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Fischsterben Erklärung reicht in Staßfurt nicht

Die bisherigen Erklärungen zum Fischsterben in Staßfurt reichen den Beteiligten nicht aus.

14.08.2019, 23:01

Staßfurt l Die Erklärung zu den Vorfällen in der Bode, die das Sodawerk am Freitag abgegeben hatte, kann nicht befriedigen. Die Ciech Soda hatte erklärt, dass ihr Kühlwasser für die milchig-weiße Färbung der Bode am Mittwochabend verantwortlich gewesen sein kann. Das Grundwasser aus Brunnen, das im Sommer benutzt werde und höhere Wasserhärten und niedrigere Temperaturen habe, führe zu weißem Niederschlag im Wasser. Eine Havarie oder ähnliches habe es aber nicht gegeben. Auch auf das Fischsterben geht die Ciech Soda Deutschland nicht ein. Angler in Staßfurt gehen von 200 Kilogramm totem Fisch aus.

Für die Landtagsabgeordnete Lydia Funke (AfD), die beim Staßfurter Fischsterben Aufklärung haben will, reicht diese Begründung nicht aus. „Es ist zwar richtig, was die Soda zur Färbung der Bode mitteilt: Wenn man sehr kaltes und wahrscheinlich kalkhaltiges Wasser in wärmeres Wasser überführt, wird Calciumcarbonat ausgefällt. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Der beißende Gestank, den Zeugen wahrgenommen haben, deutet auf schädliche Substanzen hin“, sagt Funke, die von Beruf eigentlich Naturwissenschaftlerin ist.

Der Geruch könne ein Hinweis auf Ammoniak oder Chlor sein, beides führe zu Fischsterben. Das Calciumcarbonat, das vom kühlen Brunnenwasser herrührt, stinke aber nicht. Funke hat mittlerweile Personal auf die Recherche des Themas angesetzt. Klären wolle sie auch, ob die Ciech Soda mittlerweile die versprochenen Maßnahmen nach der Havarie Ende 2018 umgesetzt hat.

Funke geht noch weiter. Weil sie die Verschmutzung der Bode als großen Umweltschaden ansieht, hat sie am Montag eine Fachaufsichtsbeschwerde eingereicht gegen Referat Wasser und das Referat Immissionsschutz des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt, das der Soda die Einleitgenehmigungen erteilt hat. Und: Gegen den Landrat des Salzlandkreises, Markus Bauer (SPD), dessen Verwaltung mit der Unteren Wasserbehörde für die Bode zuständig ist.

„Die Ausführungen des Sodawerks sind aus unserer Sicht ein klarer Versuch der Verschleierung von Tatsachen“, was nicht tolerierbar sei, sagt Heimo Reilein von der Interessengemeinschaft (IG) „Bode-Lachs“ zur Erklärung des Unternehmens. Der Verein engagiert sich für den Besatz mit Lachs und kämpft seit Jahren für eine Renaturierung der Bode.

Die Begründung der milchig-weißen Bode durch Grundwasser sei „fachlich inhaltslos“. Der Verweis auf Temperaturen in der Bode sei Unsinn, denn vom Fischsterben betroffen gewesen waren Arten, die problemlos Temperaturen von 25 Grad tolerieren. Da es sich um einen Wasserkreislauf im Produktionsprozess handelte, habe das mit dem Sterben der Fische nichts zu tun. Denn ein Kreislauf sei eben ein Kreislauf und damit geschlossen. Außerdem könne man in Bezug auf die Gewässergüte nicht von „unbedenklich“ sprechen, wenn Fische sterben. Allein der Gestank, von dem die Augenzeugen berichten, spreche eine klare Sprache.

Direkt darauf gibt die Ciech Soda „Informationen zur witterungsbedingten Situation - bedingt durch die extremen Sommertemperaturen in den letzten Wochen - deutschlandweit“ und schickt zwei Links zu aktuellen Berichten, unter anderem über das große Fischsterben im Rhein vom 8. August. „Die Bode hat derzeit einen niedrigen Wasserstand und damit eine langsame Fließgeschwindigkeit. Demzufolge kann es zu Engpässen im Sauerstoffgehalt im Wasser kommen“, stellt die Ciech Soda einen Zusammenhang zwischen Wetter und Fischsterben her.

