Vogelgrippe Ansteckungsgefahr gering
Martina Unger ist Amtsärztin im Salzlandkreis und beantwortet im Volksstimme-Interview Fragen rund um die Vogelgrippe.
Was ist die Vogelgrippe und wie gefährlich ist sie für den Menschen?
Martina Unger: Die Vogelgrippe - auch Geflügelpest oder aviäre Influenza genannt - ist vor allem eine Vogelkrankheit. Sie wird durch verschiedene Grippeviren übertragen und ist insbesondere für Hühnervögel (Hühner, Puten, Fasane) gefährlich. Dabei muss zwischen den für Vögel hoch- und niedrigpathogenen Formen unterschieden werden. Zu den hochpathogenen aviären Influenzaviren (HPAI) zählt der Subtyp A(H5N8). Erkrankungen beim Menschen durch A(H5N8) sind bisher nicht beobachtet worden, können aber nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Der ebenfalls zu den HPAI zählende Subtyp A(H5N1) hat sich seit 2003 von Süd-Ostasien ausgehend in viele andere Länder verbreitet. Seitdem sind von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weltweit knapp 850 Erkrankungsfälle durch diesen Subtyp beim Menschen bestätigt worden (Stand Oktober 2016).
Etwa 60 Prozent dieser Erkrankten sind an den Folgen der Infektion gestorben, meistens in Südostasien. Menschliche Erkrankungs- und Todesfälle in einem europäischen Land sind 2006 in der Türkei aufgetreten. Im Jahr 2008 sind in Niedersachsen Erkrankungen bei Nutzgeflügel durch niedrigpathogene aviäre Influenzaviren (LPAI) des Subtyps A(H5N3) festgestellt worden. Dieser Typ ist allenfalls bei engem Kontakt zu betroffenem Geflügel auf den Menschen übertragbar. In einzelnen Fällen fand im Rahmen eines engen körperlichen Kontaktes vermutlich eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung statt, anhaltende Infektketten konnten aber ausgeschlossen werden. Dabei wurden in einigen Fällen milde Erkrankungen wie Bindehautenzündung oder ein leichter grippaler Infekt hervorgerufen.
Wie wird die Vogelgrippe übertragen?
Vögel scheiden das Vogelgrippevirus mit dem Kot aus und übertragen die Krankheit so auf andere Vögel. Bei der Übertragung auf den Menschen stellen das Einatmen von mit dem Vogelgrippevirus verunreinigten Staubpartikeln oder eine mangelnde Händehygiene nach Kontakt mit verseuchten Tieren, deren Federn, Sekreten oder Fleisch vermutlich die hauptsächlichen Übertragungswege dar.
Also ist nicht ganz ausgeschlossen, dass Menschen sich anstecken können?
Menschen können sich in aller Regel nur sehr schwer mit Vogelgrippeviren anstecken. Da es sich in erster Linie um eine Vogelkrankheit handelt, wird die Krankheit von kranken Vögeln auf andere Vögel weitergegeben. Sie kann aber auch von bereits verstorbenen Vögeln über Aasfresser übertragen werden. Soweit bekannt, hatten alle bisher an HPAI erkrankten Menschen engen Kontakt zu infiziertem beziehungsweise erkranktem Geflügel oder deren Federn etc. Aus diesem Grund sind auch in erster Linie Geflügelhalter, Tierärzte und Menschen anderer Berufsgruppen gefährdet, die häufigen und direkten Kontakt zu Geflügel haben.
Kann man sich gegen die Vogelgrippe impfen lassen?
Nein. Es gibt derzeit keinen Impfstoff für Menschen, gegen diese Viren. Sollte das Virus sich so verändern, dass es leicht von Mensch-zu-Mensch übertragen wird, so wird die Weltgesundheitsorganisation Empfehlungen zur Impfstoffherstellung aussprechen.
Eine übliche Grippeimpfung nützt auch nichts?
Der normale Influenza-Impfstoff zur Vorbeugung der menschlichen saisonalen Grippe schützt nicht vor der Vogelgrippe. Trotzdem ist eine Influenzaimpfung zu empfehlen. Damit kann in den meisten Fällen eine Grippeerkrankung vermieden werden, die bei Aufenthalt in von Vogelgrippe betroffenen Ländern oder bei Rückkehr nach Deutschland fälschlicherweise mit einer Vogelgrippe verwechselt werden könnte. Darüber hinaus ist es wichtig, eine gleichzeitige Infektion mit menschlichen und tierischen Influenzaviren zu verhindern, um damit der Entwicklung eines neuen, sich möglicherweise weltweit ausbreitenden Influenzavirus entgegenzuwirken.
Wie kann sich der Mensch vor einer Ansteckung schützen?
