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Interview Nicht an anderen Städten orientieren

Staßfurts Oberbürgermeister Sven Wagner blickt im Gespräch mit Volksstimme-Reporter Enrico Joo auf 2019 zurück und auf 2020 voraus.

01.01.2020, 23:01

Volksstimme: Herr Wagner, Sie sind passionierter Läufer. Sie nehmen bei Volksläufen teil, auch beim Salzlandlauf in Staßfurt waren Sie im Mai am Start. Dort hatten Sie über die zehn Kilometer eine Zeit von 50:43 Minuten. Das ist recht beachtlich. Wollen Sie die Zeit beim Salzlandlauf 2020 noch einmal unterbieten?

Sven Wagner: Für mich steht beim Sport die körperliche Fitness an oberster Stelle, um das Alltagsgeschäft gut zu meistern. Das ist der größte Anreiz. Ich habe gemerkt: Je fitter ich bin und je bewusster ich mit meinem Körper umgehe und mich bewege, desto leistungsfähiger bin ich bei meiner Arbeit als Oberbürgermeister. Ich habe ja auch 35 Jahre lang Fußball gespielt, bin immer noch aktiv bei den Alten Herren beim SV 09. Mein Ziel ist es beim Laufen, zwei Mal die Woche zu trainieren und dabei zwischen zehn und 15 Kilometer am Stück zu laufen nach einer entsprechenden Zeit. Ich wäre froh, wenn ich diese Zeit auch beim nächsten Salzlandlauf wieder erreiche. Aber nur mal so als kleine Episode am Rande: Eigentlich hatte ich in 2019 eine Zeit von unter 50 Minuten, weil die Strecke etwas zu lang bemessen war (lacht).

Im Bereich Digitalisierung und Nachhaltigkeit versucht Staßfurt Duftmarken zu setzen. Kurz vor Weihnachten wurde das freie WLAN am Sperlingsberg freigeschaltet. Am Neumarkt wurden zwei neue Schnellladesäulen aufgestellt. Wie soll es weitergehen? Gibt es neue Projekte, die 2020 angestoßen werden?

Die Digitalisierung wird uns in den nächsten Jahren stark begleiten. Die 38 geplanten WLAN-Standorte, die mit unserer Tochter den Technischen Werken realisiert werden, sind ein Teil der nachhaltigen Entwicklung. Ein weiterer Schwerpunkt ist das schnelle Netz. 1300 Haushalte wurden seit 2018 bereits mit Glasfaserkabel in den Ortsteilen mit unserem Partner der GlasCom in Kooperation mit dem Salzlandkreis ausgebaut. Das ist eine große Hausnummer. Der Bund hat sich vorgenommen, bis 2025 die Haushalte anzuschließen. Das ist ein wichtiger Faktor der Stabilität in Staßfurt. Beim Thema Nachhaltigkeit beschäftigen wir uns natürlich mit dem Thema E-Mobilität. Das ist aber auch ein Thema von Angebot und Nachfrage. Wir wollen die Tür öffnen, aber nicht uferlos. Das muss stückchenweise wachsen. Wir können da unseren Beitrag liefern. In der Verwaltung wurden aktuell zwei E-Autos angeschafft. Diese haben eigene Wallboxen als Ladestation. In Zukunft wird es einige durch die öffentliche Hand und mit Unterstützung von Investoren betriebene Ladesäulen geben, es wird aber auch Ladesäulen im eigenen Zuhause geben. Der dritte Bereich aus meiner Sicht wird jeweils der Arbeitgeber sein. Auch dort wird es vermehrt Lademöglichkeiten geben.

Beim Redakteursrückblick haben wir den Ausrutscher des Jahres bilanziert. Was war Ihr Ausrutscher des Jahres?

2019 war ein langes Jahr. Da fällt mir spontan nichts ein (lacht).

Sie betonen immer wieder, dass in Staßfurt so viel investiert wird wie fast nie. Bis 2023 über 41 Millionen Euro. Was muss denn noch in Staßfurt passieren? Was muss angeschoben werden? Gibt es – von Kitas und Schulen abgesehen – eine Baustelle, die unbedingt beackert werden muss?

