen Tigis N20 von Ambulanz-Mobile, die dritte Generation der Aufbauten für Einsatzfahrzeuge. Bei dem neuen Modell wurde die Vorderseite der Aufbauten im Windkanal weiter optimiert, um weniger Widerstand zu bieten und damit letztendlich auch Kraftstoff und Emissionen zu sparen. Serienmäßig wird nun eine Klimaanlage mit doppelt so hoher Leistung verbaut, die den Innenraum schneller auf eine angenehme Temperatur herunter kühlen kann. „Verletzte Patienten sollen im Rettungswagen nicht auch noch unter der Hitze leiden“, sagt Frank Lundershausen. Auf Wunsch des Kunden kann der Rettungswagen zudem zu einem Desinfektionsfahrzeug mit spezieller Belüftung und Filtern umgebaut ausgebaut werden, um einen besseren Schutz vor Viren wie etwa Corona zu bieten. Der erste Prototyp des Fahrzeuges befindet sich gerade im französischen Lyon und wird von der Firma geprüft, die die Klimaanlagen herstellen.

Und dann ist da natürlich noch die Corona-Krise, die auch nicht ohne Auswirkungen für Ambulanz-Mobile geblieben. So ist die Nachfrage nach umgebauten Behindertentransportern oder Kraftfahrzeugen für mobilitätseingschränkte Personen (KMP) in den vergangenen Monaten stark zurückgegangen, da viele Betreuungseinrichtungen und Träger unsicheren Zeiten entgegen sehen. Gleichzeitig ist aber der Absatz von Rettungswagen gestiegen. Und obwohl viele Vorprodukte wie etwa LED-Leuchten oder zum Teil auch die Fahrzeuge aus dem Ausland stammen, musste die Produktion nicht unterbrochen und keine Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt werden. „Wir haben rechtzeitig ausreichend Kontingente bestellt und verlassen uns nicht nur auf Just-in-time-Lieferketten“, sagt Hans-Jürgen Schwarz. Das entspräche zwar nicht unbedingt betriebswirtschaftlichen Berechnungen, habe in der Krise allerdings die Aufrechterhaltung der Produktion gerettet.

Insgesamt sei das Unternehmen zumindest bisher relativ gut durch die Krise gekommen, so Geschäftsführer Schwarz. Sollte es so weiter gehen und zu keinen unerwarteten Problemen kommen, könnte Ambulanz-Mobile möglicherweise sogar an das Rekordjahr 2019 mit einem damaligen Umsatz von rund 60 Millionen Euro anknüpfen. Zwar könnte sich die Zahl der ausgelieferten Fahrzeuge von 1600 auf geplante 1400 reduzieren. Allerdings wäre der Anteil der höherpreisigen Rettungswagen darunter höher. Zudem müsse in diesem Corona-Jahr auch mit unerwarteten Entwicklungen wieder Lieferengpässen oder Quarantänen gerechnet werden, die Auswirkungen auf die Planungen haben könnten.

Im eigenen Unternehmen legt Hans-Jürgen Schwarz höchsten Wert auf die Einhaltung der üblichen Corona-Vorsichtsmaßnahmen. Den rund 310 Mitarbeitern hat der Unternehmer nach den wöchigen Betriebsferien sogar einen Corona-Test finanziert, was insgesamt einen fünfstelligen Betrag gekostet hat. „Das ist aber viel billiger, als wenn wir den Betrieb für weitere zwei Wochen wegen Quarantäne hätten schließen müssen“, sagt Hans-Jürgen Schwarz. Sogar ein Fernsehteam vom MDR war dabei, um über diesen Mitarbeitertest zu berichten. Bisher waren glücklicherweise alle Tests negativ.

In der Produktion hat Ambulanz-Mobile wegen Corona auf ein Zwei-Schicht-Modell umgestellt, damit die Mitarbeiter einen größeren Abstand wahren können und so das Ansteckungsrisiko senken. Auch Videokonferenzen mit den Kunden aus ganz Deutschland, Europa und der Welt wurden verstärkt abgehalten. „Das werden wir sicher auch in Zukunft öfter machen“, sagt Vertriebsleiter Frank Lundershausen.

Besuchern wird am Eingang die Temperatur an der Stirn gemessen. Wegen der großen Hitze musste sich der eine oder andere erst einmal ein bisschen abkühlen, bevor er das Gebäude betreten durfte. Einen positiven Fall hat es allerdings bei Ambulanz Mobile bisher nicht gegeben.