Volksstimme-Serie/ Haben 800 Jahre Anhalt ihre Spuren auch in Egeln hinterlassen? Heimatgeschichte: Wie Heinrich der Fette im Turm der Egelner Wasserburg schmorte
800 Jahre Anhalt haben ihre Spuren hinterlassen. Auch in Egeln? Die Volksstimme-Mitarbeiterin Nadja Bergling sprach zu diesem Thema mit dem Leiter des Museums auf der Wasserburg, Uwe Lachmuth.
Volksstimme: Überall hört man jetzt von dem Jubiläum 800 Jahre Anhalt. Könnte man da auch in Egeln auf Spurensuche gehen?
Uwe Lachmuth: Nicht so ganz direkt, aber in damaliger Zeit war Egeln noch ein wichtiger Knotenpunkt der Nord-Süd-Handelsstraßen und bei den regionalen Fürsten sehr begehrt. Es befand sich im Besitz des Klosters Gernrode, gehörte aber zur Grafschaft Aschersleben und die Askanier waren die Schutzvögte dieses Klosters.
Volksstimme: Aber wer hatte dann seinen Wohnsitz auf der Burg Egeln, die ja damals noch Schutzburg für die Stadt und eine wichtige Furth durch die Bode war? Lachmuth: Die Äbtissin von Gernrode weilte sicher auch mal in Egeln, aber meistens waren es ihre Vögte, die ihre Interessen hier vertraten.
Volksstimme: Doch dann kam Otto von Hadmersleben, der Teufel auf Erden, wie ihn der Abt Reinold von Marienthal bezeichnete.
Lachmuth: Ja, Otto von Hadmersleben war in der Tat ein unruhiger Zeitgeselle, immer zu einer Fehde bereit und so überfiel er auch das Kloster Marienthal und raubte den Mönchen alles, was er mit seinen Reisigen wegfahren konnte. Bei seinen Fehden mit Adligen der Region wurde auch so manches Dorf gebrandschatzt.
Volksstimme: Das hört sich ja gar nicht gut an, ich dachte er war ein frommer Mann, da er ja mit seiner Gemahlin Jutta von Blankenburg das Kloster Marienstuhl gestiftet hat.
Lachmuth: Das war erst 1259, da war er schon alt und im Angesicht des Todes fürchtete er sich sicher vor dem Fegefeuer, auch soll ihn seine Jutta dazu überredet haben. Aber bis dahin ist noch so manches geschehen. 1250 belagerte er mit seinen Rittern und Knappen Stadt und Burg Egeln. Die Burgmannen, die sich widersetzten, wurden kurzerhand niedergemetzelt und auch so mancher Einwohner von Egeln verlor, wenn er Glück hatte, nur sein Hab und Gut. Die Burg wurde nun sein Wohnsitz und seine neue Bezeichnung war Otto von Hadmersleben Herr zu Egeln. Sein Bruder auf der Burg Hadmersleben nannte sich dann Gardolf von Hadmersleben zu Hadmersleben.
Volksstimme: So einfach ging das damals mit dem Eigentumswechsel?
Lachmuth: Natürlich ließ sich die Äbtissin Gertrud von Gernrode dies nicht gefallen. Sie klagte bei ihren Schutzvögten den Askaniern und Heinrich II, Fürst von Anhalt-Aschersleben, genannt "Heinrich der Fette". Er musste handeln und berief die Grafen von Heimburg und Regenstein in das Klostervorwerk Mammendorf zur Beratung. Nach vielen guten Bechern war man sich bald einig, wie man Otto von Hadmersleben in die Schranken weisen und Egeln wieder abnehmen könne. Doch hatte man nicht mit dessen List gerechnet, denn als sich die Grafen trunken zur Ruhe legten, hatte sich Otto mit seinen Reisigen längst angeschlichen. Diese überwältigten die wenigen Wachen und schleppten Heinrich auf die Wasserburg nach Egeln.
Volksstimme: Oh, dann musste er wohl in das finstere Burgverlies herunter, das die Bürgerarbeiter gerade wieder für Besucher zugänglich machen. Passte er denn mit seiner "mächtigen Gestalt" überhaupt durch das schmale Angstloch?
Lachmuth: Das kalte und modrige Burgverlies war mehr für die armen Leute oder für die, von denen man kein Lösegeld erwarten konnte, gedacht. Heinrich kam in ein Gefängnis, das sich weiter oben im Turm befindet. Aus dem zweiten Fenster von unten konnte er auf das Geschehen auf den Burghof herabblicken. Aber lange brauchte er sicher nicht zu warten: Es ist überliefert, dass sein Schwiegervater, der Herzog von Braunschweig, alsbald eine Kiste mit Silber nach Egeln schickte und sich neue Verhandlungen anbahnten. Im Zuge der Verhandlungen überredeten die Askanier die Äbtissin von Gernrode sogar Stadt und Burg als Lehen an Otto von Hadmersleben zu übergeben.
Volksstimme: Also nach dem Motto, erst haut man sich dann vertraut man sich.
Lachmuth: Die Adligen der Region hatten schon damals verwandtschaftliche Beziehungen untereinander, auch wenn sie sich nicht immer einig waren. Ottos Frau Jutta stammte ja auch aus dem Geschlecht derer von Blankenburg-Regenstein, sein Sohn Otto der Jüngere war mit Sophie von Anhalt verheiratet. Die Edlen von Hadmersleben gehörten schon seit langem zur Heerfolge der Markgrafen von Brandenburg, die ja auch aus den Askaniern hervorgingen und waren vermutlich dabei, als Otto von Brandenburg bei der Belagerung von Staßfurt einen Pfeil ins Auge bekam, der ihm dann zu dem Spitznamen "Otto mit dem Pfeile" verhalf. Da Otto von Hadmersleben über eine starke Streitmacht verfügte, brauchte man ihn auch, um den wichtigen Bodeübergang in Egeln unter Kontrolle zu haben. Nach der Stiftung des Klosters Marienstuhl wurde es etwas ruhiger um ihn, doch in der "schrecklichen Kaiserlosen Zeit", wie sie der Chronist Leuckfeld nennt, gehört Raufen und Rauben eben zum guten Ton beim Adel.