Staßfurt Protest gegen Corona-Maßnahmen
Mittlerweile treffen sich über 40 Menschen aus Staßfurt zu sogenannten „Montagsspaziergängen“.
Staßfurt l Am Dienstag taucht auf dem Nachrichtenportal „BBGLive“ ein Gruppenfoto auf, das Folgen für die Abgebildeten haben wird: Ohne Abstand stehen etwa 45 Frauen und Männer vor der Kirche St. Petri am Königsplatz. Eine Maske ist bei niemandem zu sehen. Stattdessen halten mehrere ihre Handys mit eingeschaltetem Licht in die Kamera. Auf der Nachrichtenseite ist keines der Gesichter gepixelt.
Schnell wird auf dem Facebook-Auftritt des Magazins heftig diskutiert. Einige Nutzer verurteilen die Aktion, andere begrüßen sie und berichten von einer ähnlichen Aktion immer dienstagabends mit Kindern in Staßfurt-Nord.
Niemand will sich als Organisator oder Veranstalter dieser Aktion ausgeben und mit den Treffen namentlich in Zusammenhang gebracht werden. Denn die Spaziergänge sind als Versammlung oder Demonstration nicht angemeldet. Sie laufen unter dem Titel „Staßfurt wacht auf“, ist von der Seite „BBGLive“ zu entnehmen. Offizielle Informationen dazu gibt es nicht.
Bekannt ist, dass die erste Einladung zu einem losen Treffen Anfang Dezember 2020 über den Nachrichtendienst WhatsApp kursierte. Am Montag, 7. Dezember, soll eine Handvoll Menschen in Staßfurt zum ersten Mal zusammengekommen sein, damals im „Lockdown light.“
Die Volksstimme sprach mit zwei ausfindig gemachten Teilnehmern anonym: Seit zwei Monaten treffen sie sich immer montags um 18.30 Uhr auf dem Benneckschen Hof in wachsender Anzahl. In dieser Woche sollen es mehr als 45 gewesen sein. Gemeinsam laufen sie zur St. Petri-Kirche am Königsplatz und zurück, berichten die beiden.
Ein Teilnehmer berichtet: „Es ist ein loses Treffen von Leuten, die spazieren gehen“. Man unterhalte sich über die aktuelle Corona-Situation mit ihren Problemen und teilweise „dramatischen Lebensläufen“. Der Teilnehmer beschreibt die Aktion so, dass man nur zusammenkommen und sich austauschen wolle.
Dennoch bewegen sich die Teilnehmer demonstrativ in der Öffentlichkeit und die meisten tragen ebenso demonstrativ keine Maske und halten keinen Abstand. Die Handyleuchten auf dem Foto sollen an die Kerzen bei den Montagsdemos vor der Wende erinnern.
Ein zweiter Teilnehmer bezeichnet die Aktion sehr wohl als öffentlichen Protest: „Wir wollen auf etwas aufmerksam machen, auch wenn das keine Demonstrationen sind, da diese ja angemeldet werden müssen.“ Die Menschen wollten ihre Unzufriedenheit mit der Corona-Situation deutlich machen. Freiheit und Grundrechte seien aktuell nicht mehr gewahrt. „Das muss ein Ende haben“, sagt der Teilnehmer. Corona-Maßnahmen seien „Zwangsmaßnahmen“. Selbst zu DDR-Zeiten habe man seine Meinung freier äußern können.
Beide Teilnehmer betonen: „Wir sind keine Corona-Leugner“. Man müsse aber an die Menschen denken, die jetzt vergessen würden. Branchen, die aktuell von Schließungen betroffen sind, hätten nie Corona-Hotspots entstehen lassen und bräuchten bald wieder Normalität.
Warum die Teilnehmer keinen Abstand halten und keine Masken tragen? „Masken sind der größte Schwachsinn, den es gibt“, sagt ein Teilnehmer. Der andere meint: „Ich hatte jedes Jahr eine Grippe und bin so gesund wie noch nie. Ich habe keine Angst, dass mir das Virus etwas anhaben kann. Aber ich habe Angst vor der ganzen Geschichte, die hier läuft.“
Da die Treffen nicht angemeldet sind und die Teilnehmer offenbar gegen die Regeln des Lockdowns verstoßen, wird das Foto auf dem Nachrichtenportal jetzt wohl ein Fall für die Behörden werden.
Der Polizei im Salzlandkreis ist die Bewegung „Staßfurt wacht auf“ noch nicht bekannt. „Wie die Situation beschrieben wird, ist ein Verstoß gegen die Covid-19-Verordnung wahrscheinlich“, vermutet Polizeisprecher Marco Kopitz.
Treten solche vorschriftswidrigen Treffen erstmalig auf, sind die Behörden auf Bürger angewiesen, die solche Fälle der Salzlandkreisverwaltung als Versammlungsbehörde oder ersatzweise der Polizei melden, erklärt die Polizei. Erst dann könnten Ermittlungen aufgenommen und Bußgelder verhängt werden. Oder aber Polizeibeamte bekommen zufällig solche Aktionen mit – dann würden sie vor Ort eingreifen und auf die Einhaltung der Corona-Regeln hinweisen.
Ähnliche Aktionen in Bernburg, wo sich wöchentlich rund 15 Teilnehmer treffen, seien laut Polizei im Gegensatz zu Staßfurt angemeldet. Bei den Teilnehmern handele es sich laut Polizeisprecher nicht zwangsläufig um Corona-Leugner oder Mitglieder antidemokratischer oder rechtsnationaler Bewegungen.
Die Teilnehmer kündigen an, die Aktivitäten auszubauen. In dieser Woche soll es einen Autokorso in Bernburg oder Aschersleben geben. Man verabredet sich spontan über Whatsapp und kündigt die Aktionen nicht öffentlich an.
In Schönebeck, wo die Bewegung den größten Zulauf hat, soll es demnächst eine größere Demonstration geben. Die „Schönebecker Spaziergänger“ haben andere Größenordnungen erreicht: Hunderte Teilnehmer tanzen und singen dort auf öffentlichen Plätzen. Polizei und Behörden sind vor Ort und würden eingreifen, falls Hygieneauflagen nicht beachtet würden.