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Geldsorgen Finanzieller Hilferuf aus dem Tiergarten Staßfurt

Der Tiergarten Staßfurt hat bereits 2020 über 50000 Euro Verluste gehabt. In 2021 rechnet der Betreiber Lebenshilfe mit Verlusten von 114000Eu-ro. Der Geschäftsführer fragt nach einer Erhöhung des Zuschusses von der Stadt.

Von Enrico Joo und Falk Rockmann 21.06.2021, 15:49
Der Staßfurter Tiergarten liegt mitten in der Stadt. Pro Jahr wird er von etwa 60 000 Menschen besucht.
Der Staßfurter Tiergarten liegt mitten in der Stadt. Pro Jahr wird er von etwa 60 000 Menschen besucht. Foto: Enrico Joo

Staßfurt - Unter zahlreichen Bäumen zwitschern Vögel. Schafe, Ponys, Alpakas, Minischweine, Ziegen und zahlreiche weitere tierische Bewohner grüßen über den Zaun, wenn Familien mit Kindern durch den Tiergarten Staßfurt spazieren gehen. Gerade für den Nachwuchs sind die niedlichen Tiere ein Highlight. Der Tiergarten zieht Touristen an, ist ein Magnet für Besucher. Keiner zweifelt daran, dass er in Staßfurt ein Aushängeschild ist.

Damit der Tiergarten in Zukunft attraktiv bleibt, hat sich der Betreiber – Lebenshilfe Bördeland – an die Stadt Staßfurt gewendet. Das ist als finanzieller Hilfeschrei zu werten. Denn der Tiergarten fährt Verluste ein. Im Jahr 2020 betrugen die Verluste 53 935,35 Euro. Im Jahr 2021 rechnet der Tiergarten mit Verlusten von 114 000 Euro. Das Defizit gleicht die Lebenshilfe seit jeher aus anderen Bereichen der Lebenshilfe aus.

Der große Sprung zu 2021 liegt vor allem an geplanten erhöhten Personalkosten. „Das Budget für Personalausgaben soll gesteigert werden, um marktgängige Vergütungen einführen zu können“, heißt es von Lebenshilfe-Geschäftsführer Stefan Labudde in einem Schreiben an die Stadt. „Die teilweise schon seit Jahrzehnten mit dem Tiergarten eng verbundenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind der eigentliche Schatz des Tiergartens. Sie arbeiten mit einem enormen persönlichen Engagement und haben den Tiergarten mit stets neuen Ideen zu einem Aushängeschild von Staßfurt gemacht.“

Plan B: 140 Tiere weniger im Tiergarten?

Die höchsten Einnahmen erzielt der Tiergarten durch Eintrittsgelder. Dadurch wurden 2020 über 105 000 Euro eingenommen. Dazu gibt es einen Zuschuss von der Stadt Staßfurt in Höhe von 100 000 Euro. Eine Mitarbeiterin aus dem Bereich Tierpflege habe nun angekündigt, noch in diesem Jahr den Job zu wechseln. Wenn die Stelle neu ausgeschrieben wird, könne dies nur mit angepasster Finanzierung erfolgen.

Die Lebenshilfe schlägt eine Erhöhung des Zuschusses der Stadt Staßfurt vor. In 2021 eine Erhöhung auf 120 000 Euro, in 2022 auf 140 000 Euro und in 2023 auf 160 000 Euro. Dazu einen Zuschuss für Instandsetzungen in Höhe von 20 000 Eu-ro. Weiter Investitionszuschüsse in Höhe von 70 bis 90 Prozent der Investitionen. Gastronomische Einrichtungen sowie Fachpersonal sollen nicht mehr Bestandteil des Vertrages mit der Stadt sein.

Eine Alternative wäre laut Lebenshilfe-Geschäftsführer Stefan Labudde die Reduzierung des Tierbestandes, um die Kosten zu senken. Die Kündigung könne für einen Personalabbau genutzt werden. 30 000 Euro an Lohnkosten könnten im Jahr für die Refinanzierung der Lohnsteigerungen genutzt werden. Gleich- zeitig würde das bedeuten: Weniger Tiere im Tiergarten. 46 Arten mit 140 Tieren könnten abgeschafft werden. Derzeit hat der Tiergarten 74 Arten und 297 Tiere.

Die Stadt steht schon länger im Austausch mit der Lebenshilfe. „Wir müssen uns fragen: Wo soll der Tiergarten stehen? Wie sind die Entwicklungsperspektiven?“, sagte Oberbürgermeister Sven Wagner (SPD). „Der Tiergarten ist über die Stadt und den Salzlandkreis hinaus bekannt. Wir sollten ein Zeichen setzen für den Tiergarten.“ Der Stadtrat soll im September über die Zuschüsse entscheiden. Schon jetzt waren die Fachausschüsse dazu aufgerufen, Meinungen abzugeben. Auch der Stadtrat soll am Donnerstag darüber diskutieren.