Ein direkter Kontakt zu kranken oder verendeten (Wild-)Vögeln sollte unbedingt vermieden werden. Das gilt insbesondere auch für Kinder. Wenn bekannt ist, dass in einer Region Wildvögel an HPAI erkrankt sind, sollte das Auffinden toter Wildvögel umgehend dem zuständigen Veterinäramt, der Polizei oder der Feuerwehr mitgeteilt werden. Bei Reisen in Länder oder Regionen, in denen Fälle von HPAI auftreten, besteht die wichtigste Vorbeugemaßnahme darin, Kontakt zu lebendem oder totem Geflügel und Wildvögeln zu vermeiden. Vogel- oder Geflügelmärkte sollten dort nicht besucht werden. Generell wird bei Aufenthalt in Ländern mit endemischer Vogelgrippe, das heißt landesweiter Verbreitung der Vogelgrippe als Vorsichtsmaßnahme eine gründliche Händehygiene empfohlen.
Wie wird die Vogelgrippe bei Menschen im Fall der Fälle diagnostiziert?
Der Verdacht auf eine Erkrankung durch das Vogelgrippevirus besteht bei Menschen, die sich a) in Regionen aufgehalten haben, in denen es nachweislich Vogelgrippe-Erkrankungen gibt, die b) Kontakt zu infizierten oder erkrankten Vögeln oder Menschen hatten und c) die entsprechenden klinischen Symptome aufweisen. Mit Hilfe eines Schnelltestes kann dann zunächst geprüft werden, ob es sich um eine Infektion mit einem Influenza A-Virus handelt. Zur Bestätigung, ob es sich tatsächlich um ein die HPAI verursachende Virus Influenza handelt, werden dann weitere Laboruntersuchungen vor Ort und in Speziallaboren der Weltgesundheitsorganisation durchgeführt.
Zu welchem Krankheitsbild führt dann eine Infektion mit dem Vogelgrippe-Virus?
Eine Ansteckung mit einem HPAI-Virus, führt zu einem Krankheitsbild, das einer Grippe (Influenza) sehr ähnlich ist. Im Vordergrund stehen hohes Fieber, Husten, Atembeschwerden und Halsschmerzen. Kennzeichnend ist, dass diese Beschwerden sehr plötzlich einsetzen und von einem schweren Krankheitsgefühl begleitet werden. Daneben können Muskel-, Glieder- und Kopfschmerzen und Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall, Übelkeit und Erbrechen auftreten. Bei einem Teil der Erkrankten kann es zu schweren Krankheitsverläufen mit Lungenentzündung Lungenversagen, Multiorganversagen und tödlichen Verläufen kommen.
Wie wird die Erkrankung behandelt?
Eine Erkrankung an HPAI kann mit so genannten Neuraminidasehemmern, wie Oseltamivir (Tamiflu®) und Zanamivir (Relenza®) behandelt werden. Diese Medikamente sollen verhindern, dass sich das Virus im Körper ausbreitet und so den Verlauf der Erkrankung mildern. Oseltamivir und Zanamivir sollten nur nach ärztlicher Verordnung oder im Krankenhaus verabreicht und möglichst bald nach Einsetzen der Beschwerden und Bestätigung der Diagnose, möglichst innerhalb der ersten 48 Stunden, eingenommen werden. Daneben wird symptomatisch, zum Beispiel mit Mitteln gegen Fieber, Schmerzen, Husten oder Kreislaufprobleme behandelt.
Wie können besonders Kinder geschützt werden?
Da es sich bei der Vogelgrippe um eine Tierseuche handelt, braucht niemand Angst vor der Vogelgrippe zu haben. Auch für Haustiere wie Hunde, Katzen oder Wellensittiche besteht so gut wie keine Ansteckungsgefahr - insbesondere nicht, wenn diese die Wohnung nicht verlassen. Wichtig ist, dass Kinder verstehen, dass sie grundsätzlich keine toten Vögel anfassen sollen. Außerdem sollten sie einem Erwachsenen Bescheid sagen, wenn sie einen toten Vogel entdecken. In einem Gebiet, in dem die Vogelgrippe nachweislich festgestellt wurde, sollten auch keine Federn gesammelt werden. Ebenso sollte in diesem Fall auf engen Kontakt mit Katzen oder Hunden (z.B. Schmusen) verzichtet werden, wenn sie unbeaufsichtigten Auslauf hatten. Darüber hinaus sollte darauf geachtet werden, dass sich Kinder die Hände waschen, nachdem sie draußen gespielt haben oder Kontakt zu Tieren hatten.
Kann der Mensch bedenkenlos Geflügelprodukte, Fleisch und Eier, essen?
