Amoklauf Polizeischüler trainieren
In der ehemaligen Neundorfer Schule haben Polizeischüler den Einsatz bei einem Amoklauf geübt.
Neundorf l Um es gleich vorwegzunehmen: Ein Amoklauf wird weder in Sachsen-Anhalt, noch Staßfurt, geschweige denn Neundorf, besonders vermutet. Der Testlauf, der an der ehemaligen Schule Neundorfs stattfand, gehört zur Ausbildung künftiger Polizeivollzugsbeamter im letzten Lehrjahr. An der Polizeihochschule Aschersleben werden rund 1000 junge Männer und Frauen aus allen Bundesländern ausgebildet.
Die Polizeihochschule hatte das Gebäude von der Stadt Staßfurt zur Verfügung gestellt bekommen und fand hier optimale Bedingungen. „Es ist optimal, weil es groß und noch komplett möbliert ist. Ein Amoklauf kann in allen Arten von Einrichtungen, Einkaufszentren und mehr stattfinden“, so Polizeitrainer Torsten Koch. Die Anwohner wurden im Vorfeld über die Übung informiert.
Der simulierte Amoklauf ist einer der Schlusspunkte der zweieinhalbjährigen Ausbildung zum Polizeivollzugsbeamten. „Hier müssen unsere Schüler viele Grundkenntnisse kombiniert anwenden, den Umgang mit der Schusswaffe, das Annähern an Gebäude und so weiter“, erklärt Hochschulsprecher Martin Zimmermann. So ein Live-Training werde lange in Theorie und Praxis vorbereitet, bevor es zu dieser Übung kommt, die dann sehr genau ausgewertet werde.
Die Schüler, die mit zu Farbmarkierungswaffen umgebauten Originalwaffen ausgestattet sind, wissen bis vor der Übung nicht, was sie erwartet. Dann kommt der Einsatzbefehl. Sie müssen sich sofort orientieren und in Zweierteams vorrücken. In einer Art geheimen Polizeisprache können sie auch in fremden Gebäuden ihre Strategien untereinander kommunizieren. Im Fall von Neundorf wurden verschiedene Szenarien geübt: Mal gab es einen, mal zwei Täter. Mal verletzte Opfer am Boden, dann verletze Polizisten oder Sprengfallen im Gebäude.
„Seit dem Vorfall am Erfurter Gymnasium 2002 gehört die Vorbereitung auf einen Amoklauf zu unserer Ausbildung“, so Torsten Koch. Denn es ist die „normale“ Streifenpolizei, die in solchen Fällen zuerst vor Ort ist, bevor das Spezialeinsatzkommando (SEK) eintrifft. Jeder Polizist müsse heute also für so etwas gewappnet sein.
Bisher gab es in Sachsen-Anhalt Vorfälle in Wernigerode (2013) und in Ballenstedt (2011), die man als Amokläufe von Schülern bezeichnen könnte, der Begriff Amok ist aber strafrechtlich gar nicht definiert.
Ob es sich im Einsatzfall um einen Amoklauf handelt, wüssten die Polizisten beim Eintreffen nach ihrer Alarmierung sowieso erst einmal nicht, erklärt Martin Zimmermann weiter. Situationen können sich als Bedrohung mit Anscheinswaffen herausstellen, als öffentlicher Suizid oder schlechter Scherz. Die Polizeischüler üben daher die sogenannten „lebensbedrohliche Einsatzlagen“. Dazu gehören Amokläufe, Notzugriffe, sogar Terrorlagen. Auch die Terrorlage ist neuerdings Lerninhalt an der Polizeischule Aschersleben. Denn in diesem Jahr ist ein Runderlass des Innenministeriums erschienen, der die Polizei auch bei Terrorgefahr in der Pflicht sieht und aufgrund dessen Polizeibeamte und Polizeischüler mit besonderen Einsatzmitteln wie speziellen Waffen oder Schutzwesten ausgestattet wurden.
„Das Aufgabenspektrum des Polizeibeamten wird immer breiter. Auch wenn dies hoffentlich nie der Fall sein wird, aber unsere Polizei ist auf solche Fälle vorbereitet“, sagt Torsten Koch.