Gleichzeitig führt das Sodawerk andere ins Blickfeld. „Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, möchten dennoch darauf hinweisen, dass wir nicht der einzige Anrainer an der Bode sind. Es ist bekannt, dass Einträge von Nitrat/Nitrit durch die intensive Landwirtschaft auch zu Beeinträchtigungen der Gewässergüte führen können.“

Sven Wagner (SPD) fordert sein Informationsrecht als Oberbürgermeister sowie der Bürger der Stadt Staßfurt ein. Er sagt: „Für mich ist die Aufklärung wichtig – was ist vergangene Woche passiert und was ist Ende 2018 passiert?“ Er werde beim Landesverwaltungsamt eine Stellungnahme verlangen. „Ich möchte von offizieller Seite Aussagen erhalten, was aus dem Gutachten über das Fischsterben 2018 hervorgeht. Wir müssen Ursachen kennen“, so Wagner.

Er habe mittlerweile auch die Staßfurter Angler gefragt, wo die Stadt unterstützen könne und sich mit ihnen verabredet. Mit der Salzlandkreisverwaltung wurde besprochen, wie man dem Verein beim Bergen von Fischkadavern generell helfen könne. Sven Wagner kündigt an: „An dem Thema müssen wir dran bleiben. Dafür ist die Sache zu wichtig.“

Der Salzlandkreis mit seinem Umweltamt war am Donnerstag nach der weißen Färbung der Bode in Staßfurt vor Ort. Landkreis-Sprecherin Marianne Bothe berichtet: „Dabei wurden der betroffene Bereich sowie die in die Bode bestehenden Einleitstellen in Augenschein genommen. Es wurden keine Auffälligkeiten, Hinweise und Gefahrensituationen festgestellt.“

Warum hat der Salzlandkreis den Anglern aus Staßfurt keine Hilfe beim Entsorgen der Fischkadaver angeboten? Darum hätten die Angler so direkt nicht gebeten, sagt die Sprecherin des Kreises. Wenn die Angler Probleme hätten, könnten sie diese bei der Behörde vortragen. Bei größeren Schwierigkeiten könne die Behörden beraten und unterstützen, wenn es erforderlich sei.

Im November 2018 hatte sich die Interessengemeinschaft „Bode-Lachs" nach dem Fischsterben 2018 in Staßfurt an den Umweltausschuss des Landtags Sachsen-Anhalt gewandt und auf Missstände durch die Einleitungen der Soda hingewiesen. Der Verein betreibt nicht nur Projekte zu Forschung und Besatz des Flusses mit neuen Fischarten, sondern fordert in ganz Sachsen-Anhalt die Einhaltung der EU-Richtlinien zum Gewässerschutz ein.

"Die Landesregierung beziehungsweise der Ausschuss antworteten in nicht nachvollziehbarer Weise", erklärt der Vorsitzende Heimo Reilein. Den Flussschützern wurde mitgeteilt, dass die Havarie nicht zu Verschlechterungen in der Bode geführt habe und die Sicherheitsvorkehrungen im Sodawerk den Anforderungen entsprechen würden.

Zugleich wird die unmissverständliche Feststellung getroffen, dass die verbindlichen Zielvorgaben der WRRL (EU-Wasserrahmenrichtlinie) nicht erreichbar sind, solange die Einleitungen in der genehmigten Form fortgeführt werden", erklärt Reilein über das Gewässerentwicklungskonzept für die Untere Bode, das das Land 2013 selbst veröffentlicht hatte. Die EU-Wasserrahmen- und die FFH-Richtlinie („Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie" für die Bode als schützenswertes Naturgebiet) würden in Sachsen-Anhalt geradezu skandalös vernachlässigt, beklagt der Verein.

Die IG Bode-Lachs zeigt sich mehr als enttäuscht von der Landesregierung: „Die Aussagen der zahlreichen Augenzeugen finden keinerlei Gehör, obwohl sterbende Fische direkt ab der Einleitungsstelle beobachtet wurden. Vertrauen in den Ausschuss beziehungsweise in die Mitglieder der Regierungsparteien dort, besteht unsererseits nicht mehr."

Die Ignoranz seitens der Verantwortlichen des Landes sei nicht nachvollziehbar, erst recht bei einem grün geführten Umweltministerium. Die IG Bode-Lachs fordert die Einleitungen der Soda zu stoppen, um „die verheerenden und tödlichen Einleitungen schnellstmöglich zu beenden und die Gefahr für Mensch und Umwelt endgültig zu bannen."