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Fischsterben Lokale Politik wird aktiv

In Staßfurt beginnt die Politik, sich zum Thema Fischsterben zu bewegen. Das Land verweist auf Einleitgenehmigung.

15.08.2019, 23:01

Staßfurt l Das Umweltministerium Sachsen-Anhalt erklärt der Staßfurter Volksstimme: „Wir nehmen die Vorfälle an der Bode sehr ernst.“ Es würden alle notwendigen Schritte zur Aufklärung der Geschehnisse unternommen. „Bisher konnte ein Zusammenhang mit den Einleitungen aus dem Sodawerk Staßfurt weder bestätigt noch ausgeschlossen werden.“

Warum werden Einleitungen der Ciech Soda in Staßfurt überhaupt noch zugelassen? Antwort: „Die Einleitung des Produktionsabwassers in die Bode konnte bis 31. Dezember 2021 befristet zugelassen werden, da diese mit dem Verschlechterungsverbot vereinbar ist und dem Verbesserungsgebot bis Ende 2027 nicht entgegensteht.“ Verschlechterungsverbot heißt: Die Bode, der man einen „schlechten ökologischen Zustand“ und einen „nicht guten chemischen Zustand“ bescheinigt, werde es durch Einleitungen nicht noch schlechter gehen. Allerdings stellen die Begriffe „schlechtes ökologisches Potenzial“ und „nicht guter chemischer Zustand“ bereits die negativen Endpunkte der Bewertungsskala dar.

Ähnlich antwortet das Ministerium in Bezug auf das Naturschutzgebiet (FFH-Gebiet) Bode: Auch bei Tieren und Pflanzen werde es keine Verschlechterung durch Einleitungen geben. Andere Unterlagen dokumentieren an der Bode bereits einen großen Rückgang vieler Arten.

Da das Umweltministerium „keine nachteiligen Auswirkungen“ an der Bode erwartet, soll die Einleitgenehmigung bis 2021 gelten. „Es liegen zurzeit keine Erkenntnisse vor, die Einleitung zu untersagen.“

Einen „Umweltschaden“ sieht das Ministerium auch nicht beim Fischsterben im November 2018 in Staßfurt. Denn eine „vorübergehende Verschlechterung des Zustands eines oberirdischen Gewässers“ wie durch einen Unfall reiche dafür nicht. Ein richtiger Umweltschaden wirke sich langfristig auf den ökologischen und chemischen Zustand aus. Die Havarie 2018 habe „keine messbaren Auswirkungen“ auf die Bode gehabt.

Wie kann ein massives Fischsterben wie in der letzten Woche verhindert werden? Antwort: Die zuständige Wasserbehörde überwache Einleitungen durch regelmäßige Proben, Analysen und Kontrollen der Abwasseranlagen. Bei Verstößen ordne die Behörde an, die Fehler zu beseitigen.

Die Staßfurter CDU will das Fischsterben am 12. September im Stadtrat besprochen sehen, wie Fraktionsvorsitzender Stephan Czuratis mitteilt: „Das Thema wird in der Bevölkerung kontrovers und emotional diskutiert. Dementsprechend viele Anfragen erreichen uns als Stadträte.“ Selbst wenn sich der Stadtverwaltung die formale Zuständigkeit dafür entzieht, seien „doch gerade wir Staßfurter von den Ereignissen in besonderer Weise betroffen“. Das Ziel müsse „ein guter ökologischer Zustand der Bode und der Schutz der beheimateten Arten“ sein.

Bei den Mitgliedern des Staßfurter Umweltausschusses und den Fraktionsvorsitzenden im Stadtrat ist mittlerweile eine Einladung angekommen, wie Stadtrat Matthias Büttner (AfD) mitteilt. Am kommenden Mittwoch sind sie und der Oberbürgermeister zu einer Gesprächsrunde mit der Geschäftsleitung bei der Ciech Soda eingeladen.

Büttners Fraktion im Landtag, wo er auch Abgeordneter ist, formuliert unterdessen weitere Anfragen an die Landesregierung zum aktuellen Fischsterben. Die AfD-Fraktion will in der nächsten Sitzung des Landtags-Umweltausschusses das Fischsterben in Staßfurt und industrielle Einleitungen in Sachsen-Anhalt öffentlich behandeln. Die Grüne-Landtagsfraktion will das Thema auch im Landtag besprechen.

Eine Unterschriftensammlung kündigt die Linke-Stadtratsfraktion in Staßfurt für den Wochenmarkt am heutigen Freitag, 16. August,  9 bis 11 Uhr an. „Besorgte Mitglieder des Stadtrates und von Ortschaftsräten wollen mit einer Unterschriftensammlung die Verantwortlichen auffordern, in Zukunft umweltbewusst zu handeln, damit solche umweltschädigenden Ereignisse der Vergangenheit angehören“, kündigt Fraktionsvorsitzender Klaus Magenheimer an. Die Liste soll dem Oberbürgermeister übergeben werden, um bei der Soda und beim Land Druck zumachen.

Frank Wyszkowski, Vorsitzender der Jungen Union des Salzlandkreises, hatte als Hotelbetreiber in Neugattersleben die Zustände an der Bode kritisiert. Wie er mitteilt, hat ein Staatssekretär des Umweltministeriums einen Besuch der Bode in Staßfurt bereits zugesagt. Zu diesem Termin am kommenden Mittwoch will er Staßfurter Angler sowie engagierte Stadträte einladen.

Zur Dienstaufsichtsbeschwerde, die Landtagsabgeordnete Lydia Funke (AfD) in dieser Woche wegen des Fischsterbens beim Salzlandkreis eingereicht hat, will sich Landrat Markus Bauer (SPD) nicht äußern. Darüber müsse generell der Kreistag befinden, so Bauer.

Dennoch gibt er eine Erklärung heraus. Darin betont der Landrat wegen der öffentlichen Diskussion zum Fischsterben und der vielen Fragen, die ihn dieser Tage erreichen, dass der Landkreis-Bereitschaftsdienst bei der Bode-Verfärbung vor Ort war und alle „Maßnahmen zur Ermittlung und Abwehr möglicher Gefahren“ getroffen habe. Gleich darauf erklärt Bauer, dass seine Behörde nur solange zuständig ist, wie eine Gefahr bestehe. Danach sei das Landesverwaltungsamt als obere Wasserbehörde in der Pflicht.

Markus Bauer bietet sich zum gemeinsamen Handeln vor Ort an. „Ich setze mich dafür ein, den Sachverhalt aufzuklären und die Probleme gemeinsam zu lösen“, so der Landrat. In welchem Format und wie dies stattfinden soll, teilt er nicht mit.