Corona Große Nachfrage nach Hunden im Salzlandkreis in Corona-Zeit
Klein, niedlich und nett sollte der Hund sein. In den Tierheimen und beim Tierschutzverein Salzlandkreis klingelt in der Corona-Pandemie sehr oft das Telefon. Weil diese den Bedarf nach Hunden gar nicht decken können, explodieren auch im Internet die Preise.

Staßfurt/Schönebeck - Freddy schaut noch einmal kurz hoch, dann zieht er an der Leine. Freddy glaubt, dass es jetzt an die große Runde geht. Doch Christian Wegener vom Tierschutzverein Salzlandkreis ist konsequent. „Nein, die große Runde machen wir nachher“, sagt er. Freddy versteht wohl, was der Mensch da oben sagt. Dann geht es nach links auf eine kleine Wiese innerhalb des Grundstücks, wo sich der kleine Hund austoben darf.
Freddy ist Dauergast in Eickendorf, wo der Tierschutzverein seinen Sitz hat. Seit vier Jahren schon wohnt der kleine Mischling auf dem Gelände. Freddy ist sieben Jahre alt und stammt wohl von einem Welsh Corgi ab. „Allerdings sind da noch andere Rassen mit dabei, die wir nicht genau erkennen“, sagt Wegener.
Zusammen mit vier anderen Hunden, von denen einer vermittelt ist, ist der kleine Hund in Eickendorf. Er sucht wie die anderen Hunde - darunter eine Dogo Argentino-Hündin, ein Beagle und ein American Staffordshire Terrier – ein neues Zuhause.
Besonders kleine Hunde sind sehr nachgefragt
Das Pech der Hunde in Eickendorf ist aber: Sie sind keine Chihuahuas, Jack Russell Terrier oder Yorkshire Terrier. Denn solche Rassen sind, wenn sie dort abgegeben werden, schnell vergriffen. Noch viel mehr, seit die Corona-Pandemie das Leben komplett umgewälzt hat. „Alle fragen nach Welpen. Es gibt viel mehr Nachfragen. Ich bekomme laufend Anrufe nach Hunden, die klein, niedlich und nett sind“, sagt Christine Strempel, Vorsitzende vom Tierschutzverein. „Auch die Tierheime, mit denen wir im Kontakt stehen, sind leergefegt.“
Noch größer ist die Nachfrage nach Katzen. „Da rufen teilweise Leute aus Nürnberg an. Das ist der blanke Wahnsinn“, so Strempel. Wenn die Katzenpflegestelle mal wieder eine Katze in Obhut hat, weil diese ihre Mama verloren hat, ist diese nicht lange allein. Die Nachfrage nach Tieren ist groß.
Wir haben aber selten Hunde in großen Massen da. Und wenn, dann sind es ältere und kranke Hunde, die wir bei uns haben.
Kerstin Reinhold, Tierheim Schönebeck
Das stellt auch Kerstin Reinhold vom Tierheim in Schönebeck fest. „Es wird mehr nachgefragt nach Hunden, die kniehoch und kleiner sind“, sagt sie. „Wir haben aber selten Hunde in großen Massen da. Und wenn, dann sind es ältere und kranke Hunde, die wir bei uns haben.“ Alle Welt will einen Hund. Weil gerade in der Corona-Zeit viele Menschen im Homeoffice arbeiten, ist das Bedürfnis groß nach dem tierischen Freund, der einem einen Grund gibt, dann doch mehrmals am Tag herauszugehen. Wer sonst keine Freizeitmöglichkeiten in der Pandemie hat, kann mit dem Hund immer noch Gassi gehen und beim Spazierengehen die frische Luft genießen. So ist die Gefahr geringer, dass einem die Decke metaphorisch gesehen auf den Kopf fällt.
Aber die Gefahren liegen auf der Hand. „Wir sehen ja, was da bei Ebay für unverschämte Preise aufgerufen werden“, erzählt Kerstin Reinhold. Angebot und Nachfrage bestimmen den Markt. Und den Preis. Christine Strempel vom Tierschutzverein im Salzlandkreis berichtet, dass Labrador-Welpen dann schon mal für 2500 Euro angeboten werden. Oft kommen die Hunde aus Polen oder Südosteuropa, sind ungeimpft oder krank. Der Handel mit den Tieren floriert, wie es scheint. Mehr denn je.