Es geht um eine Grundsatzentscheidung. „Staßfurt muss sich bekennen“, sagte Labudde. Klar sei aber: „Wir werden nie ein Tiergarten wie in Aschersleben oder Bernburg sein.“ Aber auch in Schönebeck oder Calbe wären die Bedingungen andere. Alle genannten Tiergarten oder Zoos werden städtisch betrieben. Es werden viel größere Summen investiert. Daher sei vor allem das Angebot in Aschersleben oder Bernburg sehr gut. „Aber wir können stolz auf Staßfurt sein. Auch der Zuspruch in der Öffentlichkeit ist sehr gut“, so Labudde.

Im Kulturausschuss sagte Ralf-Peter Schmidt (UBvS): „Die Notwendigkeit ist verständlich, dazu gehört die Finanzierung.“ Er wies aber darauf hin, dass der Haushalt für 2021 steht. Der Zuschuss kann in diesem Jahr nicht mehr erhöht werden. „Wir kriegen das dieses Jahr nicht mehr gewuppt“, so Schmidt. Er plädierte zudem dafür, neue Jahresscheiben zu verhandeln und Erhöhungen im gestuften Bereich zuzulassen. „Wir brauchen eine solide Planungssituation“, sagte er.

Eintrittspreise sollen ab 1. Juli steigen

Bedenken hat Schmidt beim Thema Instandhaltungszuschuss. „Das könnte ein Dauerthema sein“, sagte er. „Der größte Brocken wird der Investitionszuschuss von 70 bis 90 Prozent sein.“ Hier machte er einen Gegenvorschlag. „Die Lebenshilfe sagt, was gemacht werden muss und schlägt bis zum 30. Juni Investitionen für das nächste Jahr vor. Dann entscheiden wir als Stadtrat.“ Er gab aber auch zu bedenken: „Wir können den Tiergarten nicht besser stellen als andere Einrichtungen.“ Er schlug zudem vor, dass die Stadt im Gegenzug drei Veranstaltungen zur kostenlosen Nutzung des Tiergartens bekommt.

Auch Klaus Maaß (SPD/Grüne) hatte die Finanzen im Blick. „Wenn wir dieses Jahr zuschießen, müssen wir woanders streichen. Das ist nicht machbar. Erst in 2022. Aber auch da werden wir nicht mehr Geld haben. Aber natürlich müssen wir im Bereich der finanziellen Möglichkeiten unter die Arme greifen.“ So ähnlich sah es Sven Schneider (FDP). „Wir müssen die finanzielle Situation im Auge behalten und es im Haushalt mit einplanen“, sagte er.

Gerhard Wiest (Linke) berief sich im Finanzausschuss auf den Tendenzbeschluss aus dem Kulturausschuss, wonach Einigkeit zur Beteiligung der Stadt an der Instandhaltung bis zu 20 000 Euro jährlich herrschte. Größere Investitionen habe der Kulturausschuss abgelehnt, um nicht andere Einrichtungen zu benachteiligen. Was nicht heiße, dass die Lebenshilfe mögliche Fördermittel nicht nutzen solle. Ein weiterer Vorschlag war, so Wiest, der zweiten Erhöhung auf 160 000 Euro erst 2025 zuzustimmen. Eine jährliche Anpassung soll derweil nicht in den Vertrag mit der Lebenshilfe aufgenommen werden.

Finanzausschussvorsitzender Klaus Stops (CDU) riss noch das Thema Tariflohn an. Hierzu erklärte Labudde: „Das würden wir gern machen, aber das gibt es momentan nicht her.“ Man habe einfach kein Geld, aber auch keine goldenen Klinken. Futter- und Bewirtschaftungskosten steigen derweil. Was die Schaffung neuer Bildungsangebote bedeute, wollte Stops noch wissen. Tierparkleiterin Daniela Dieckmann erklärte dazu, dass es unbedingt neuer Schautafeln und auch Beschreibungen an jedem Gehege bedarf. Führungen und eventuell ein „grünes Klassenzimmer“ könne man sich gut vorstellen, um Kindergärten oder Grundschulen in den Tiergarten zu locken.

Die Beratung mit den Tendenzbeschlüssen im Kulturausschuss habe Charme, fand Klaus Stops und somit auch seine Zustimmung. Der Finanzausschuss zeigte keinen Widerstand. Stops sah zudem auch den Punkt Eintrittspreise als „vorberaten“ an, um im Stadtrat zu einem Ergebnis zu kommen.

Oberbürgermeister Wagner: „Eigentlich geht es finanziell nicht. Wir müssen uns aber fragen, was wir tun können. Dann müssen wir an anderer Stelle sparen. Ich könnte damit umgehen, von Jahr zu Jahr zu springen. Unser Ziel ist es, den Tiergarten auf dem jetzigen Niveau zu halten. Daher sollen die Eintrittspreise angepasst werden.“

Ab 1. Juli sollen Erwachsene statt 1,90 Euro dann 2,50 Euro Eintritt bezahlen, Kinder zwei Euro statt 1,40 Euro. Bei Hunden ist ein Sprung von einem Euro auf 1,70 Euro vorgesehen. Die Erhöhung der Eintrittspreise ist Teil des Vertragsentwurfs. Der Erhöhung stimmten sowohl der Kultur- als auch der Finanzausschuss zu. Stimmt auch der Stadtrat am Donnerstag zu, treten die neuen Preise in Kraft.