Soziales Der Kaiserhof den Bürgern
Die Staßfurter sind dazu aufgerufen, sich beim „Soziokulturellen Zentrum“ mit Ideen zu beteiligen.
Staßfurt l Kreative Kurse für groß und klein. Ansprechpartner für Fragen bei Sucht. Mitmachaktionen in Sachen Ernährung, Reparatur, ein Bürgercafé, dazu natürlich die Tafel. Wenn es nach dem Willen engagierter Kreativer, der Stadt Staßfurt und der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Salzland geht, dann wird in diesem Jahr mitten in Staßfurt ein soziales Begegnungszentrum mit allerlei sozialen Angeboten geschaffen und ausgebaut.
Der geneigte Staßfurter kennt den Kaiserhof an der Bode ja schon seit Jahren als den Sitz der Tafel. Daneben wurde in der Arbeitsgruppe „Soziokulturelles Zentrum“, in der Mitarbeiter der Stadt und Stadträte sitzen, auch darüber debattiert, welche Möglichkeiten es gibt, eben dieses „Soziokulturelle Zentrum“ herzurichten. Die Awo hatte im Sommer 2020 die Tafel übernommen. Dazu wird im Kaiserhof bald die Kreativwerkstatt „Bunte Insel“ samt Kindercafé einziehen. Weitere soziale Anlaufpunkte sind gewünscht.
Die Ideen dazu werden konkreter. Bei der Umsetzung ist aber auch der Stadtrat gefragt. Durch die Ausschüsse ging in dieser Woche ein Beschlussvorschlag der Stadt. In diesem heißt es: „Der Stadtrat der Stadt Staßfurt beschließt die Zahlung eines Zuschusses an die Schloss Theatrum Herberge Hohenerxleben Stiftung in Höhe von 6000 Euro für das Bürgerbeteiligungsprojekt ‚Der Kaiserhof den Bürgern‘.“
Worum geht es? Die „Bunte Insel“ allein ist bereits seit 2018 ein wichtiger Baustein für die Kinder- und Jugendarbeit in Staßfurt. Kunstkurse zur Belebung und kreativen Verschönerung werden umgesetzt, auch weil die „Schloss Theatrum Herberge Hohenerxleben Stiftung“ über das Bundesprogramm „Kultur macht stark“ immer wieder Fördermittel beantragt.
Dazu haben einzelne Bürger bereits Ideen geäußert zur weiteren Belebung des Kaiserhofs. Ein Bürgercafé, eine offene Reparaturwerkstatt oder ein Bioladen wurden angeregt. Mit Bioladen ist dabei eine „Foodcoop“ gemeint. Eine größere Gruppe kauft dabei Lebensmittel direkt vom Erzeuger. Es werden Mindestbestellmengen zum Beispiel im Großhandel erreicht, was zu Rabatten führt. Es kursieren aber noch viele weitere Ideen. „Das ‚Soziokulturelle Zentrum‘ ist auch eine Fortführung des Leitbildprozesses und fußt darauf“, heißt es aus dem Rathaus der Stadt Staßfurt.
Das besondere an der Idee ist: Das „Soziokulturelle Zentrum“ soll von unten wachsen und nicht von oben aufgesetzt werden. Es geht um Identifikation.
Mit Hilfe eines Beteiligungsprozesses sollen Ideen in breiter Öffentlichkeit gebündelt und vernetzt werden. Die Staßfurter sollen selbst bestimmen, was sie sich im Kaiserhof an Angeboten wünschen.
Für diesen Bürgerbeteiligungsprozess sind insgesamt 75 000 Euro veranschlagt. „Fördermittel in Höhe von 60 000 Euro beantragt die Schloss Theatrum Herberge Hohenerxleben Stiftung über das Leader-Programm“, heißt es in der Beschlussvorlage. Das Projekt wurde bereits als förderwürdig beurteilt. Der Eigenanteil beträgt 15 000 Euro. Dafür ist ein einmaliger Zuschuss der Stadt Staßfurt in Höhe von 6000 Euro notwendig. Dabei muss keine Erhöhung des Haushaltsbudgets erfolgen. Es können Gelder von Vorhaben berücksichtigt werden, die aus jetziger Sicht in 2021 nicht stattfinden können (zum Beispiel der Festumzug zum Salzlandfest).