Strempel hat dabei wie viele andere Tierfreunde die Befürchtung, dass sich die Situation ändert, wenn sich Corona erledigt hat. „Die Menschen waren in der Corona-Zeit immer zu Hause. Die Hunde kennen es nicht anders, dass sie immer Gesellschaft haben“, sagt sie. „Wenn die Menschen wieder arbeiten gehen müssen, können die Hunde nicht allein sein. Dann ist die Couch kaputt und der Schrank angeknabbert. Ich habe die Befürchtung, dass dann viele Hunde wieder abgegeben werden und die Tierheime voll werden.“
Ähnlich sieht es Kerstin Reinhold vom Tierheim in Schönebeck. „Wir hoffen, dass sich um die Tiere gekümmert wird“, sagt sie. „Auch dann, wenn alles wieder losgeht.“ Derzeit sind im Tierheim etwa zehn Hunde zu Hause. „Wir hatten schon einmal mehr“, so Reinhold. Vor allem Katzen, aber auch viele Mischlinge, darunter auch Listenhunde.
Thomas Rozanski von der Tierpension Staßfurt & Hundepension „Am Spring“ hat dabei nicht beobachtet, dass es mehr Anfragen nach Hunde gibt. „Die Nachfragen sind gleichbleibend hoch“, sagt er. Rozanski weist zudem darauf hin, dass viele Hunde nicht art- gerecht gehalten werden. „Da wird ein Jagdhund als Familienhund gehalten. Es wäre schön, wenn die Hunde rassetypisch gehalten werden. Die Hunde sind unterfordert und werden zu sehr geliebt“, sagt er. Und dann müssen die Hunde in eine Hundeschule.
Tierschutzverein vorsichtig bei Vermittlungen
Doch wie läuft eine Vermittlung ab, wenn jemand tatsächlich Interesse hat, einen Hund aus dem Tierheim oder vom Tierschutzverein aufzunehmen? „Wir sind da vorsichtig in den Vermittlungen geworden“, sagt Christine Strempel vom Tierschutzverein. „Wir haben gelernt, genauer hinzuhören und hinzuschauen.“ Das Tierwohl steht über allem und die zukünftigen Hundebesitzer müssen schon mehrmals vorbeikommen, Gespräche führen und ihre Ernsthaftigkeit unter Beweis stellen. Hund und Mensch müssen sich in Ruhe kennenlernen. Am Ende müssten dann 50 Euro Vermittlungsgebühr gezahlt werden und der Hund käme in ein neues Zuhause.
Aber es ist so: Die Hunde im Tierheim oder beim Tierschutzverein sind meist nicht pflegeleicht. Beispiel Nala: Sie ist eine Dogo Argentino-Hündin, die seit August oder September 2019 in Eickendorf beim Tierschutzverein lebt. Das Ordnungsamt hatte sie wie ihren Bruder einst beschlagnahmt. Sie war unterernährt und extrem zerbissen. Nalas Bruder Linus hatte ein Ohr fast verloren. Die Hunde waren verwahrlost, der Besitzer hatte sich kaum gekümmert. Und so braucht Nala Menschen, die sehr konsequent mit ihr umgehen. Sie hat einen extremen Beschützerinstinkt, kann eifersüchtig sein. Damit müssten die Besitzer umgehen können.
Freddy ist dabei offensichtlich besonders schwer zu vermitteln. „Er war vorher in einer hilfsbedürftigen Familie, die es zu gut mit ihm gemeint hat“, sagt Christian Wegener vom Tierschutzverein Salzlandkreis. „Er kannte keine Grenzen und hat sie sich dann selbst gesetzt und sein Leben so strukturiert, wie er es wollte.“ Sein Revierverhalten ist offensichtlich. Alle fremden Menschen auf dem Grundstück in Eickendorf bellt er aus seinem Zwinger heraus an. Es kam auch schon mal vor, dass er nach Menschen geschnappt hat. „Wir hatten drei Wochen gut zu tun, um sein Vertrauen zu gewinnen“, so Wegener. „Aber dann war er friedlich.“ Auch Freddy braucht konsequente Führung. „Es gab schon Interessenten. Aber es müsste täglich jemand vorbeikommen, um sich das Vertrauen zu erarbeiten“, sagt Strempel. Das schreckt ab.
Aber auch wenn Freddy so schnell keine neue Familie findet: In Eickendorf bleibt er immer willkommen. Auch dank der ehrenamtlichen Gassigänger hat er dreimal am Tag Auslauf bei großen Runden. In Eickendorf gibt es auch noch eine Tierpension, in der Hunde für 20 Euro am Tag abgegeben werden können. Haupteinnahmequelle des Tierschutzvereins, der ehrenamtlich arbeitet, ist aber der Flohmarkt in Schönebeck, der in der Corona-Zeit brachlag und jetzt wieder anläuft.
