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Jugendsozialarbeit Jugendclubs an der Belastungsgrenze

Mit wenig Personal wuppen drei Festangestellte dank ehrenamtlicher Helfer und Maßnahmekräften die neun Jugendclubs der Stadt Staßfurt.

16.11.2018, 03:00

Hohenerxleben/Staßfurt l Der junge Mann mit der Zahnspange, der gepflegten Kurzhaarfrisur und der Brille fällt kaum auf. Mit seinen gerade einmal 19 Jahren ist Lukas Tran streng genommen selbst noch ein Jugendlicher. Und doch ragt der Staßfurter im Jugendclub Hohenerxleben heraus. Mit einem Lächeln auf den Lippen leitet er die Jugendlichen an. Zweimal die Woche ist Lukas Tran in der kleinen Ortschaft zu Gast, um dort als ehrenamtlicher Helfer dafür zu sorgen, dass die Jugendlichen im Ort einen Anlaufpunkt haben.

Lukas Tran ist ein positives Auslaufmodell. Als engagierter und dazu noch sehr junger Bürger zeigt er Jugendlichen, die nicht wissen, wohin mit der Kreativität, wie sie ihre Freizeit sinnvoll gestalten können. Generell gibt es kaum Engagement dafür. Oder wie es Stadtjugendpflegerin Jessica Krengel-Lienau ausdrückt: „Es gibt keine Bereitschaft für das Ehrenamt. Ich höre oft, dass einfach Geld in die Hand genommen werden und welche eingestellt werden sollen.“

Nur: Die Kasse ist klamm. Gerade einmal drei Festangestellte gibt es in den neun Jugendclubs der Stadt, nur dank der acht ehrenamtlichen Helfer gelingt es überhaupt, ein so dichtes Netz anzubieten. „Ideal wäre es, in jedem Jugendclub einen Festangestellten zu haben. Aber das ist utopisch“, sagt Krengel-Lienau. „Wir bräuchten auch viel, viel mehr ehrenamtliche Helfer.“ Aber die fallen nicht vom Himmel.

Tran organisiert seit Juli 2018 in Hohenerxleben Tischtennis-Turniere, Gesellschaftsspiele oder einen Backclub, packt Projekte an oder daddelt einfach mit den Jugendlichen an der Playstation. Er versteht das als wichtigen sozialen Auftrag. „Ich will später einmal soziale Arbeit studieren“, sagt er. „Da kann ich praktische Erfahrung sammeln.“ Derzeit macht Tran ein Freiwilliges Soziales Jahr in der Kindertagestätte „Sandmännchen“ in Staßfurt. Dazu ist er seit 2015 auch noch parallel im Jugendbeirat aktiv, den er selbst mitgegründet hat. Sein Motto ist „einfach machen“.

In der Kommunalpolitik ist er Interessenverteter für Jugendliche. Er regt Kinoprojekte an, fragt bei Basketball-Plätzen nach, sorgt einfach dafür, dass das Leben junger Menschen in Staßfurt mit Freude erfüllt ist. „Freunde fragen mich, warum ich das mache“, so Tran. „Ich antworte immer: Warum nicht? Es macht einfach riesigen Spaß.“ Nebenbei spielt er noch Fußball beim FC Bode Löderburg. Wenn er Zeit hat, auch noch Basketball oder Badminton.

Na klar. Es bräuchte mehr Lukas Trans auf dieser Welt. Denn Jugendclubs sind noch immer zeitgemäß und ein wichtiges soziales Teilhabeinstrument für Jugendliche. „Die Kinder und Jugendlichen kommen von allein“, so Krengel-Lienau. „Der Bedarf ist groß. Da sind Jugendliche dabei, die total aus dem System raus sind. Die haben keine Ausbildung, ein schlechtes Elternhaus oder sind suchtabhängig“, zählt Krengel-Lienau auf. Die Einrichtungen der Stadt sind also auch ein soziales Auffangbecken für Pro-blemkinder.

Es sind zu wenig Jugendclubs, aber kleine Erfolgsmeldungen gibt es doch. So konnte der Jugendclub Förderstedt nach den Sommerferien 2018 wieder öffnen. „Da hat sich der Ortschaftsrat für eingesetzt“, lobt Krengel-Lienau. Dabei hilft ein Mitarbeiter aus dem „Teenietreff“ in der Kernstadt, dass der Jugendclub in Förderstedt Montag und Dienstag für sechs Stunden geöffnet hat. Das geht aber eben nur, weil im Gegenzug im Teenietreff derzeit Maßnahmekräfte dafür sorgen, dass dieser noch täglich öffnen kann.

Die Neueröffnung des Jugendclubs in Förderstedt war ein wichtiges Zeichen. „Dort haben wir jedes Mal um die 20 Besucher“, sagt Krengel-Lienau. Verlängerte Öffnungszeiten könnten für Entspannung sorgen. Aber auch hier: das Geld fehlt. „Wir sind immer auf Fördermittel und Spenden angewiesen“, so Krengel-Lienau. So muss auch die Stadtjugendpflegerin, die eigentlich ein koordinierendes Scharnier zwischen Jugendarbeit und Stadt ist, selbst an der Basis aushelfen und die Ortschaften abklappern, um den laufenden Betrieb aufrecht erhalten zu können. Auch, weil das eng bemessene Personalkorsett dadurch enger geschnürt wird, dass auch die Landjugendpflegerin seit längerer Zeit erkrankt ist.

Niederschwellige Schulpräventionsarbeit oder Projekte zur Suchtprävention werden angegangen. Der gesündere Umgang mit Alkohol wird beim Mixen von alkoholfreien Cocktails angeleitet, in Glöthe wurde die Fassade des Jugendclubs neugestaltet, um Jugendlichen eine Möglichkeit aufzuzeigen, ihre Unzufriedenheit anders zu kanalisieren. Doch die Zukunft des Jugendclubs in Glöthe ist offen. Weil Ende des Jahres und im März 2019 mehrere Maßnahmekräfte wegfallen, wackelt auch der Jugendclub. Im neuen Jahr werden die Öffnungszeiten verkürzt. Statt fünf Mal wird der Jugendclub nur noch zwei- oder dreimal in der Woche öffnen. Natürlich ist das Bestreben groß, diesen nicht schließen zu müssen. „Wenn der Jugendclub schließt, gehen die Jugendlichen wieder am Steinbruch zelten und schmeißen sich dort Pillen ein“, drückt es Krengel-Lienau drastisch aus.

Da braucht es eben auch Typen wie Lukas Tran, die nicht akzeptieren wollen, dass Jugendliche ziellos in die Zukunft schlittern. Aber es braucht mehr davon. Freilich werden händeringend Ehrenamtliche für die Kinder- und Jugendeinrichtungen der Stadt gesucht.

Sie wollen die Jugendclubs als ehrenamtlicher Helfer unterstützen? Bei Interesse können Sie Kontakt zu Jessica Krengel-Lienau unter 03925/981 353 oder jessica.krengel-lienau@stassfurt.de aufnehmen.