Der Plan bis 2023 steht. Darüber hinaus müssen wir schauen, wo wir Schwerpunkte setzen müssen. Wenn aber neue Maßnahmen bis 2023 angegangen werden sollen, müssen wir schauen, welche wir dafür verschieben. Unsere Investitionen sind bis 2023 geplant. Beispielsweise eine neue Drehleiter für unsere Ortsfeuerwehren wird Anfang 2021 kommen. Ein neues Feuerwehrfahrzeug für Neundorf ist geplant. Die Konzeptumsetzung im Strandsolbad ist vorgesehen. Was mir besonders am Herzen liegt, ist die Entwicklung eines Flächennutzungsplans in den nächsten zwei bis drei Jahren. Das ist eine wesentliche Voraussetzung, um kleinere Baugebiete in der Kernstadt und in einigen Ortsteilen vorzuhalten. Das große Ziel ist es, unsere Einwohnerzahl zu stabilisieren. Das ist sehr anspruchsvoll. Danach muss sich alles ausrichten, das steht ganz oben auf der Agenda. Wir müssen Grundlagen schaffen, die Menschen dazu bringen, hierher zu ziehen, aber auch hier zu bleiben. Der Flächennutzungsplan ist dabei ein wesentliches Element. Das wird eine der ersten Aufgaben sein, die ich im neuen Jahr herausgeben werde.

Denken Sie da nur an die Randgebiete oder auch an die Innenstadt? Gerade im Zentrum Staßfurts gibt es ja große Baulücken mit viel Platz.

Es wird da vieles entsprechend beleuchtet. Es gibt bereits erste Vorstellungen.

Für das Jahr 2019 hatten wir bereits einen Vorausblick gewagt und dabei acht Kernprojekte in Staßfurt ausgemacht. Diese waren der Bau des neuen Salzwerks, die Baupläne bei Kress und beim Haus am See, die Sanierungsvorhaben bei Kitas und Schulen, den Ausbau der Innenstadt am Sperlingsberg und am Luisenplatz, die Sanierung von Straßen, die Digitalisierung der Verwaltung und die Umgestaltung der Tafel. Sind Sie zufrieden damit, wie das Jahr 2019 verlaufen ist?

Bei einigen Maßnahmen wollten wir schon viel weiter sein. Das ist ein generelles Problem. Bei Kress sollte zum Beispiel schon im Herbst 2019 Baustart gewesen sein. Das hat sich wegen des Baugenehmigungsverfahrens verzögert. Da waren noch Gutachten erforderlich. Wir gehen jetzt davon aus, dass die Baugenehmigung Ende Januar vorliegt und dann sofort mit dem Bau begonnen wird. Es wird Zeit. Wir freuen uns auf das Projekt. Ich werde schon des Öfteren gefragt, wann es denn endlich losgeht.

Ist dann noch 2020 mit der Eröffnung zu rechnen?

Ja, auf alle Fälle. Beim Haus am See wird im ersten Quartal Richtfest gefeiert. Bei den Kitas und Schulen kann man zudem nur dankbar sein für das vorhandene Verständnis der Eltern, die ihre Kinder woanders hinbringen mussten. Da hat es ja doch ein paar Verzögerungen gegeben. Wir hoffen weiter auf das Verständnis der Eltern. Die Kinder sind in allen Einrichtungen unserer Stadt gut untergebracht. Wir haben jetzt eine aktive Kommunikationslinie mit unseren Einrichtungen verabredet, damit die betroffenen Eltern von unserer Seite aus aktiv über das jeweilige Baugeschehen informiert werden. Das startet ab Januar.

Wie schätzen Sie allgemein die Lage in der Innenstadt ein? Muss die Steinstraße noch mehr belebt werden?

Die Belegung der Steinstraße ist auf einem hohen Niveau. So hoch wie in den letzten Jahren nicht. Mit dem Citymanager der Wirtschaftsförderung Stefan Beyer haben die Händler einen guten Ansprechpartner. Da haben wir stets Kontakt zu unseren Händlern im zentralen Versorgungsbereich. Worauf ich mich in 2020 freue, ist die Einführung der Staßfurt-Card. Damit werden die Einzelhändler weiter gestärkt.

Sind Sie manchmal neidisch auf andere Städte in der Umgebung mit vergleichbarer Größe und geschlossener Bebauung im Zentrum, weil diese andere Möglichkeiten haben, ihre Innenstadt zu vermarkten?

Staßfurt hat eine andere Ausgangssituation und ist historisch gesehen aus den drei Ortsteilen Altstadt, Mitte und Leopoldshall entstanden. Es gibt eben kein großes Zentrum in der Stadt. Wir müssen uns da nicht an anderen Städten orientieren. Es ist so, wie es ist. Ich bin da auch nicht neidisch oder enttäuscht. Natürlich hat Wernigerode zum Beispiel einen schönen Marktplatz. Aber da vergleicht man Äpfel mit Birnen. Wir sind eine gewachsene Arbeiter- und Industriestadt und keine Kulturmetropole. Wir können trotzdem stolz darauf sein, was hier alles entstanden ist. Das sollte man auch in der Bevölkerung wertschätzen. Es gibt inzwischen auch viele junge Händler in der Innenstadt, und wir haben beispielsweise über 450 kostenlose Parkplätze in der Innenstadt. Das hat meines Erachtens Vorbildwirkung und ist besucherfreundlich.

