Wipperhochwasser Das Sahnehäubchen aller Schutzbauten
Das Wipper-Rückhaltebecken bei Wippra soll 2019 fertig werden. Am Freitag konnte man die Baustelle besichtigen.
Wippra/Güsten l Sanft plätschert die Wipper dahin, durch ihr Flussbett, das neu mit Wasserbausteinen ausgelegt ist. Darüber spannt sich ein monumentales, 17 Meter hohes Bauwerk aus 8000 Kubikmeter Beton und 1600 Tonnen Bewehrungsstahl. Wie passt das zusammen in diesem lieblichen Tal?
Die Antwort liegt fast 25 Jahre zurück. Das verheerende „Jahrhundert“-Hochwasser der Wipper, dieses „launischen Harzflüsschens“, wie es schon unsere Vorfahren beschrieben, zerstörte 1994 viel Hab und Gut entlang seiner Ufer. Von Wippra bis Bernburg, bis ins Güstener Becken und Staßfurt, wo die Liethe auch das bei Warmsdorf abgezweigte Wipperwasser nicht mehr in die Bode ableiten konnte, weil diese selbst Hochwasser führte.
Aus dieser Katastrophe, allein in Staßfurt sprach man zu dieser Zeit von 80 Millionen Mark Schaden, wurde vom Land ein Hochwasserschutz-Konzept entwickelt. Aus der Flussgebietsstudie wurden zahlreiche Projekte abgeleitet mit Wehren, mit Deichneubauten und -sanierungen, mit dem Kernstück aller Maßnahmen: einem Hochwasser-Rückhaltebecken bei Wippra.
Die Gelegenheit der Baustellenbesichtigung, zu der der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) als Auftraggeber nun am Freitag eingeladen hatte, nutzten etliche interessierte Bürger. Ältere sprechen von einer bereits in den 1950-er Jahren geplanten Hauptsperre, etwa an dieser Stelle, die dann doch nicht gebaut wurde.
Auch die Grundschule Wippra im Rahmen ihrer monatlichen Exkursion und die benachbarte Kita „Lustige Spatzen“ wollen die riesigen Dumper fahren sehen und etwas erfahren. Erzieherin Kerstin Schröder erinnert sich: „Wir waren 1994 abgesoffen.“ Als die Pläne für das Bauwerk vorgestellt wurden, sei man anfangs ja skeptisch gewesen, weil auch die Wanderwege für die Kita verschwinden sollten. „Aber natürlich sind wir nun froh über den Schutz“, so die Kindergärtnerin. Und einen neuen Wanderweg wird es als Ersatz entlang des Beckens auch geben, bis zur Wipper-Talsperre, eine sogenannte Vorsperre etwa fünf Kilometer flussaufwärts.
Die beiden Bauwerke sind nicht zu vergleichen. Das untere wird auch als „Grüner Damm“ beschrieben. „Die Natur erfährt hier wenig Verlust“, erklärt die LHW-Projektverantwortliche Sigrid Schulmann. „Das Tal bleibt im Grunde, wie es ist und steht weiter für Wandern und Landwirtschaft zur Verfügung. Es ist keine Talsperre, wo ständig Wasser gestaut wird. Das passiert nur im Hochwasserfall, ab einem HQ 5.“ Das heißt, das komme nach statistischen Erhebungen alle fünf Jahre vor und liege bei einem Zufluss von 16 Kubikmetern pro Sekunde. Acht würde das Durchlassbauwerk weiter abfließen lassen. Das Fassungsvermögen für das Rückhaltebecken liegt im Fall eines HQ 100 (Jahrhundert-Hochwasser) mit einem Zufluss von 65 Kubikmeter pro Sekunde bei 4,5 Millionen Kubikmetern Wasser. Das würde dann bis zur Wipper-Talsperre reichen.
Am Tag der offenen Baustelle plätschert die Wipper mit nicht mal einem halben Kubikmeter pro Sekunde dahin.
LHW-Chef Burkhard Hennig sieht in dem Rückhaltebecken das „Sahnehäubchen“ aller bisher umgesetzten Maßnahmen. Das wurde mit 20 Millionen Euro veranschlagt - einschließlich Ausgleichsmaßnahmen. 2006 waren die Planungen eingereicht worden, dann wurde akribisch auf einhaltung aller EU-Richtlinien geprüft. Starten konnte der Bau 2014. Die Fertigstellung ist für Sommer 2019 geplant.