Wenn der Stadtrat zustimmt, wird von Mai 2021 bis Juni 2022 für 14 Monate ein Koordinator im Kaiserhof angestellt, der dort 30 Stunden in der Woche arbeitet. Netzwerke sollen aufgebaut, Fördermittelanträge bearbeitet werden. Und natürlich wäre der Koordinator auch ständiger Ansprechpartner für Staßfurter Ideengeber. Dazu braucht es eine Projektleitung und einen professionellen Moderator, der den gewünschten Bürgerdialog im Kaiserhof moderiert. „Im September könnte dazu die Auftaktveranstaltung sein“, sagt Nikoline F. Kruse von der „Bunten Insel“, die die Projektleitung anstrebt. Die Entscheidung dazu fällt am Montag.
Aber wollen die Stadträte überhaupt einen solchen Beteiligungsprozess und den Zuschuss aus der Stadtkasse? Im Kulturausschuss hatte vor allem der Vorsitzende Gerhard Wiest (Die Linke) kritische Anmerkungen zum Vorhaben: „Im vergangenen Jahr haben wir einen Zuschuss für die Kreativwerkstatt gegeben, aber unter der Prämisse, dass das das letzte Mal sei, da dies sonst unfair anderen Vereinen gegenüber wäre. Daher hatten wir der Kreativwerkstatt stadteigene Räume angeboten, was nun umgesetzt wurde.“ Es gäbe für einen Zuschuss an das neue Projekt auch keinen Rechtsgrund, so Wiest.
„Mir missfällt, dass der Träger den Fehlbedarf nicht selbst decken kann“, so Wiest weiter. Er empfindet die sonstigen Kosten für das Projekt als enorm. Diese seien im Vergleich zum erwarteten Ergebnis „sehr aufwendig“. Der Änderungsantrag der Linken sei daher eine Art „Notbremse“.
Nikoline F. Kruse versicherte im Kulturausschuss: Das Projekt entstamme dem Leitbildprozess, in dem Bürger sich einen fortlaufenden Bürgerdialog gewünscht hätten. Das „Soziokulturelle Zentrum“ solle gemeinsam mit den Bürgern entwickelt werden. Die Personalkosten zu 30 Wochenstunden seien so hoch, weil man Bürger befähigen wolle, später einmal selbst Fördermittel zu akquirieren. Kruse versicherte, dass nach diesem Zuschuss der Stadt keine weiteren Kosten entstehen würden.
Auch im Finanzausschuss unterstrich Wiest noch einmal die Gegenwehr seiner Fraktion. Man habe doch gehört, „wo wir alles Geld benötigen“. Schon bei der letztmaligen Zustimmung zum Zuschuss für die Kreativwerkstatt hätte man Bauchschmerzen gehabt, wiederholte Wiest. „Eine Moderation von Bürgerbeteiligung könnte wesentlich kostengünstiger gestaltet werden“, meinte er. Das sei ein Coaching-Prozess. „Von den 75 000 Euro sind 61 000 Euro reine Personalkosten.“
Der Änderungsantrag-Antrag der Linken, dass die 6000 Euro Eigenmittel der Stadt nur fließen sollen, wenn auch der Fördermittelgeber sich positiv entscheidet, fand bis auf eine Enthaltung Zustimmung.
Die eigentliche Beschlussvorlage erfuhr dagegen bei zwei Ja- und zwei Nein-Stimmen sowie drei Enthaltungen im Finanzausschuss eine Ablehnung.
Im Sozialausschuss waren sich die Lokalpolitiker einig. Ohne größere Debatten gab es sieben Ja-Stimmen. Sowohl für den Änderungsantrag als auch den eigentlichen Antrag. Das endgültige Votum kommt vom Stadtrat am 18. Februar.