Die Digitalisierung der Verwaltung wurde 2019 schrittweise vorangetrieben. Was ist da der nächste Schritt?

Es werden elektronische Rechnungen und elektronische Akten eingeführt. Wir werden ab Herbst 2020, so wie es gesetzlich vorgeschrieben ist, die elektronischen Rechnungen bearbeiten können. Bereits jetzt gibt es schon ein digitales Urkundenportal, auf dem Ehe-, Sterbe- und Geburtsurkunden online angefordert und bezahlt werden können.

2019 sollte auch ein neuer Imagefilm für Staßfurt gedreht werden. Was ist daraus geworden?

Die letzten Aufnahmen gab es vor kurzem. Der Auftragnehmer hat uns das ganze Jahr begleitet. Er war beim Salzlandfest, der Strandbadsause und vielen anderen Veranstaltungen dabei. Aus all diesen Aufnahmen wird der neue Imagefilm zusammengestellt, der ja noch dem Leitbildprozess entstammt. Wir wollten bei dem Imagefilm auch keinen Schnellschuss machen. Er soll authentisch werden, daher auch der große Zeitraum bei der Entstehung. Wichtig in 2020 sind auch die Spielplätze, die wir sanieren wollen. Auf der Liste stehen die Spielplätze am Königsplatz, an der Bahnhofstraße in Förderstedt, sowie die Spielplätze am Friedensring und in der Kalkstraße.

Wie schätzen Sie die Kommunikation zwischen Rathaus und Stadträten ein? Da gab es 2019 ein wenig Ärger, Stichwort Südostlink oder Sport- und Mehrzweckhalle Löderburg, wo einige das Gefühl hatten, dass sie nicht rechtzeitig mitgenommen worden. Muss die Informationspolitik verändert werden, fassen Sie sich da an die eigene Nase? Hat Sie 2019 etwas besonders geärgert oder waren Sie über etwas enttäuscht?

Eigentlich hat das Positive bei Weitem überwogen. Sicherlich gab es an der einen oder anderen Stelle auch Meinungsverschiedenheiten. Aber die Verwaltung und der Stadtrat fanden weitestgehend einen Konsens. Die Beschlüsse im Rat wurden auch meist mehrheitlich beschlossen. Enttäuscht waren wir, dass es keine Fördermittel bei den beiden Kitas „Teichspatzen“ in Brumby und „Zwergenland“ in Löderburg gegeben hat. Dort sind wir zunächst nicht in den Bereich der Förderung gekommen. Für die Kita in Löderburg haben wir für die Jahre 2020 und 2021 Investitionen im Bereich des Brandschutzes bereits vorgesehen. Wir bleiben weiterhin aktiv und hoffen auch, dass wir da noch Fördermöglichkeiten generieren können. Darüber hinaus haben wir ein sehr hohes Maß an Kommunikation mit unseren Bürgern und den Räten auf den Weg gebracht. So transparent und kommunikativ wie in den letzten Jahren war die Verwaltung vielleicht noch nie. Ich denke da zum Beispiel an den Staßfurt-Melder mit über 300 Hinweisen in 2019 oder die etwa 400 Anfragen und Anregungen in 2019 in den Gremien. Das hat neue Dimensionen angenommen, und die Beantwortung in angemessener Qualität nimmt entsprechend Zeit und Arbeitskraft in Anspruch. Diesen Anspruch unseren Bürgerinnen und Bürgern, sowie unseren Rätinnen und Räten gegenüber, wollen wir gerecht werden. Es gibt beispielsweise darüber hinaus regelmäßige Treffen mit den Ortsbürgermeistern und auch in bestimmten Intervallen mit den Fraktionsvorsitzenden. Sollte es in der Vergangenheit zu Kommunikationsmissverständnissen im Einzelfall gekommen sein, so bitte ich das zu entschuldigen. Aber wir haben bisher immer einen Weg gefunden, um ordentlich miteinander zu kommunizieren.

Was nehmen Sie sich für 2020 vor?

Ziel ist es, dass wir unsere Vorhaben im Rahmen unseres Haushaltsplanes für das Jahr 2020 entsprechend umsetzen im Interesse eines guten Zusammenwirkens zwischen Verwaltung und Rat für unsere Bürger. Damit wir in Staßfurt eine lebens- und liebenswerte Stadt weiterhin haben und positiv auf uns aufmerksam machen. Man soll auf uns schauen und sagen, dass Staßfurt ein guter Ort zum Wohnen, zum Leben und zum Arbeiten ist. In diesem Sinne wünsche ich allen Bürgern unserer Stadt sowie allen Leser der Volksstimme ein gesundes, zufriedenes, erfolgreiches Jahr 2020.