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Ehemalige der Solvay-Werke blicken zurück Neue Ausstellung in der Wasserburg über die Geschichte der Chemieindustrie in Westeregeln

02.11.2012, 01:12

Anfang das 19. Jahrhunderts wurde in den Alkaliwerken abgebaut. Bis 1939 mit den Solvay-Werken die Chemieindustrie ihren Einzug in Westeregeln hielt. Die Kunststoffindustrie wurde 1970 in den VEB Orbitaplast umgewandelt.

Egeln l Museumsleiter Uwe Lachmuth hat jetzt zur Geschichte der Werke eine neue Ausstellung in der Wasserburg Egeln organisiert. Viele der ehemaligen Mitarbeiter haben die Ausstellung durch alte Erinnerungsstücke wie Fotos, Urkunden, Produkten und ganz besonderen Einzelstücke, wie dem hölzernen Übungsgewehr der Betriebskampfgruppe, erst möglich gemacht. Einer ist Günter Weinreis. Der Egelner ist 73 Jahre alt und war von 1981 bis 1990 bei den Solvay-Werken angestellt. Volksstimme-Mitarbeiterin Franziska Ellrich sprach mit dem ehemaligen Werksarbeiter über seine Zeit am Produktionsstandort.

Volksstimme: Woran denken sie als Erstes, wenn sie hier in der Ausstellung Fotos aus ihrer Zeit bei den Solvay-Werken sehen?

Günter Weinreis: Wie mir als Magazinleiter zu DDR-Zeiten viele Mitarbeiter dankbar waren, weil sie bei mir Dinge bekamen, die es nicht überall gab. Zum Beispiel hatte fast jeder Mitarbeiter im Garten ein Foliengewächshaus. Zehn Tonnen der Plastikfolie haben wir jedes Jahr an die Kleingärtner verkauft. Die Folie war jeweils auf 60 Quadratmeter abgepackt, und aussortierte Pakete zweiter Qualität konnten die Mitarbeiter zum Vorzugspreis bekommen. Wer seine Folie hatte, bekam ein Stempel. Doch einige haben es immer wieder versucht. Nicht für sich, sondern um mit der Folie andere Dinge tauschen zu können. Bis ich auf die Idee kam, die Farbe der Stempel jährlich zu verändern.

Volksstimme: Und hatten sie als Magazinleiter ein Foliengewächshaus?

Günter Weinreis: Natürlich, sogar zwei.

Volksstimme: Gab es noch andere Raritäten?

Günter Weinreis: Ja klar, besonders beliebt waren auch die Abflussrohre, die wir produziert haben. Ein gutes Argument, um die zu bekommen, war, wenn die Betriebe Ferienlager für die Kinder aufgebaut haben. Auch unser Betrieb hat Ferienlager organisiert, dafür konnte einfach Rohre aus der laufenden Produktion abgeknapst werden.

Volksstimme: Und was hat es mit den ausgestellten Plastiktüten auf sich?

Günter Weinreis: In dem Werk wurden alle Plastikabfälle aus der ganzen Republik gesammelt, um diese zu verpressen. Auch die Kunststoffbeutel aus dem Westen, wo die Farbe nicht richtig stimmte, kamen bei uns an. Die waren sehr beliebt. Nachdem sogar ein Mitarbeiter auf dem Magdeburger Bahnhof erwischt wurde, wie er versucht hat, die Beutel an den Mann zu bringen, kam der beladene Zug nur noch bei Dunkelheit im Werk an und musste sofort abgeladen werden. Sonst wäre am nächsten Morgen kein einziger Plastikbeutel mehr auf den Anhängern gewesen.

Volksstimme: Sie haben auch ein Telefonbuch aus dem Werk für die Ausstellung beigesteuert. Brauchte man das als Magazinleiter?

Günter Weinreis: Nicht unbedingt, aber vorher war ich vier Jahre im Einkauf tätig. Deswegen besaß ich als einer von wenigen ein Telefonbuch. Ich musste ja in der ganzen Republik anrufen, um die Plastikabfälle nach Westeregeln zu bekommen. Das kam zu Beginn nicht gut im Ort an. Wir haben die Folienabfälle in einer alten Aschekuhle zwischengelagert und bei Sturm flog die Folie dann oft durch ganz Westeregeln. Zum Glück konnte ich Fischernetze auftreiben, die wir über die Abfälle gespannt haben. In der Not wusste man sich eben zu helfen.

Volksstimme: Und wie ging es nach der Wende weiter?

Günter Weinreis: Als die Unternehmer der heutigen Wawin GmbH zum ersten Mal ins Magazin kamen, waren die erstaunt, was wir da alles hatten. Also haben wir kurzer Hand einen Baumarkt daraus gemacht. Den habe ich aus den alten Beständen mit aufgebaut. Alle aus der Umgebung kamen, um zu kaufen. Die Leute haben ja alles gebraucht und was nicht, das haben sie eben eingetauscht. Als die Produktion für die Rohrsysteme begann, hatte ich zum Glück schon fast das Rentenalter erreicht.