Marathonläufer Dreimal um die ganze Welt
Seit seiner frühesten Jugend ist Rüdiger Nettlau aus Hecklingen ein Läufer mit Leib und Seele.
Hecklingen l Wenn Rüdiger Nettlau aus Hecklingen seine Arbeitssachen am Nachmittag im Keller an den Haken hängt, stehen die Laufschuhe schon parat. Dann schlüpft der 67-jährige Handwerksmeister in seine Sportsachen und rennt einfach los, immer rund zehn Kilometer. Vorher schnell eine Banane als Energiebringer für und noch was trinken, dann startet er. Ordentlich gegessen wird danach.
Ohne den Sport kann sich der agile Rentner sein Leben nicht vorstellen. Er ist quirlig, rührig, erzählt viel und strahlt Optimismus mit viel Freundlichkeit aus.
Wenn er vom Laufen spricht, fallen ihm viele Begebenheiten, Stationen, Orte, Vereine und Geschichten ein. Der Blick in eine Vitrine seiner Wohnung bestätigt die Erfolge. Pokale stehen dicht an dicht. Sieger-Trophäen etlicher Meisterschaften sind zu sehen. Wenn man so will, hat er schon Stationen in ganz Deutschland „durchlaufen“. Von der Norddeutschen Meisterschaft über den Marathon in Hamburg bis zum Turnier in Neu-Münster, Dresden, Magdeburg, Berlin, Chemnitz und früher Karl-Marx-Stadt. Vom Elbe-Ohre-Cup bis hin zum weiteren Lauf in der Altmark – seit 1973 ist er aktiv dabei.
Damals startete er als 22-Jähriger in Löderburg bei einer Schulsportmeisterschaft als Langstreckenläufer, war erfolgreich und fand Gefallen. Weiter ging es dann bei der NVA. Während seiner Zeit bei der Armee war Sport angesagt. Und beim 3000-Meter-Lauf fiel Rüdiger Nettlau den Trainern positiv auf, denn er rannte Bestzeiten.
Der flinke junge Mann, nicht zu groß, dünn und leicht, flitzte los und war nicht zu halten. Er selbst scherzt auch gern über sich und seinen Körper, fühlt sich darin aber nach wie vor sehr wohl.
Ohne Tätigkeit im Ruhestand ziellos zu leben, kommt für ihn nicht in Frage. Für seinen kleinen Handwerkerbetrieb ist er nach wie vor täglich im Dienst, arbeitet Aufträge sehr gern ab. Das macht ihm Freude, auch weil er jetzt nicht mehr so sehr unter Druck steht, frei ist und nach wie vor Freude an seiner Arbeit hat. Ausgleich bringt der Sport. „Da bekommt man den Kopf frei“, sagt er aus Überzeugung. Das ist es auch, was ihn am Hobby hält. Über Jahre ausgeübt, könne er sich auf keinen Fall davon trennen. Seine Laufleidenschaft gehört zu ihm wie seine Ehefrau, mit der er seit 1976 verheiratet ist. „Sie hat mich immer unterstützt“, kann ihr sportlicher Gatte mit einem Lächeln berichten. Er schätzt diese Toleranz, erzählt, dass seine Frau selbst nicht läuft, aber sich dennoch sportlich fit hält. Und dann plaudert Rüdiger Nettlau noch ein bisschen aus dem Nähkästchen, beispielsweise darüber, was er unternimmt, wenn er in den Urlaub fährt.
Nach mehreren Stunden im Auto auf der Autobahn ist sein erster Anlaufpunkt an der Ostsee etwa der Strand. Er betritt den Sand als Sportler und legt rennend gleich mehrere Kilometer zurück. „Das braucht mein Körper einfach“, sagt er und freut sich.
Darauf angesprochen, welche Begebenheit für ihn im Laufe der Jahre als Besonderheit speziell war, kann er so schnell gar keine Antwort finden. Doch dann fällt ihm seine Teilnahme am Rennsteiglauf im Thüringer Wald ein. Das war 1980, und sofort hat er ein Heftchen parat, das Beleg dafür ist. Denn das Turnier sei ein bedeutender Landschaftslauf in Europa, begründet Nettlau die Besonderheit des Turniers.
Mehrere Vereine begleiten ihn seit vielen Jahren. Von Motor-Staßfurt über die TSG Calbe. Heute geht Rüdiger Nettlau für die Hochschulsportgemeinschaft Medizin (HSV) Magdeburg an den Start. „Wir sind eine starke Truppe“, berichtet er vom Verein, der ihn sehr gern unter anderem zu Staffelwettbewerben seiner Altersklasse fahren lässt. Außerdem hat Rüdiger Nettlau den Magdeburger Halb-Marathon schon dreimal gewonnen. Seit 1990 ist der Landescup Sachsen-Anhalt für ihn ein gewohnter Höhepunkt im Jahr; 15-mal hintereinander hat Nettlau ihn als Sieger verlassen.
Alles ist genau dokumentiert. Denn seitdem Rüdiger Nettlau aktiv läuft, führt er Buch über seine Strecken. Kilometer werden notiert, Ereignisse aufgeschrieben. Die Liste kann sich sehen lassen. „Wenn man so will, bin ich schon dreimal um die Welt gelaufen“, meint er und nennt die Zahlen, wenn er alles summiert. 3500 Kilometer im Jahr sind es heute, früher waren es 5000. Die Hochrechnung auf 44 Jahre bringt den Beleg für den Vergleich.
Und die Strecke soll alles andere als zu Ende sein, dafür spricht die Einstellung des Hecklingers, der noch lange nicht daran denkt, seine Laufschuhe an den Nagel zu hängen.