Nach heutigem Wissensstand ist der Verzehr von so zubereiteten Geflügelgerichten und Eiern unbedenklich. Die Möglichkeit einer Übertragung durch rohe Geflügelprodukte wird vermutet. Unter Beachtung der üblichen hygienischen Maßnahmen wie sorgfältige Reinigung der Arbeitsmittel vor und nach der Zubereitung der Speisen und gutes Durchgaren von Eiern und Geflügel, können diese Lebensmittel ohne Einschränkungen gekauft und verzehrt werden. Influenzaviren werden durch Kochen oder längeres Erhitzen - mindestens 30 Minuten mit Temperaturen über 70 Grad Celsius - inaktiviert, so dass bei gut durchgegarten Speisen oder Geflügelprodukten keine Infektionsgefahr besteht. Bislang gibt es keine Hinweise, dass sich ein Mensch nur durch den Verzehr von infiziertem Geflügelfleisch mit der Vogelgrippe angesteckt hat.
Gibt es Kontrollen beim Verkauf von Geflügelprodukten?
Auch wenn einzelne Geflügelbestände in Deutschland oder anderen europäischen Ländern von der aviären Influenza betroffen sind, wird durch unverzüglich in Kraft tretende Maßnahmen verhindert, dass Eier oder andere Geflügelprodukte aus diesen Betrieben in den Handel gelangen. Weltweit wurden Regelungen geschaffen, um das Ein- und Verschleppen des aviären Influenzavirus über Lebensmittel oder Geflügel zu verhindern.
Können Hunde und Katzen gefahrlos im Freien herumlaufen?
Nur teilweise. Äußerste Vorsicht gilt, wenn wie im Fall von Brumby, Sperrgebiete eingerichtet werden, um eine Weiterverbreitung der Erkrankung zu verhindern. In den Sperrzonen (drei Kilometer) und Überwachungszonen (zehn Kilometer) um die von Geflügelpest betroffenen Tiere und Betriebe herum müssen Hunde deshalb angeleint werden. Katzen dürfen in diesen Gebieten nicht frei herumlaufen. Haustierhalter sollten dringend darauf achten, die Grundregeln der Hygiene im Umgang mit ihren Tieren zu beachten und sich vor allen Dingen an die Schutzmaßnahmen in den Sperrzonen und Überwachungszonen zu halten. Außerhalb der Überwachungszonen besteht keine Gefahr. Haltern wird trotzdem empfohlen, die Tiere gut zu beobachten und bei Krankheitssymptomen oder auffälligem Verhalten einen Tierarzt aufzusuchen.
Können sich andere Haustiere mit Vogelgrippe anstecken und damit wieder für den Menschen gefährlich sein?
Der natürliche Wirt sind Wasservögel. Andere wilde Vögel wie etwa Singvögel sind weniger oder nicht betroffen. Gefährdet ist aber auch Hausgeflügel. Die Möglichkeit, dass sich eine Katze mit der Vogelgrippe ansteckt, wenn sie zum Beispiel einen Vogel frisst, der das Virus in sich trägt, ist gegeben. Doch selbst wenn die Katze sich anstecken sollte, ist die Wahrscheinlichkeit einer Weitergabe oder einer Übertragung der Krankheit auf den Menschen als gering einzuschätzen. Bislang wurde weltweit keine Übertragung der Vogelgrippe von einer Katze auf den Menschen nachgewiesen. Für eine Übertragung und Verbreitung der Vogelgrippe spielen Katzen deshalb nach derzeitigem Kenntnisstand keine Rolle. Belastbare Hinweise auf eine epidemiologisch relevante Rolle von Hunden bei der Verbreitung der Vogelgrippe gibt es bislang ebenfalls nicht.
Was ist zu tun, wenn man einen toten Vogel findet?
Tote Vögel sollten grundsätzlich nicht direkt angefasst werden, da auch andere Krankheiten übertragen werden können. Sofern man nicht in einer Sperrzone oder Überwachungszone lebt, können sie zum Beispiel mit Hilfe einer Schaufel aufgenommen und im Garten vergraben oder in einer Plastiktüte in den Müll entsorgt werden. Sollte es sich um einen toten Wasservogel oder Greifvogel in einer Sperrzone oder Überwachungszone handeln, sollte der Vogel auf keinen Fall angefasst werden und die Polizei, die Feuerwehr oder die Gemeinde informiert werden. Die Tiere werden dann abgeholt und zur Untersuchung in ein Labor gebracht. Singvögel und Tauben spielen nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen als Überträger der Vogelgrippe keine Rolle.
Was ist zu beachten, berührt man einen toten Vogel oder beschmutzt sich mit Vogelkot?
Hier steht gründliche Händehygiene an erster Stelle, also sorgfältiges Waschen der Hände mit Seife. Das ist wichtig, da über tote Tiere und Vogelkot auch andere Krankheiten übertragen werden können. Verschmutzte Kleidungsstücke kann man ganz normal in der Waschmaschine waschen.