E-Mobilität Idealismus ist der treibende Faktor
Denis Hartmann aus Löderburg fährt einen Plug-in-Hybrid. Damit pendelt er jeden Tag zur Arbeit nach Bernburg.
Löderburg l Gibt‘s doch nicht. Gibt‘s doch! Das Fenster hat der Löderburger Denis Hartmann während der Autofahrt eigentlich nicht heruntergekurbelt, aber jetzt machte er den ultimativen Test. Von Löderburg aus – wo der 40-Jährige mit Frau und Tochter wohnt – fuhr er mit seinem nagelneuen Audi A3 e-tron Richtung Staßfurt, durch Staßfurt hindurch und weiter Richtung Bernburg. „Ich wollte wissen, ob man das Auto fahren hört.“ Er hörte, dass er nichts hörte. Auch nach vielen Kilometern nicht. Ruhig rollte sein Hybrid-Auto vor sich hin. „Bis zum Real in Staßfurt bin ich mit offenem Fenster gefahren. Ich konnte es nicht glauben.“
Denis Hartmann ist im August 2019 umgestiegen. Seitdem fährt er einen sogenannten Plug-in-Hybrid. Ein Auto also, das sowohl über Strom geladen werden kann, aber auch über einen herkömmlichen Verbrennungsmotor verfügt. In der Automobilbranche gewinnen Elektroautos immer mehr Interesse, auch bei den Händlern. Doch wie sieht es gerade auf dem flachen Land aus? Schwierig ist es noch immer. Wer ein Elektroauto fährt, braucht viel Geld und Geduld und muss Idealist sein. Gerade in Staßfurt.
Zwar gibt es seit Anfang November am Neumarkt jetzt auch in der Kernstadt zwei Schnellladesäulen. „Diese sind aber nicht kostenlos“, wie Hartmann sagt. Zwei kostenfreie Ladesäulen gibt es zudem am Autohof in Brumby. Mehr nicht. „Andere Kommunen sind da besser aufgestellt“, sagt Hartmann. Zum Beispiel Bernburg. Sowohl der Familienvater als auch seine Frau pendeln jeden Tag zum Arbeiten in die Kreisstadt. Über ein Dutzend Ladesäulen gibt es, quer verteilt in der Stadt. Dort könnte er in der Innenstadt kostenfrei laden. Aber das macht er ja eigentlich immer zu Hause in der eigenen Garage.
Wie kommt Denis Hartmann denn im Alltag klar? Wie kommt er in Staßfurt klar? Natürlich ist der Löderburger in gewisser Weise ein Idealist. Er will weniger endlose Ressourcen verbrauchen.Schon seit April hat er auf seinem Dach eine Photovoltaik-Anlage. Über 20 Module sorgen dafür, dass der benötigte Strom im Haus selbst erzeugt wird. Dafür hat er mehrere Tausend Euro ausgegeben. „Das rechnet sich primär über den Eigenverbrauch“, sagt Hartmann. „Und es dauert einige Jahre, bis es sich rechnet.“ Auch weil die Einspeisevergütung gesunken ist. Heißt: Er bekommt weniger Geld dafür, wenn er überschüssigen Strom ins Netz zurückführt.
In vier Jahren muss er seine Heizung wechseln. Dann wechselt er wahrscheinlich von Gas auf Strom. Und all die Überlegungen und Pläne haben auch dazu geführt, dass er sich konkreter mit dem Gedanken beschäftigt hat, ein Elektroauto anzuschaffen. „Die berufliche Situation hat sich geändert, ich fahre weniger Kilometer zur Arbeit. Ich wollte das Auto verkleinern.“ Sechs bis acht Wochen nahm er sich Zeit, um das Auto mit dem richtigen Gesamtkonzept herauszupicken. „Der Markt ist sehr übersichtlich. Es gibt nicht so viele Treffer. Der Knackpunkt ist: Ein reines E-Auto ist quasi nicht bezahlbar.“ So ist ein Elektroauto meist noch immer bis zu 10.000 Euro teurer als ein entsprechender Benziner. „Auch ein Hybridauto kostet viel mehr als ein Benziner“, so Hartmann. „Es braucht großen Optimismus, sich dafür zu entscheiden.“
Er hat das genau durchgerechnet. Mit einem Hybridauto zahlt er wesentlich weniger Steuern und Versicherung. „In vier Jahren wird sich das dann rechnen“, sagt er. In Deutschland gibt es für die Anschaffung eines Elektrofahrzeugs kaum finanzielle Anreize, nur den nachhaltigen Gedanken. „Es reicht fürs Pendeln. Aber ich will mir nicht überlegen, ob ich es bis nach Magdeburg schaffe.“ Auch deshalb kann sein Audi im Notfall auch als normaler Benziner angetrieben werden. Wobei: „Ich bin jetzt über 5000 Kilometer gefahren und war bisher zweimal tanken.“ Eigentlich fährt Denis Hartmann also elektrisch. Er weiß, große Fahrten in den Urlaub sind aber dann nur möglich, wenn der Tank auch voll ist.
Im Sommer kann er bis zu 50 Kilometer mit der vollgeladenen Batterie zurücklegen. Weil sich im Winter die Ladekapazität der kalten Batterie verringert, kommt er in den kalten Monaten 30 Kilometer weit. Automatisch schaltet das Auto dabei zwischen Elektroantrieb und Benzinantrieb hin und her. „Es gibt eine Effizienzanzeige“, sagt Hartmann. Das Auto kann automatisch abriegeln und kann bis zu 135 km/h auch rein elektrisch fahren.
Hätte Denis Hartmann aber nicht zu Hause eine sogenannte Wallbox, mit der er in der Garage sein Auto nach der Arbeit in drei Stunden voll aufladen kann, hätte er ein Problem. „Die Ladesäulen am Neumarkt in Staßfurt sind für mich nicht attraktiv. Dort zahle ich mehr, als wenn ich das Auto zu Hause lade. Das lohnt sich nicht, am Neumarkt das Auto zu laden.“
In Bernburg würde das besser funktionieren. „Da sind die Stadtwerke die treibende Kraft. Bernburg ist ein Vorreiter“, so Hartmann. Da gebe es auch in der Innenstadt in bester Lage mehrere Ladesäulen, an denen kostenlos geladen werden kann.
Ja, ein Elektroauto zu unterhalten, ist fast noch ein Luxus. Gerade in kleineren Kommunen. „In Großstädten gibt es mehr Infrastruktur, weil es auch weniger Eigenheime gibt. Aber es braucht mehr Fördermittel, mehr Zuschuss für Ladesäulen, die jeder nutzen können muss.“ Dass die Entwicklung nicht schneller geht, hat einen Grund: „Es gibt eine extrem starke Autolobby“, sagt Hartmann. Und wer nicht selbst eine Wallbox aufstellen kann, hat es schwer.
Derzeit wären es vor allem große Unternehmen, die auf dem Firmengelände Ladesäulen aufstellen würden. „Mittelständische Unternehmen können sich das nicht leisten“, so Hartmann. Die Anschaffung einer Ladesäule koste schon mal 1300 Euro. Und natürlich weiß Denis Hartmann, dass in der Batterie Lithium verbaut ist, dass auch ein Elektrofahrzeug nicht 100 Prozent umweltfreundlich ist. „Die Batterieforschung muss weitergehen“, sagt er. „Auch beim Gasantrieb fehlt die Infrastruktur.“ Es bleibt die Elektromobilität, die alternativlos ist beim nachhaltigen Antrieb.