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Rückkehrermesse Überraschung nach Weihnachten

Es gibt gute Arbeitsplätze im Salzlandkreis, zeigten Firmen auf der 2. Jobmesse für Pendler und Rückkehrer in Staßfurt.

28.12.2018, 09:00

Staßfurt/Schönebeck l Christian Gläser hat die Nase voll. Ein Arbeitsweg von 900 Kilometern, und das seit über zehn Jahren. So lange schon arbeitet der Staßfurter als Trockenbauer in der Schweiz. So lange schon kommt er nur alle zwei Wochen nach Hause. Wie sein Vater Hans-Günter Gläser. Die heute 38- und 61-Jährigen Staßfurter hatten diesen Weg gewählt, weil sie damals für eine hiesige Firma nicht länger „weit unter Tarif arbeiten“ wollten. Diese Firma gebe es im Übrigen nicht mehr.

Umso mehr Firmen in der Heimat suchen mittlerweile händeringend nach Arbeitskräften. 1500 offene Stellen hat die Arbeitsagentur Bernburg momentan anzubieten. 200 konkrete Fachkräfte-Angebote aus den verschiedensten Branchen (Verkauf, Metall, Chemie, Dachbau, Pflegebereich ...) hatte die Behörde gestern zur Jobbörse ins Sparkassenschiff „mitgebracht“ – in der Hoffnung, „dass sich Besucher dafür interessieren, die in der Regel nicht in der Agentur gemeldet sind“, wie Agentur-Pressesprecherin Heike Wunschik erklärt.

Die Zahl der auf der Staßfurter Jobmesse auf direktem Wege Arbeitskräfte suchenden Arbeitgeber hat sich seit der Premiere vor einem Jahr von elf auf 28 erhöht.

Warum die Schönebecker Firma Ambulanz-Mobile beispielsweise zehn Leute – Fahrzeugbauer, Elektroniker/Elektriker, Entwicklungs-Ingenieure ... – suchen muss? „Vielleicht liegt es am fehlenden Bewusstsein, dass es so eine Firma wie unsere hier gibt“, meint Personalreferent Patrick Scheller. Das Unternehmen hat immerhin 300 Mitarbeiter, rüstet 1600 Rettungsfahrzeuge pro Jahr auf, auch für Kunden in Übersee. „Wir haben zwar Takte, aber keine Fließband-Produktion. Ich würde es Manufaktur nennen“, so Scheller, der im Übrigen erstaunt ist, dass die Messe von der ersten Stunde an so gut läuft, obwohl man normalerweise an so einem Tag zwischen Weihnachten und Neujahr wohl lieber zu Hause wäre.

Unter den Ausstellern im Sparkassenschiff auch die größte Mühle Europas. Die Saalemühlen Alsleben würden sofort zehn Mitarbeiter einstellen: Kfz-Mechatroniker, Kraftfahrer, Software-Entwickler, Verfahrenstechnologen (Müller). Die Mühle produziert nicht nur 1100 Tonnen Mehl täglich. Ohne das Unternehmen gäbe es vermutlich auch die Schule im Ort nicht mehr. Es hat auch die Kita „Alter Bahnhof“ saniert, unterstützt den Freibad-Erhalt. Vereine werden von den Saalemühlen unterstützt.

Großes Potenzial für gesellschaftliches Engagement sieht unterdessen auch Landrat Markus Bauer bei denjenigen, die (noch) viel Freizeit fern der Heimat verbringen. „Familie und Verein statt Autobahn! Woran liegt es denn, dass uns Mitglieder in Feuerwehr und THW fehlen? Weil viele zu lange unterwegs sind zwischen Wohn- und Arbeitsort und einfach keine Zeit mehr für andere Dinge haben. Der Gesellschaft gibt es immer mehr, wenn zum Beispiel der Vater sein Kind zum Verein bringen oder er selbst in einem aktiv sein kann.“

„Ich möchte mit fast 40 Jahren endlich eine Familie gründen“, drückt Trockenbauer Christian Gläser seinen größten Wunsch aus. Wenn man nach zwei Wochen „on tour“ nicht mal 48 Stunden zu Hause verbringen kann, sei ein schönes Familienleben einfach nur Illusion.

Für die Bernburger Arbeitsagentur-Chefin Anja Huth war die zweite Auflage der „Daheim“-Jobmesse gestern in Staßfurt schon anhand der 230 Besucher „sehr zufriedenstellend“. „Der Zuspruch war großartig. Die Unternehmen wollen alle 2019 wieder dabei sein. Es wurden konkrete interessante Gespräche geführt, auch schon Bewerbungsmappen von interessanten Menschen dagelassen.“ Die Besucher seien dankbar für die Möglichkeit gewesen. Jetzt müsse man schauen, wie nachhaltig die Jobmesse war.

Die übrigens auch Kay Senius als Chef der Regionaldirektion der Arbeitsagentur Sachsen-Anhalt und Thüringen besuchte und als „gelungene Initiative“ bezeichnete. Es sei einfach wichtig, dass Regionen wie das Salzland zeigen, dass sie gut bezahlte Arbeitsplätze zu bieten haben.

Letzteres hob Holger Naumann neben hevorragenden vorhandenen „weichen Standort-Faktoren“ wie Kita-Plätze und relativ niedrige Lebenshaltungskosten als entscheidend hervor. „Wir müssen die Gehälter anpassen, haben das teilweise auch schon. Anders schaffen wir das auch nicht“, so der Chef der Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Salzlandkreises.